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MKL1888:Pharisǟer

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Pharisǟer“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Pharisǟer“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 12 (1888), Seite 985
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Pharisǟer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 985. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Pharis%C7%9Fer (Version vom 01.02.2022)

[985] Pharisǟer (kirchenlat. Pharisaei, hebr. Peruschim, „Abgesonderte“), eine der im vor- und nachchristlichen Jahrhundert in Palästina existierenden drei Parteiungen (P., Sadduzäer und Essäer), die eigentliche nationale Partei unter den Juden, in der Zeit der Makkabäerherrschaft aus dem Bestreben entstanden, alles echt Israelitische von dem Abgefallenen und Heidnischen zu trennen und um einen festen Kern zu sammeln. In politischer Hinsicht waren die P. unbedingte Theokraten, zugleich die Patrioten, die ihres Volkes Unabhängigkeit erstrebten, daher heftige Gegner der Herodianer; in religiöser hielten sie streng an dem altväterlichen Glauben und an den Überlieferungen der Vorzeit fest. Sie waren die schriftgelehrten Führer der großen Mehrheit des Volkes und zählten zu Herodes’ Zeiten 6000 Mitglieder. Im Zeitalter Jesu teilten sie sich in mehrere Schulen, unter denen die des Hillel und Schammai, jene den gemäßigten, diese den strengen Pharisäismus repräsentierend, die berühmtesten waren. Die zwischen diesen Schulen streitigen Fragen betrafen die Ausdeutung des mosaischen Gesetzes für die Praxis des Lebens und berührten ebensowohl das bürgerliche Recht wie das religiöse Zeremoniell. Der Pharisäismus nahm die überkommene fromme Übung ganz, wie sie einmal war, in den Begriff der „Gerechtigkeit“ auf und schuf daraus eine das ganze Leben des Volkes auf Schritt und Tritt, vom Morgen bis zum Abend, von der Geburt bis zum Grab regulierende Norm, welche immer nur neue Zusätze erfuhr, aber keinerlei Abbruch vertragen konnte. Dogmatisch wie politisch unterschieden sich die P. von den Sadduzäern: in letzterer Beziehung als die Vertreter der Volkspartei gegenüber dem herrschenden Priesteradel, in ersterer als die Träger und Fortbildner der Tradition gegenüber dem vornehm auf das geschriebene Gesetz und die darin enthaltene einfachere Glaubenslehre sich zurückziehenden Sadduzäismus. Der pharisäische Lehrbegriff hat im neuern Judentum entschieden das Übergewicht behauptet. Vgl. Geiger, Sadducäer und P. (Bresl. 1863); Wellhausen, Die P. und die Sadduzäer (Greifsw. 1874).