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MKL1888:Ostermann

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Ostermann“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Ostermann“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 12 (1888), Seite 478479
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Ostermann. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 12, Seite 478–479. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ostermann (Version vom 08.04.2022)

[478] Ostermann, 1) Heinrich Johann Friedrich (russ. Andrej Iwanowitsch), Graf, ausgezeichneter russ. Diplomat, geb. 30. Mai 1686 zu Bochum in Westfalen, floh wegen eines Duells, in welchem er seinen Gegner tötete, von Jena nach Holland, trat, durch [479] den Vizeadmiral Cruys Peter d. Gr. empfohlen, 1704 in russischen Seedienst, gewann bald des Zaren vollstes Vertrauen und ward zu den wichtigsten Geschäften verwendet. Er wirkte wesentlich zur Abschließung des Friedens am Pruth (23. Juli 1711) und leitete die Friedensunterhandlungen zu Nystad (10. Sept. 1721), worauf er zum Freiherrn und Geheimrat und 1725 zum Reichsvizekanzler ernannt wurde. Katharina I. bestimmte ihn auf dem Sterbebett zum Oberhofmeister und zum Mitglied des Regentschaftsrats während der Minderjährigkeit ihres Nachfolgers Peter II. 1730 ward O. in den Grafenstand erhoben und von der Kaiserin Anna mit dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten betraut. Als 1740 die Prinzessin Anna von Braunschweig sich zur Reichsverweserin erklärte, behauptete O. seine einflußreiche Stellung; die Thronbesteigung Elisabeths aber führte seinen Sturz herbei. Unter der Anschuldigung, Elisabeths Ausschließung von der Thronfolge bei der Kaiserin Anna bewirkt und das Testament der Kaiserin Katharina I. unterschlagen zu haben, wurde er zur Hinrichtung durch das Rad verurteilt. Schon hatte er 27. Jan. 1742 das Blutgerüst bestiegen, als das Todesurteil in lebenslängliche Verbannung nach Sibirien verwandelt wurde. Hier starb er 25. Mai 1747 in Beresow. Seine beiden Söhne, welche kinderlos starben, adoptierten die Söhne ihrer an den General Tolstoi verheirateten Schwester, die seitdem O.-Tolstoi hießen. Unter ihnen zeichnete sich besonders aus

2) Alexander Iwanowitsch, Graf O.-Tolstoi, geb. 1772, nahm an den Kriegen gegen die Türken und Polen rühmlichen Anteil, wurde 1798 Generalmajor und erhielt 1805 als Generalleutnant den Oberbefehl über das russische Korps, welches mit schwedischen und englischen Hilfstruppen die Diversion nach dem nördlichen Deutschland zu machen bestimmt war. Nach seiner Rückkehr ward er Gouverneur von Petersburg. 1806 führte er eine Division in Bennigsens Heer, erhielt 1812 das Kommando des 4. Armeekorps und nahm mit diesem an dem ganzen Feldzug von 1812 mit Auszeichnung teil. 1813 ward er bei Bautzen verwundet, focht dann bei Dresden und befehligte das russische Gardekorps 29. und 30. Aug. bei Kulm, wo ihm der linke Arm zerschmettert wurde. Vereinigt mit Klenau bewirkte er die Übergabe Dresdens; dann war er 1815 kurze Zeit Gesandter in Paris. 1817 erhielt er das Patent eines Generals der Infanterie. Nachdem er mehrere Jahre in Frankreich und Italien zugebracht, unternahm er 1831 in Begleitung Fallmerayers eine Reise nach dem Orient und ließ sich 1837 zu Petit-Saconnex am Genfer See nieder, wo er 12. Febr. 1857 starb.