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MKL1888:Palérmo

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Palérmo“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 12 (1888), Seite 625627
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Palérmo. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 625–627. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Pal%C3%A9rmo (Version vom 01.08.2024)

[625] Palérmo, ital. Provinz auf der Insel Sizilien, grenzt nördlich an das Tyrrhenische Meer, östlich an die Provinzen Messina und Catania, südlich an Caltanissetta und Girgenti, westlich an Trapani und umfaßt 5087 qkm (nach Strelbitsky 5142 qkm oder 93,4 QM.). Das Land ist großenteils gebirgig und enthält die Madonie und andre Verzweigungen des Nebradischen Gebirges, von dessen Abhängen zahlreiche Flüßchen, wie Termini, Torto, San Leonardo u. a., dem Tyrrhenischen Meer, teilweise auch, wie der Belice, nach S. dem Afrikanischen Meer zueilen. Die Bevölkerung belief sich 1881 auf 699,151 Einw. Der sehr fruchtbare Boden erzeugt Getreide, Wein, Olivenöl, Agrumen, Feigen und sonstige Früchte, Lein, Hanf, Manna, Sumach, Süßholz; an mineralischen Produkten Schwefel, Marmor, Achat und Alabaster. Das Meer liefert Fische in reicher Menge, namentlich Thunfische. Auf den weidereichen Bergen wird die Schafzucht in großem Umfang betrieben. Die Industrie ist unbedeutend; außer der Fabrikation von ordinären Geweben und Gußwaren sind die Sumachfabrikation, Schwefelraffinerie, Leder-, Weinstein- und Leimfabrikation zu erwähnen. Der Handel konzentriert sich in der Stadt und dem Hafen von P.; an Kommunikationsmitteln stehen ihm zu Lande besonders die Eisenbahnlinien P.-Girgenti und P.-Trapani zur Verfügung. Die Provinz zerfällt in die vier Kreise P., Cefalù, Corleone und Termini.

Die gleichnamige Hauptstadt, einer der wichtigsten Hafen- und Handelsplätze Italiens, liegt an einer vom Monte Pellegrino und Monte Catalfano begrenzten Bucht der Nordküste Siziliens, in einer

Wappen von Palermo.

durch landschaftlichen Reiz, mildes Klima und Üppigkeit der Natur gleich ausgezeichneten Gegend (daher der Beiname Conca d’oro, „goldene Muschel“). Wegen seiner milden Wintertemperatur (durchschnittlich 12° C.) ist P. eine der geeigneten Winterstationen für Brustkranke. P. zerfällt in vier Stadtteile, an die sich die Vorstädte angeschlossen haben. Unter den Thoren sind die ungedeckte Porta Felice und die triumphbogenartige Porta nuova die bemerkenswertesten. Die Straßen laufen größtenteils in die beiden regelmäßigen mit Palästen und Kaufläden geschmückten Hauptstraßen Via Vittorio Emmanuele und Macqueda aus, die sich rechtwinkelig auf dem achteckigen Platz Quattro Cantoni oder Vigliena schneiden. Längs des Meeresufers zieht sich als schöne Promenade das Foro Italico hin, von Palästen eingefaßt und in den öffentlichen Garten La Flora auslaufend. Die übrigen Straßen sind meist eng. Mit gutem Trinkwasser ist die Stadt durch die von den Arabern angelegten Aquädukte reichlich versehen. Von öffentlichen Plätzen sind außer dem erwähnten, mit vier Monumentalfassaden geschmückten Platz Vigliena zu nennen: Piazza Pretoria mit prachtvollem, statuengeschmücktem Brunnen, Piazza Marina mit schönem öffentlichen Garten (Giardino Garibaldi), Piazza Bologni mit dem Standbild Karls V., der Domplatz, die große Piazza Vittoria mit dem Denkmal Philipps IV. (seit 1856 Philipps V.), Piazza San Domenico, Piazza Ruggiero Settimo mit dem Denkmal dieses Staatsmanns u. a. P. zählt 295 Kirchen und Kapellen nebst mehr als 70 ehemaligen Klöstern. Imposant ist die Kathedrale der heil. Rosalia, welche auf dem Grund einer arabischen Moschee unter dem Normannenkönig Wilhelm II. 1169–85 im gotischen Stil erbaut, seitdem aber wiederholt ergänzt und zu Ende des vorigen Jahrhunderts mit einer stilwidrigen Kuppel versehen worden ist. Von besonderer Schönheit ist an der malerischen Hauptfassade die Vorhalle. Das zu Ende des vorigen Jahrhunderts völlig umgestaltete Innere enthält die Grabmäler des Königs Roger I., dessen Tochter Constantia, [626] ihres Gemahls, des Kaisers Heinrich VI., und seines Sohns Friedrich II., dann den silbernen Sarg der heil. Rosalia. In der Unterkirche befinden sich die Grabmäler der Erzbischöfe von P. Mit der Kathedrale durch zwei Bogen verbunden ist der schöne Glockenturm und der anschließende erzbischöfliche Palast. Von Kirchen sind ferner merkwürdig: San Domenico, die weitläufigste Kirche der Stadt, jetzt die sizilische Ruhmeshalle; die Kirche des heil. Joseph, ein Säulenbau (1612–45) mit reicher Marmordekoration und Unterkirche; die Kirche Olivella und das dazu gehörige schöne Oratorium; die Kirche der Casa professa im Jesuitenstil; die kleine Kirche Santa Maria della Catena, mit schönem Portikus aus dem 16. Jahrh.; die Kirche Martorana (1143), ein Musterbild normännischen Stils, mit interessanten Mosaiken aus der Zeit König Rogers; die Kirche San Giovanni degli Eremiti, ein merkwürdiger altnormännischer Bau aus dem J. 1132 mit fünf Kuppeln. Unter den übrigen öffentlichen Gebäuden steht der Palazzo reale

Umgebung von Palermo.

obenan, ein Konglomerat verschiedener Stilarten mit der vom alten Normannenbau erhaltenen Torre Pisana (auch Santa Ninfa, 1787 als astronomisches Observatorium von Piazzi eingerichtet, welcher hier den Planeten Ceres entdeckte), der herrlichen, von Roger I. um 1140 erbauten palatinischen Kapelle mit prachtvollen Wandmosaiken auf Goldgrund und dem mit normännischen Ornamenten und Mosaiken geschmückten Saal Rogers. Andre öffentliche Gebäude, wie der Palazzo de’ Tribunali (1307 erbaut), das Rathaus, das Universitätsgebäude und der erzbischöfliche Palast, zeichnen sich hauptsächlich nur durch ihre Größe aus. Unter den Privatpalästen, deren Fassaden meist in prunkvollem Rokokostil ausgeführt sind, häufig aber den Kontrast von Pracht und Verfall darbieten, sind die ausgezeichnetsten die Paläste Abbatelli, San Cataldo, Forcella, Ajutamicristo, Geraci und Riso. Die Zahl der Einwohner beläuft sich auf (1881) 242,079, so daß P. an Einwohnerzahl unter den italienischen Städten nur Neapel, Mailand und Rom nachsteht. Die Industrie ist nicht von großer Bedeutung und hauptsächlich durch eine Eisengießerei, Fabrikation von Maschinen, Messingketten, Essenzen und Teigwaren, Sumachmühlen, Kunsttischlerei, Herstellung von Tischplatten aus verschiedenartigem Marmor, Handschuhen und Schuhwaren vertreten. Hauptgegenstände des Handels sind in der Ausfuhr: Agrumen, Mandeln und Nüsse, Sumach, Schwefel, Weizen, Manna, Wein und Essenzen; in der Einfuhr: Steinkohlen, Petroleum, Getreide, Reis, Kaffee, Zucker, Eisen, Kurzwaren, Häute und Gewebe. Der Warenverkehr erreichte 1886 eine Menge von 500,000 Ton. Der alte Hafen von P., La Cala, ist nur für kleinere Schiffe zugänglich; dagegen ist im N. der Stadt am Fuß des Monte Pellegrino ein neuer durch einen großen Molo (mit Leuchtturm) geschützter Hafen hergestellt worden, welcher jedoch bisher an Magazinen Mangel leidet. In demselben waren 1886 handelsthätig 3611 Schiffe mit 1,203,269 T. ein- und 3585 Schiffe mit 1,192,642 T. ausgelaufen. Vom gesamten Schiffsverkehr (7196 Schiffe mit 2,395,911 T.) kamen auf die internationale Schiffahrt 1397 Schiffe und 834,388 T., auf die Kabotage 5799 Fahrzeuge und 1,561,523 T.; Dampfer verkehrten 3095 mit 2,170,870 T., Segelschiffe 4101 mit 225,041 T.; die italien. Flagge war durch 5948 Schiffe mit 1,295,958 T., andre Flaggen (vorwiegend die englische, dann die französische und deutsche) durch 1248 Schiffe mit 1,099,953 T. vertreten. Der Hafen von P. steht in regelmäßiger Verbindung mit dem italienischen Kontinent und den Inseln, mit Marseille, den Küstenplätzen des Adriatischen Meers, der Levante, dem Schwarzen Meer, mit Spanien, Holland, England, Hamburg und Nordamerika. Seiner Bedeutung nach ist der Hafen der fünfte in Italien und steht hinsichtlich des Tonnengehalts der ein- und ausgelaufenen Schiffe nur den Häfen von Genua, Neapel, Livorno und Messina nach. Die Handelsmarine des Seebezirks von P. hatte 1886 einen Stand von 402 Schiffen mit 67,301 T.; mit dem Besitzstand an Dampfern (71 mit 52,073 T.) nimmt P. nach Genua den höchsten Rang in Italien ein. Zu Lande stellt das von P. auslaufende Eisenbahnnetz die Verbindung mit den wichtigsten Hafenplätzen der Insel her. Für den Lokalverkehr sorgt eine Pferdebahn. Förderungsmittel des Handels sind außerdem eine Börse, zwei größere Banken und mehrere kleine Kreditinstitute.

An Unterrichtsanstalten besitzt die Stadt eine im J. 1447 gegründete Universität mit vier Fakultäten (für Jurisprudenz, Medizin, Naturwissenschaften und Mathematik, Philosophie und Litteratur) und (1882) 72 Lehrkräften und 593 Studierenden. Mit ihr sind eine Notariats- und Ingenieurschule, ein Kollegium der schönen Künste, ein pharmazeutischer und ein Hebammenkurs vereinigt. Die Lehrmittel und Institute sind außer dem botanischen Garten und der naturhistorischen Sammlung höchst dürftig. Außerdem hat P. ein Lyceum, 2 Gymnasien, ein Gewerbeinstitut, 2 technische Schulen, ein Institut für die Handelsmarine, eine Ackerbauschule, ein erzbischöfliches Seminar, ein königliches Kollegium für Musik, ein Nationalkonvikt, eine königliche Erziehungsanstalt für Mädchen, ein Taubstummeninstitut, mehrere Akademien u. dgl. Eine sehr wertvolle Kunstsammlung ist das Nationalmuseum, welches sich namentlich durch seine antiken Skulpturen (Metopen von Selinunt) auszeichnet. Von Bibliotheken sind zu nennen: die städtische Bibliothek mit 130,000 Bänden und 2600 Manuskripten, die Nationalbibliothek, ehemals dem Jesuitenkollegium gehörig, mit 110,000 Bänden und 1300 Manuskripten. Andre gemeinnützige Anstalten sind: ein großes Hospital, ein Militärspital, mehrere Waisen- und Versorgungshäuser, eine Kinderbewahranstalt, ein Armenhaus, [627] ein Findelhaus, Irrenhaus etc. Theater gibt es in P. vier, von denen das königliche Teatro Bellini und das Teatro Massimo für die Oper bestimmt sind. Ferner besitzt P. ein prachtvolles Sommertheater, Politeama genannt. Spaziergänge sind das Foro Italico mit dem anstoßenden Floragarten, dann der Englische Garten. Merkwürdig ist in P. das jährlich im Juli mehrere Tage hindurch mit Ausschmückung der Stadt, Illumination und Feuerwerken gefeierte Fest der heil. Rosalia. P. ist der Sitz des Präfekten, eines Erzbischofs, Kassations- und Appellhofs, Zivil- und Korrektionstribunals und Handelsgerichts, einer Finanzintendanz, eines Hauptzollamtes, einer Post- und Telegraphendirektion, eines Generalkommandos, einer Handelskammer und zahlreicher Konsuln fremder Staaten (darunter auch eines deutschen). Die Hauptzierde der Umgebung der Stadt ist der 597 m hohe Monte Pellegrino mit prachtvoller Aussicht und der Grottenkirche der heil. Rosalia, in welcher dieselbe im 12. Jahrh. gestorben sein soll. Ihre Gebeine wurden im 17. Jahrh. aufgefunden, und da sie, nach P. gebracht, der Pest ein Ende machten, so wird sie seitdem als Schutzheilige verehrt und zu ihrer Grotte gewallfahrtet. Sehenswert sind auch die in den Vororten gelegenen beiden alten normännischen, in würfelartiger Grundform erbauten Paläste Zisa (mit herrlicher Aussicht vom Dach) und Cuba (jetzt Kaserne), der berühmte Dom von Monreale (s. d.) und das palastähnliche ehemalige Benediktinerkloster San Martino. Erwähnung verdienen noch die Villen Belmonte, Serradifalco, Tasca, Favorita u. a. mit ihren herrlichen Gärten. Merkwürdig ist endlich das westlich von der Stadt gelegene Kapuzinerkloster mit seinem Friedhof (mumifizierte Leichen).

[Geschichte.] P., das Panormos der Alten, wurde von den Phönikern, bei denen es Machanath Choschbim („Lager der Buntwirker“) hieß, gegründet, gehörte später den Karthagern und war im ersten Punischen Krieg die Hauptstation der Flotte derselben. Nachdem die Römer die Stadt 254 v. Chr. erobert und einen Angriff der Karthager 250 zurückgeschlagen hatten, machten sie dieselbe zur Kolonie (Colonia Augusta Panormitanorum). 515 wurde es zwar von den Goten erobert, doch 534 von Belisar wieder besetzt. 831 eroberten es die Sarazenen. 1072 bemächtigte sich der Normanne Robert Guiscard der Stadt. Die spätern Könige von Sizilien, Roger II., Wilhelm I. und Wilhelm II., wurden in P. gekrönt, das nun Residenz wurde. Durch Constantia, Tochter Rogers II., kam es an den hohenstaufischen Kaiser Heinrich VI. Kaiser Friedrich II. wurde hier erzogen, hatte hier als König beider Sizilien seinen prächtigen Hofhalt und wurde, wie sein Vater, hier begraben (s. oben). Sein natürlicher Sohn Manfred regierte von P. aus Sizilien erst als Reichsverweser, dann (seit 1258) als König. Nachdem er bei Benevent 1266 gefallen, bemächtigten sich die Franzosen Siziliens und seiner Hauptstadt. Aber das Volk rächte blutig das Andenken Konradins, des letzten Sprößlings des schwäbischen Herrschergeschlechts; die Sizilianische Vesper, durch welche alle Franzosen auf der Insel ermordet wurden, begann 1282 in P. Hierauf ward Peter von Aragonien in P. zum König gekrönt. Dieses blieb nun Hauptstadt und nominell Residenz, wenigstens Sitz des Vizekönigs. Am 3. Juni 1676 wurde die spanisch-holländische Flotte bei P. von der französischen unter Vivonne und Duquesne geschlagen. 1693 und 1. Sept. 1726 wurde die Stadt durch Erdbeben bedeutend beschädigt. 1799 mußte sich Ferdinand IV. vor den Franzosen von Neapel nach P. flüchten und residierte hier mit kurzer Unterbrechung bis 1815. Als Ferdinand IV. Neapel und Sizilien als „Königreich beider Sizilien“ zu Einem Reich vereinigte, brach in P. 1820 ein Aufruhr aus, welcher die Stadt allen Greueln einer Pöbelherrschaft preisgab, bis sie 5. Okt. sich dem General Pepe ergeben mußte. Am 5. März 1823 wurde P. abermals durch ein Erdbeben bedeutend beschädigt. 1837 raffte die Cholera in P. innerhalb 6 Wochen 26,000 Menschen hinweg. Im September 1847 brachen in P. neue Unruhen aus, die 12. Jan. 1848 zu einem allgemeinen Aufstand führten. Nach blutigem Kampf wurden die königlichen Truppen zurückgeschlagen und zogen sich in die nahegelegenen Forts und in den königlichen Palast zurück, der 25. Jan. aber ebenfalls vom Volk erstürmt wurde. Am 4. Febr. konstituierte sich das Generalkomitat von P. als provisorische Regierung für ganz Sizilien, und 25. März wurde das sizilische Parlament nach P. einberufen. Nachdem aber Messina gefallen und der größte Teil der Insel von den königlichen Truppen besetzt worden war, ergab sich 15. Mai 1849 auch P. Am 26. Mai 1860 erschien Garibaldi vor der Stadt und nahm sie, vom Volk unterstützt, tags darauf. Nur die Citadelle hielten die königlichen Truppen noch besetzt und bombardierten von hier aus die Stadt, wurden aber schon 30. Mai zur Kapitulation gezwungen und schifften sich einige Tage später nach Neapel ein. Seitdem gehört P. zu Italien, ist aber wieder der Hauptherd der Unzufriedenheit gegen die neue Regierung. Vgl. Oppermann, Palermo (Bresl. 1860); Löher, Palermo (Münch. 1864); Springer, Die mittelalterliche Kunst in P. (Bonn 1869); Schubring, Historische Topographie von Panormus (Lüb. 1871).