MKL1888:Ormuzd
[450] Ormuzd (Ormazd), spätere pers. Form des Namens für die höchste Gottheit der Bekenner der alten Nationalreligion Irans (s. Zoroaster), im Zendavesta Ahuramazda („weiser Herr“?), auf den Keilinschriften der persischen Großkönige Auramazda genannt. In der Naturreligion der noch ungetrennten Arier Indiens und Irans kommt er unter diesem Namen noch nicht vor, wenn ihn auch einige Gelehrte mit dem Himmelsgott Waruna der indischen Wedas identifizieren wollen. Die Griechen, welche ihn Oromazes oder Oromasdes nennen, kannten ihn bereits als obersten Gott der Perser, als den aus dem reinsten Licht entstandenen Urheber der guten Dinge und als Schöpfer der Welt; auf den von Dareios I. herrührenden Keilinschriften von Bisutun heißt er „der größte der Götter“. Die authentische Quelle für die Erkenntnis seines Wesens ist das Zendavesta (s. d.), besonders der älteste, von Zarathustra selbst oder seinen Jüngern herrührende Teil desselben, die „Gâthâ“ (Lieder). Hiernach ist er der heiligste, Gedeihen spendende Geist, der Sonne, Mond und Sterne und den Himmel, die Erde und die Gewässer, die Bäume und die Menschen geschaffen hat und erhält. Er ist allwissend, der Freund und Schützer der Guten, der Feind der Lügner und der Rächer des Unrechts, der Erfinder der guten Sprüche (daena) zur Abwehr der Unholde (daeva). Man betet zu ihm um Verleihung irdischer Güter, aber auch um Vollkommenheit und Unsterblichkeit oder langes Leben. Er ist die Quelle der guten Gedanken, Worte und Werke, der Vater der Armaiti, welche die Gottheit der Demut und Frömmigkeit und zugleich der Erdgeist ist; „Wahrheit“ und „guter Sinn“ stehen ihm, halb personifiziert, halb nicht, zur Seite. Sein Gegner ist Anromainyus (der „böse Geist“), der spätere Ahriman (s. d.). Zwischen diesem und Ahuramazda hat der Mensch zu wählen, doch hat im ganzen der erstere eine sehr inferiore Stellung und tritt erst in den spätern Teilen des Zendavesta mehr hervor. O. selbst erscheint in der spätern Religion als Schöpfer sämtlicher andrer Götter, insbesondere der sechs Amschaspands (s. d.), die im Himmel neben ihm thronen. Auch die Erschaffung der Welt, besonders der 16 Landschaften von Ostiran, wird mehr im Detail ausgeführt, und es werden viele Unterredungen mitgeteilt, die O. mit seinem Propheten Zarathustra über verschiedene Fragen des Glaubens und der Moral gehalten. Freilich bleibt er eine etwas abstrakte und passive Figur im Vergleich mit den lebensvollen alten Naturgöttern, wie Mithra (s. d.). Nur sein Kampf mit dem bösen Geiste, der 3000 Jahre lang dauern und mit der Niederlage desselben enden soll, wird breiter ausgeführt; auch erscheint er nun als Totenrichter, der die Seelen um ihren Wandel befragt und sie, wenn die Antwort befriedigend ausfällt, einladet, sein Paradies mit ihm zu teilen. Noch entschiedener tritt seine Gestalt in der Pehlewi-Litteratur der Sassanidenzeit und in der Religion der heutigen Parsen (s. d.) hervor, die wesentlich monotheistisch ist. Vgl. Windischmann, Zoroastrische Studien (Berl. 1863); Spiegel, Eranische Altertumskunde, Bd. 2 (das. 1873); Duncker, Geschichte des Altertums, Bd. 4 (5. Aufl., das. 1881); Darmesteter, Ormazd et Ahriman (Par. 1877); W. Geiger, Ostiranische Kultur im Altertum (Erlang. 1882).