MKL1888:Nordpolexpeditionen
[227] Nordpolexpeditionen, Fahrten zur Entdeckung der um den Nordpol gelagerten Länder und Meere und zur eventuellen Erreichung des Nordpols selber. Die frühste Nordfahrt unternahm 320 v. Chr. Pytheas von Marseille, der die Insel Thule, wahrscheinlich die Shetlandinseln, erreichte. Eremiten aus Irland siedelten auf die Färöer über und gingen 795 nach Island, das sie aber beim Erscheinen der Wikinger wieder verließen. Diese setzten sich auf Island fest und machten von hier aus wiederholt Fahrten nach Grönland, das 985 von Erik dem Roten, der in 25 Schiffen viele Auswanderer dorthin führte, besiedelt wurde. Von dort aus fand sein Sohn Leif, den um 1000 König Olaf mit Missionären nach Grönland sandte, Helluland (Labrador), Markland (Neufundland oder Neuschottland) und Vinland (wahrscheinlich Massachusetts). Später wurden noch weitere Fahrten gemacht, aber Anfang des 15. Jahrh. erlagen die Ansiedler in Grönland Seuchen und Angriffen der Eskimo. In der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts besuchte der Portugiese Cortoreal und nach ihm Colombo Island, und Cabot fand 1494 Labrador. Nach der Entdeckung der Südsee begann man eine nordwestliche Durchfahrt zu suchen. Den ersten Versuch machte auf Befehl Heinrichs VIII. 1517 Sebastian Cabot, der dabei die Hudsonstraße entdeckte. Darauf gewann Cabot einige reiche englische Kaufleute für die Aufsuchung einer nordöstlichen Durchfahrt. Aber von den 1553 mit drei Schiffen abgesandten Kapitänen Willoughby, Gefferson, Durforth und Chancellor rettete sich nur der letzte vor dem Untergang durch Hunger und Kälte. Chancellor kehrte 1554 über Moskau nach England zurück, nachdem er vom Großfürsten die größten Begünstigungen für die englische Flagge erlangt hatte. Jene Kaufleute bildeten nun die Muscovy Company und entsandten 1556 Chancellor zum Weißen Meer, Burrough nach dem Ob, den dieser jedoch nicht erreichte, da es ihm nicht gelang, durch die Karische Straße zu kommen. Dagegen drangen Pet und Jackman 1580 glücklich durch die Jugorstraße in das Karische Meer ein. Unterdessen war Frobisher 1576 von England mit drei Schiffen nach NW. gesegelt, um Cabots Entdeckung weiter zu führen, und fand die nach ihm benannte Bai und das Meta incognita benannte Land im Norden der Hudsonstraße. Da man in einem Stück mitgebrachten Gesteins Gold zu sehen glaubte, wurde Frobisher 1577 abermals mit drei Schiffen ausgesandt und wiederum im nächsten Jahr mit 15 Fahrzeugen und vielen Handwerkern. Doch war das vermeintliche Golderz wertlos. Davis und Briton sichteten 1585 die Ostküste von Grönland, welche sie Desolationland nannten, und ankerten an der Westküste im Gilbertsund, dem heutigen Godthaab. Die Davisstraße kreuzend, erreichten sie neues Land unter 66°40′ nördl. Br., und befuhren den Cumberlandsund; 1587 erreichte Davis 72°12′ nördl. Br. Inzwischen hatten die Entdeckungen der Engländer die Eifersucht der Holländer erregt. Ihr Augenmerk auf die Nordostpassage richtend, entsandten sie 1594 drei Schiffe unter Nai, Ysbrantzoon und Barents, von denen der letztere an der Westküste von Nowaja Semlja entlang fuhr, während die beiden ersten durch die Kara- und Jugorstraße bis ins Karische Meer vordrangen. Die Bäreninsel und Spitzbergen wurden 1596 von Heemskerk, Rijp und Barents entdeckt; der letzte segelte dann nach Nowaja Semlja, dessen Nordostende er umschiffte. Doch fror er im Eishafen ein und starb nach der Überwinterung bei der Rückkehr. Nun wandte man sich wieder dem Westen zu. Der Engländer Waymouth drang 1602 wieder in die Davis- und in die Hudsonstraße, die Dänen entsandten 1605–1607 drei Expeditionen zur Aufsuchung der verschollenen Kolonien in Westgrönland, und 1607 segelte Hudson im Auftrag der Muscovy Company ab in der Hoffnung, am Nordpol ein offenes Becken zur Durchfahrt nach der Südsee zu finden; doch wurde er zwischen Grönland und Spitzbergen von Eis aufgehalten. Ebenso vergeblich suchte er 1608 zwischen Spitzbergen und Nowaja Semlja den Polarweg nach China. Ihm folgte 1610 Poole, der Steinkohlen auf Spitzbergen entdeckte. Diese Fahrten regten zur Großfischerei an; Engländer, Holländer, Dänen, Hamburger erschienen in diesen Gewässern. Glücklich überwinterten auf Spitzbergen 1630 acht Engländer und 1633 sieben Holländer, dagegen starben sieben andre Holländer 1634 auf Jan Mayen und 1634 dieselbe Zahl auf Spitzbergen.
In den Jahren 1609 und 1610 entdeckte Hudson den nach ihm benannten Fluß, Straße und Bai und überwintert in der Jamesbai, wurde aber von seiner meuterischen Mannschaft mit neun andern in der Schaluppe ausgesetzt und blieb verschollen. Sein Schicksal aufzuklären, wurden 1612 von England Button und Ingram ausgesandt, welche fast die ganze Hudsonbai umfuhren. 1615 begannen Bylot und Baffin ihre erfolgreichen Fahrten, entdeckten die zahlreichen Inseln in der Hudsonstraße, 1616 in der Baffinsbai vordringend Kap Digges (76°35′ nördl. Br.); den Wolstenholm- und den Walsund (77°30′ nördl. Br.), die Hakluytinsel und den durch Eis verstopften Smithsund, dann weiter westlich die Careyinseln (76°40′ nördl. Br.) und den Jones- und den Lancastersund. Die weitern Unternehmungen bis Ende des 18. Jahrh. brachten hier nicht viel Neues, obschon das englische Parlament 1743 einen Preis von 20,000 Pfd. Sterl. auf die Entdeckung der Nordwestpassage setzte, doch nahm der Walfischfang einen großartigen Aufschwung. 1712 gründete der Prediger Hans Egede die jetzigen dänischen Niederlassungen an der Westküste Grönlands, und Beamte der 1670 gebildeten Hudsonbaikompanie erschlossen auf Landreisen große Strecken des nordamerikanischen Kontinents.
Das nördliche Asien war bereits seit Anfang des 17. Jahrh. durch die Russen besser bekannt geworden. Mit dem Eintreiben von Tribut beauftragte Kosaken erreichten vom Jenissei die Lena, 1636 verfolgte Busa dieselbe bis zur Mündung und entdeckte zwei Jahre später die Jana, während Ivanoja bis zur Indigirka vordrang. 1644 gelangte Stadutschin bis zur Kolyma und, von dieser ausgehend, der Kosak Deschnew um die Nordostküste Asiens zum Anadyr, womit die Trennung der Alten von der Neuen Welt bewiesen wurde. Nach 1711 entdeckten auch Kosaken von der Janamündung aus die Ljachowschen Inseln. Um die östliche Begrenzung seines Reichs festzustellen, sandte Peter d. Gr. den Dänen Bering zuerst 1728, dann 1741 mit zwei Schiffen, begleitet von dem Deutschen Steller, aus. Er gelangte von Kamtschatka zum Prinz von Wales-Archipel, fuhr an Alaska und den Alëuten entlang, litt aber an der Beringsinsel Schiffbruch, wo er selbst nebst vielen andern starb, während der Rest sich nach Kamtschatka rettete. Versuche, die Ob- und Lenamündung von Archangel zu erreichen, hatten erst 1737 Erfolg. Umgekehrt [228] fuhr Prontschitschew 1735 von Jakutsk an die Lenamündung und von dort über das Kap Thaddäus (77° nördl. Br.) hinaus. Noch weiter, bis zum Taimyrkap, kam 1739 Chariton Laptew; sein Steuermann Tscheljuskin umwanderte 1742–43 die nach ihm benannte nördlichste Spitze des asiatischen Festlandes. Nowaja Semlja wurde 1760–61 von Loschkin umschifft und seine Zweiteilung durch den Matotschkin Schar 1768 durch Rosmuislow nachgewiesen. Von Svätoi Nos mit Schlitten ausgehend, entdeckte der Kaufmann Liakow 1770 die nach ihm benannte Inselgruppe und erblickte drei Jahre nachher die erst später besuchte Kesselinsel (Kotelnoi). Dann entdeckte Sannikow 1805 Fadejewskoi, und 1806 fand Sirowatskoj die Neusibirischen Inseln, deren Lage und Größe 1823 von Anjou genauer bestimmt wurden, während Wrangell 1820–23 von verschiedenen Küstenpunkten aus Schlittenexpeditionen über das gefrorne Meer nach Norden machte und unter 166° westl. L. bis 72°2′ nördl. Br. vordrang. Diesen Reisen verdanken wir die wichtige Entdeckung, daß sogar im Winter eine sogen. Polynja, ein offener Wasserstreifen, selbst nördlich von den Neusibirischen Inseln gegen Ostsüdost nach der Beringsstraße sich erstreckt und einen Zusammenhang mit dem Atlantischen Ozean besitzen muß. Schon 1778 war Cook durch die Beringsstraße gesegelt, hatte seine höchste Breite, 70°44′, unter 161°36′ westl. L. v. Gr. erreicht und dann die asiatische Küste am Kap Nord (69° nördl. Br.) berührt. Der ihm im Kommando folgende Clerke vermochte 1779 nur bis 70°30′ nördl. Br. vorzudringen. Kotzebue, begleitet von Chamisso, erreichte 1816–17 nicht einmal die Breiten seiner Vorgänger; dagegen vermochte Beechey, welcher 1825 dem von O. her vordringenden Franklin entgegengesandt wurde, bis zur Barrowspitze (154° westl. L. v. Gr.) zu segeln. – Inzwischen hatte Gieseke 1806 geologisch die Westküste Grönlands und einen Teil der Ostküste untersucht, welche Scoresby 1822 von 75° bis 69° nördl. Br. aufnahm, nachdem er bei Spitzbergen 81°30′ erreicht hatte. An derselben Küste unter 74°30′ nördl. Br. führte Sabine mit Clavering 1823 seine berühmten Pendelversuche aus und kam dabei noch über Scoresbys nördlichsten Punkt hinaus. Auch der Däne Graah untersucht 1828–30 die Ostküste, indem er in Booten von den dänischen Kolonien in Westgrönland um Kap Farewell herumfuhr. Parry erreichte 1827 in Booten und Schlitten 82°40′ nördl. Br., wurde aber von dem treibenden Eise schneller nach S. getragen, als er nach Norden vordringen konnte.
Die nordwestliche Durchfahrt wurde von neuem in den Vordergrund des Interesses durch Barrow gerückt und die thätige Teilnahme der englischen Regierung gewonnen, nachdem Scoresby 1816–17 zwischen 74 und 80° nördl. Br. die Grönlandsee völlig eisfrei gefunden hatte. John Roß und Parry segelten 1818 nach der Baffinsbai, drangen im Lancastersund aber nur bis 80°37′ westl. L. vor, da Roß Befehl zur Umkehr gab. Im nächsten Jahr wurde Parry mit zwei Schiffen, Hecla und Griper, ausgesandt; das letztere Schiff führte Liddon. Er durchsegelte den Lancastersund, bis das Eis ihm den Weg versperrte, wandte sich zum Prince Regent’s Inlet, wurde auch hier zurückgetrieben und fand endlich eine freie Durchfahrt, die ihn am Wellingtonkanal und der Byam Martin-Insel vorbei zur Melvilleinsel führte, an deren Südküste überwintert wurde. Die Schiffe hatten den 110.° westl. L. gekreuzt und damit die vom Parlament ausgesetzte Belohnung von 5000 Pfd. Sterl. erworben. Im nächsten Jahr wurde 113°46′ westl. L. erreicht. Nach seiner Rückkehr erhielt Parry die Führung der Schiffe Fury und Hecla; mit ihm ging Lyon. Er sollte von der Hudsonbai aus längs dem Nordufer des Festlandes eine Durchfahrt in die Südsee aufsuchen, segelte aber, als er 4. Aug. 1821 den Foxkanal offen fand, zur Frozenstraße und überwinterte, nachdem er vergeblich eine Durchfahrt gesucht hatte, im Lyon Inlet der Melvillehalbinsel. Einer dort von einer Eskimofrau gezeichneten Karte folgend, gelangte Parry zur engen, nach seinen Schiffen benannten Fury- und Heklastraße, wo er überwinterte. Da die Eisverhältnisse im nächsten Jahr kein Vordringen gestatteten, kehrte Parry nach England zurück. Nun blieb noch die Hoffnung, daß Prince Regent’s Inlet sich weiter nach S. oder SW. öffnen möchte. Parry segelte 1824 mit Hoppner abermals in den Schiffen Fury und Hecla ab, ging durch den Lancastersund nach Prince Regent’s Inlet, überwinterte im Port Bowen (73°11′ nördl. Br. und 89°1′ westl. L. v. Gr.), verlor die Fury durch das Eis und kehrte mit der Mannschaft beider Schiffe in der Hecla zurück. Zwei Jahre darauf zog die englische Regierung den für die Entdeckung der Nordwestpassage ausgesetzten Preis zurück.
Nun trat aber John Roß wieder als arktischer Forscher auf. Mit dem Raddampfer Victory, dessen Maschine jedoch so gut wie untauglich befunden wurde, befuhr er 1829 den Lancastersund und Prince Regent’s Inlet und wurde dort an der Küste von Boothia Felix unter 69°59′ nördl. Br. und 92° westl. L. v. Gr. zwei Winter festgehalten. Nachdem er 1832 sein Schiff verloren, zimmerte er sich aus den Trümmern der Fury, bei welcher Parry auch einen Vorrat von Lebensmitteln zurückgelassen hatte, zwei Boote, mit denen er in den Lancastersund gelangte, wo ein Walfischfahrer 1833 die Mannschaft aufnahm, nachdem dieselbe vier Polarwinter durchgemacht hatte. Während dieser Zeit erforschte James Clarke Roß, der Neffe des Führers der Expedition, auf mehreren Schlittenreisen König Wilhelm-Land und entdeckte 1831 den damaligen magnetischen Pol unter 70°5′ nördl. Br. und 96°46′ westl. L. v. Gr.
Inzwischen hatten die Beamten der im Norden Amerikas stationierten Pelzhandelsgesellschaften viel zur Kenntnis der dortigen Gegenden beigetragen, und es war von England der Versuch gemacht worden, die Frage der nordwestlichen Durchfahrt auf dem Landweg zu lösen. John Franklin begab sich mit Richardson, Back und Hood 1820 zum Kupferminenfluß mit dem Auftrag, die Küste von dort aus gegen O. zu untersuchen. Den Fluß hinabfahrend, entdeckte er die Coronationbucht und Bathurst Inlet und drang bis Kap Turnagain (109°25′ westl. L.[WS 1]) vor, von wo er mit Verlust der Hälfte seiner Leute zum Kupferminenfluß und von da nach England zurückkehrte. Von Richardson und Back begleitet, brach Franklin 1825 abermals auf, erreichte den Ausfluß des Bärensees in den Mackenzie, fuhr zum Delta des letztern und ging mit Back bis zum Return Riff (148°52′ westl. L.), während Richardson die unbekannte Küste zwischen dem Mackenzie und Kupferminenfluß befuhr. Beechey war Franklin von der Beringsstraße bis zur Barrowspitze vergeblich entgegengefahren; die Strecke zwischen diesem Vorgebirge und dem Return Riff wurde 1837 von Dease und Simpson aufgenommen. Back, der auszog, um über das Schicksal von Roß Aufklärung zu verschaffen, gelangte 1833 bis 1834 bis zur Oglespitze, und die zwischen diesem Punkt und Kap Turnagain gelegene Strecke erforschten [229] 1838–39 Dease und Simpson. Damit konnte es schon als erwiesen gelten, daß es eine nordwestliche Durchfahrt gebe; aber der Eifer für die Auffindung einer solchen begann zu erkalten. Erst die erfolgreiche Reise von Sir James Clarke Roß nach dem Antarktischen Meer belebte denselben von neuem.
Mit Franklins verhängnisvoller Fahrt beginnt ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Polarforschung. Es gelang dem Sekretär der Admiralität, Sir John Barrow, die englische Regierung zur Wiederaufnahme der arktischen Fahrten zu gewinnen. Die bewährten Schiffe Erebus und Terror wurden in Dienst gestellt, mit Dampfmaschinen und aushebbaren Propellern sowie mit Proviant für drei Jahre versehen, der leider später sich zum Teil als unbrauchbar herausstellte. Das Kommando übernahm der bereits 60jährige Sir John Franklin im Erebus, den Terror führte Crozier. Am 18. Mai 1845 segelte die Expedition, 138 Köpfe stark, von London ab, 26. Juli wurde sie westlich von der Melvillebai in 74°48′ nördl. Br. und 66°13′ westl. L. von einem Walfischfänger zum letztenmal gesehen. Ihr Schicksal wurde erst 1859 vollständig aufgehellt. Franklin überwinterte 1845–46 im NW. des Lancastersundes auf der kleinen Beecheyinsel. Nach einer Umfahrung der Cornwallisinsel segelte er südwärts, wahrscheinlich durch den Peelsund und die Franklinstraße, und sah seine Schiffe unfern der Nordwestküste vom König Wilhelm-Land im September 1846 vom Eis besetzt. Dort starb Franklin 11. Juni 1847 (s. Franklin 2). Als man bis Ende dieses Jahrs keine Kunde von ihm erhielt, setzte die englische Regierung eine Belohnung von 20,000 Pfd. Sterl. derjenigen Expedition aus, welche Franklin und seinen Leuten sichere Hilfe, und die Hälfte dieser Summe derjenigen, welche sichere Kunde über ihr Schicksal bringen würde. Dieser Summe fügte Lady Franklin noch 2000 Pfd. Sterl. hinzu. England sandte 1848 drei Expeditionen aus: Moore und Kellett gingen nach der Berings-, Roß und Bird nach der Barrowstraße, Richardson und Bennett gingen über Land und befuhren mit Booten die Küsten des Eismeers; aber keine der Expeditionen fand eine Spur von Franklin. Nun wurden großartige Anstrengungen gemacht, nicht weniger als 14 Fahrzeuge zogen 1850 aus. Collinson und Mac Clure segelten nach der Beringsstraße, Penny und Stewart nach dem Wellingtonkanal, Austin, Ommaney, Osborn und Cator sowie auch de Haven und Griffin (amerikanische Grinnell-Expedition), ferner John Roß und Phillips nach der Barrowstraße, Forsyth nach Prince Regent’s Inlet, Puller ging über Land. Umfassende Vorkehrungen waren getroffen, um den Verschollenen Kunde zu geben. Kupfercylinder und Flaschen mit Depeschen wurden ausgeworfen, letztere auch in metallenen Halsbändern gefangenen Füchsen umgehängt und diese dann freigelassen, Felswände wurden beschrieben, Signalstangen aufgerichtet, kleine Luftballons zum Verbreiten von Benachrichtigungen verwandt: alles vergeblich. Einige Schiffe kehrten 1851 nach der Heimat zurück, während Rae über Land und Kennedy zu Schiff nach Prince Regent’s Inlet ausgesandt wurden. Im folgenden Jahr segelten von England Belcher und Osborn nach dem Wellingtonkanal, Pullen zur Beecheyinsel, Inglefield nach Smith- und Jonessund, Kellett und Mac Clintock zur Melvilleinsel, wo sie ein Dokument Mac Clures fanden, welches die endliche Entdeckung der nordwestlichen Durchfahrt konstatierte. Mac Clure hatte 1850 durch die Beringsstraße Banksland erreicht, darauf in der Prinz Wales-Straße überwintert und war in die Banksstraße vorgedrungen, bis ihn das Eis zwang, in der Bai of Mercy (74° nördl. Br. und 118° westl. L. v. Gr.) zu überwintern. Hier mußte er sein Schiff zurücklassen, wanderte 1853 übers Eis nach der Melvilleinsel zu Kelletts Schiffen und vollendete so die Nordwestpassage. Auch Kelletts Schiffe mußten 1854 verlassen werden, und zur Beecheyinsel marschierend, vereinigten sich Mac Clure und Kellett mit Belcher und Osborn, die ihre Schiffe im Wellingtonkanal zurückgelassen hatten. Sämtliche Mannschaften kehrten auf zwei von England eingetroffenen Schiffen in die Heimat zurück, die übrigen Expeditionen waren bereits dort angelangt. Alle Teile des Archipels waren erforscht bis auf die Nordwestküste von König Wilhelm-Land, Franklins Unglücksstätte. Man hatte nichts gefunden. So erklärte denn die Regierung Franklin und die Mitglieder seiner Expedition 31. März 1854 für tot, doch sandte Lady Franklin noch verschiedene Expeditionen aus. Die Amerikaner Grinnell und Peabody hatten Kane schon 1853 nach dem Smithsund entsandt, an dessen Ostküste, in der Rensselaerbai (78°37′ nördl. Br.), er überwintern und sein Schiff 1855 im Eis zurücklassen mußte. Doch war durch Schlittenreisen das Kanebassin und nördlichere Gegenden bis 80° nördl. Br. erforscht und die Westküste sogar bis Mount Parry (82°30′ nördl. Br.) gesichtet worden. Als Rae, der im Dienste der Hudsonbaikompanie Ländereien im S. des Boothiagolfs vermaß, durch Eskimo ihm gegebene Nachrichten über Franklin überbrachte, wurden Anderson und Stewart 1855 nach der Mündung des Großen Fisch-Flusses gesandt und fanden dort Beweise, daß ein Teil von Franklins Leuten daselbst dem Hunger und der Kälte erlegen war. Nun rüsteten Lady Franklin und ihre Freunde den kleinen Dampfer Fox aus und übergaben Mac Clintock die Führung. Dieser segelte 1857 ab, wurde in der Baffinsbai vom Eis besetzt und trieb mit diesem umher, bis er 1858 frei wurde, ging dann durch den Lancastersund nach Prince Regent’s Inlet und überwinterte in der Bellotstraße. Die im Frühjahr 1859 unternommenen Schlittenreisen führten Mac Clintock und Hobson nach König Wilhelm-Land und entschleierten endlich vollständig das Schicksal der Franklin-Expedition.
Durch die Franklinsucher war die nordwestliche Durchfahrt gefunden, aber als unbrauchbar erkannt worden. Die spätern Expeditionen erstrebten eine wissenschaftliche Erforschung der Polarregionen und als Endziel die Erreichung des Nordpols. Zu diesem Zwecke gingen drei Expeditionen aus. Eine amerikanische unter Hayes segelte 1860 zum Smithsund und überwinterte an der Ostseite desselben im Port Foulke (78°17′ nördl. Br.). Hayes drang 70 Seemeilen ins Innere von Grönland vor, kreuzte im nächsten Jahr den Smithsund mit Schlitten nach der Westküste von Ellesmereland, erreichte seine höchste Breite, Kap Lieber, unter 81°35′ und kehrte 1861 nach Boston zurück. Eine zweite amerikanische Expedition unter Hall, der schon 1860–62 bei den Eskimo im Norden der Hudsonstraße gelebt und 1864–69 die Fury- und Heklastraße und König Wilhelm-Land erforscht hatte, ging 1871 in dem Dampfer Polaris nach dem Smithsund und durch den Robesonkanal bis 82°16′, wo Eismassen Halt geboten. Am 8. Nov. 1871 starb Hall im Thank God-Harbour (81°38′ nördl. Br.). Auf dem Rückweg im nächsten Jahr wurde die Mannschaft unter 80° nördl. Br. vom Eis besetzt und umhergetrieben, schließlich aber doch gerettet. [230] Eine dritte englische und am besten ausgerüstete Expedition segelte 1875 in den Dampfern Alert und Discovery unter Nares und Stephenson durch den Smithsund und Kennedykanal; Discovery überwinterte an der Westküste, am Eingang des Robesonkanals, unter 81°45′, Alert jenseit derselben unter 82°27′ nördl. Br. Auf Schlittenreisen wurde der nördlichste Punkt unter 83°20′ erreicht, ein Teil der Westküste Grönlands aufgenommen, im NO. Kap Britannia gesichtet und Grantland nach W. hin untersucht; sein nördlichste Punkt, Kap Columbia, zu 83°7′ nördl. Br. und 70°30′ westl. L. bestimmt.
Die Untersuchung des Innern von Grönland, in welchem man hinter der vergletscherten Küstenregion grasreiche Thäler zu finden hoffte, wurde in den letzten 20 Jahren von mehreren Reisenden unternommen, führte aber schließlich doch zu einem negativen Resultat. Den ersten Versuch machte Whymper 1867, der 1872 Grönland abermals besuchte, und Nordenskjöld 1870. Jensen, Kornerup und Groth drangen 1878 zehn geogr. Meilen ins Innere vor, und 1883 suchte Nordenskjöld das von ihm im Innern vermutete eisfreie Land zu erreichen, fand seine Theorie aber widerlegt. Die Westküste mit ihren Fjorden und Inseln wurde seit 1870 von einer Reihe dänischer Offiziere und Naturforscher (Steenstrup, Helland, Jensen, Kornerup, Hammer, Holm, Groth) untersucht, die Ostküste durch die zweite deutsche Nordpolexpedition 1869–70 (s. unten) sowie durch die schon genannten Hammer, Jensen und Holm (vgl. Grönland). Die durch die Franklinsucher entdeckten zahlreichen Sunde in dem Archipel zwischen Nordamerika und Grönland wurden in ihrem östlichen Teil 1881 von Adams besucht, der durch den Wellingtonkanal und Peelsund zur Bellotstraße, zum Prince Regent’s Inlet und zur Fury- u. Heklastraße vordrang.
Eine wissenschaftliche Erforschung in gründlicher Weise war durch solche auf geographische Entdeckungen berechnete und daher möglichst schnell vorwärts dringende Expeditionen nicht möglich. Daher regte der amerikanische Kapitän Howgate die Gründung einer Polarkolonie an der Küste der Lady Franklin-Bai unter 81°40′ nördl. Br. an. Seitens der Vereinigten Staaten wurden daraufhin mehrere Expeditionen ausgesandt. Die erste unter Tyson 1877 ging gleichsam zur Probe aus, eine zweite unter Chester mit den Naturforschern Pavy und Clay kam 1880 nur bis Grönland, eine dritte, auf Kosten der Regierung trefflich ausgerüstet, ging 1881 unter Leutnant Greely im Proteus nach der Lady Franklin-Bai, wo eine der wissenschaftlichen zirkumpolaren Stationen errichtet wurde, welche die dritte internationale Polarkonferenz in Petersburg beschlossen hatte. Leider war der Ausgang derselben der allertraurigste: von 25 Männern, welche 1881 auszogen, sahen nur sieben, darunter Greely selber, die Heimat wieder. Es waren drei Sommer vorübergegangen, ohne daß die beiden nacheinander ausgesandten Ersatzexpeditionen den Discoveryhafen der Lady Franklin-Bai erreicht hatten, so brach man denn im August 1883 nach S. auf, zuerst in Booten, dann auf einer Eisscholle treibend, bis Kap Sabine, wo innerhalb neun Monaten der Tod furchtbar unter der Mannschaft aufräumte. Als nördlichsten Punkt hatte man die Lockwoodinsel unter 83°24′ erreicht, offenes Wasser verhinderte weiteres Vorgehen, wodurch Nares’ Ansicht von dem paläokrystischen Eis widerlegt wurde. Im Innern von Grinnell-Land entdeckte Greely den großen See Hazen. Andre Polarstationen wurden im amerikanischen Polargebiet errichtet seitens der Union 1881 an der Barrowstraße unter Rae, 1882 von Deutschland am Cumberlandsund, von England bei Fort Rae am Sklavensee, von Dänemark bei Godthaab in Westgrönland. Schweden errichtete eine Station auf Spitzbergen, Rußland eine solche an der Lenamündung. Zugleich forschten 1881–82 die Gebrüder Krause an den Küsten des Beringsmeers, Boas ging 1883 zum Cumberlandsund, nahm den südlichen Teil des Baffinslandes auf und studierte die Sitten und Gebräuche der dortigen Eskimo. Die kanadische Regierung entsandte 1885 den Dampfer Alert unter Gordon zur Hudsonstraße und Hudsonbai, wo man sechs Stationen zur Untersuchung der meteorologischen u. hydrographischen Verhältnisse errichtete, die Ende 1886 aufgelöst wurden.
In dem Eismeer zwischen der Ostküste Grönlands und Nowaja Semlja verfolgte eine ganze Reihe von Fachgelehrten verschiedener Nationen seit Jahrzehnten ihre Forschungen. Erwähnt seien aus früherer Zeit die Expeditionen Keilhaus 1827 nach der Bäreninsel, Pachtusows und Ziwolkas 1832–34 nach Nowaja Semlja, Swen Lowens 1837 nach Spitzbergen, v. Baers 1837 nach Nowaja Semlja, Ziwolkas und Moisejews 1838–39 ebendahin und die Fahrten der französischen Korvette La Recherche 1838–40 nach Spitzbergen und dann der Reine Hortense 1856 nach Island. Namentlich aber sandte Schweden mehrere wissenschaftliche Expeditionen aus und zwar hauptsächlich nach Spitzbergen. So unter Torell 1857 und 1861–62, unter Nordenskjöld 1864, 1868 und 1872–73. Von den zahlreichen sonstigen Fahrten im europäischen Eismeer, welche teils im Interesse der Wissenschaft, teils zu Handelszwecken oder auch zum Vergnügen unternommen wurden, nennen wir Lord Dufferins 1856, Lamonts 1858, 1859, 1869 und 1871, Bernas 1861, Carlsens Fahrt um ganz Spitzbergen 1863 und durch das Karische Meer zur Obmündung 1869, Rönnbäcks 1867, Bessels 1869, Dorsts 1869, Leigh Smiths 1871. Der rastlosen Thätigkeit Petermanns gelang es, erfolgreich auch in Deutschland zu Polarforschungen anzuregen. Die erste deutsche Expedition unter Werner (1865) erlitt bereits beim Aussegeln Havarie. Die zweite unter Koldewey kam 1868 im kleinen Segelschiff Grönland westlich von Spitzbergen bis 80°30′; konnte aber die grönländische Ostküste nicht erreichen. Die dritte deutsche Expedition ging 1869 ab unter Koldewey und Hegemann im Dampfer Germania und Segelschiff Hansa. Vor der Ostküste Grönlands wurden die Fahrzeuge im Eis getrennt; die Hansa wurde zerdrückt, ihre Mannschaft driftete den ganzen Winter auf einer Scholle von 71° bis 61° nördl. Br. und rettete sich endlich in Booten nach den grönländischen Kolonien. Die Germania fuhr an der Küste bis zu 75°31′ nördl. Br. und überwinterte an der Sabineinsel. Auf Schlitten wurde die Küste bis 77°1′ nördl. Br. untersucht, der Franz Joseph-Fjord und alpengleiche Gebirge entdeckt und außerordentlich wertvolles Material für die Wissenschaft gesammelt. Die Expedition kehrte 1870 glücklich zurück. Auf Spitzbergen forschten 1870 v. Heuglin und Graf Waldburg-Zeil und erblickten von da das König Karls-Land, welches 1872 von Altmann und von Nils Johnsen wirklich erreicht und von letzterm auch näher untersucht wurde. 1871 war an der Küste von Nowaja Semlja v. Heuglin thätig, und Payer und Weyprecht fuhren nach Spitzbergen und zwischen diesem und Nowaja Semlja bis 78° nördl. Br. Unter diesen beiden letztgenannten segelte 1872 die österreichisch-ungarische Expedition im Dampfer Tegetthoff [231] nach Nowaja Semlja, trieb von dort mit dem Eis nach Norden und entdeckte und erkannte Kaiser Franz Joseph-Land als einen ausgedehnten Länderkomplex. Das Schiff 1874 verlassend, wurden die Seefahrer von russischen Fangschiffern gerettet. Die mit bewundernswerter Ausdauer durchgeführten Beobachtungen haben die Wissenschaft im höchsten Maß bereichert. Kaiser Franz Joseph-Land wurde in der Folge noch mehrmals besucht, 1879 von einer holländischen Expedition unter Bruyne, 1881 von Leigh Smith, der dort auch überwinterte u. sich mit seiner Mannschaft nach Verlust seines Schiffs nach Nowaja Semlja rettete. Erwähnenswert sind ferner die wissenschaftliche Untersuchung der Insel Jan Mayen durch eine norwegische Expedition unter Mohn 1877, die Entdeckung der kleinen Insel Einsamkeit unter 77° nördl. Br. und 86° östl. L. v. Gr. durch Kapitän Johansen 1878 und die seit 1878 fast alljährlich erneuten, mit Tiefseemessungen verbundenen Fahrten des holländischen Schiffs Willem Barents. Auch im Karischen Meer, dem „Eiskeller Europas“, hatte man seit 1869 mehrere Jahre hintereinander ungewöhnlich günstige Eisverhältnisse angetroffen, und eine Reihe von Walfischfängern und Handelsschiffen erreichte selbst die Mündungen von Ob und Jenissei, die des letztern zuerst Nordenskjöld 1875. Dieser entschloß sich dann auch, den seit Jahrhunderten nicht wieder erneuerten Versuch einer nordöstlichen Durchfahrt zu machen. Er verließ im Juli 1878 mit den Schiffen Vega (Kapitän Palander) und Lena (Kapitän Johansen) und einem ganzen wissenschaftlichen Stab Europa, durchschiffte das ganze sibirische Eismeer und erreichte, während die Lena den Lenastrom hinauffuhr, mit der Vega glücklich die Beringsstraße und den Großen Ozean. Indessen die daran geknüpften Hoffnungen für einen regelmäßigen Handelsverkehr mit Sibirien sind nicht erfüllt worden. Die Eisverhältnisse des Karischen Meers gestalteten sich wieder ungünstiger, und nur sehr wenige Schiffe konnten die westsibirischen Flüsse erreichen.
Wie früher erwähnt, hatte Kellett 1849 die Heraldinsel entdeckt und weiter westlich eine andre Küste, von ihm Ploverland genannt, erblickt, welche 1855 von Rodgers vergebens gesucht, aber 1867 von Kapitän Long wirklich gefunden und Wrangell-Land getauft wurde, Die Bemühungen von Maidell 1868 und Onatzewitsch 1876, dieses neue Polarland zu erreichen und zu untersuchen, blieben erfolglos. Eine amerikanische Expedition verließ 1879 San Francisco auf der Jeannette unter Kapitän Delong, um durch die Beringsstraße nach Norden vorzudringen. Die Jeannette segelte an der Heraldinsel vorbei, geriet in einen Treibeisgürtel, von dem sie hin- und hergetragen wurde, bis sie 13. Juni 1881 zwischen 77 und 78° nördl. Br. und 155° östl. L. versank. Die Mannschaft suchte sich auf drei Booten nach der sibirischen Küste zu retten, was aber nur zweien gelang, und auch von diesen fanden fast alle Insassen des einen, unter ihnen auch Delong, auf den Schnee- und Eisfeldern Sibiriens ihren Tod. Die Hauptresultate dieser Expedition sind die Entdeckung der kleinen Jeannetteinsel (76°47′ nördl. Br., 159°20′ östl. L.), der etwas größern Henrietteinsel (77°8′ nördl. Br., 157°43′ östl. L.) und der Bennettinsel (76° nördl. Br., 148° östl. L.). Das Ausbleiben jeglicher Nachrichten von der Jeannette während zweier Jahre hatte die Absendung einiger andrer Schiffe nach dem sibirischen Eismeer zur Folge. Hooper landete 1881 sowohl auf der Heraldinsel als auf Wrangell-Land, fand aber ebensowenig eine Spur der Jeannette wie Berry, welcher Wrangell-Land aufnahm, aber sein Schiff durch eine Feuersbrunst einbüßte. Wadleigh, welcher das Meer zwischen Grönland und Spitzbergen nach der Jeannette absuchen sollte, fand westlich von letzterm die Eisverhältnisse so ungünstig, daß er unter 80°10′ nördl. Br. umkehrte.
Versuche, von W. her in das sibirische Eismeer zu dringen, verliefen ungünstig. Eine dänische Expedition unter Hoovgaard 1882 mit dem Dampfer Dymphna gelangte zwar durch die Karische Pforte in das Karische Meer, wurde hier aber vom Eis festgehalten und kehrte Ende des Jahrs nach Vardö zurück. Eine niederländische Expedition, welche den Dicksonshafen an der Jenisseimündung zum Ziel hatte, mußte dies Schicksal teilen. Der Willem Barents versuchte 1884 zum siebentenmal vergeblich, in das Karische Meer einzudringen; ein mitgebrachter Gedenkstein für Barents an dessen Winterhafen an der Nordostküste konnte nicht errichtet werden. Nach den Neusibirischen Inseln unternahmen 1886 Bunge und Toll eine Expedition von Kasatschin an der untern Lena.
Eine Prüfung des Verlaufs aller N. läßt erkennen, daß die Erfolge besonders von Winden und Strömungen abhängen, welche oft sehr rasche Veränderungen in der Lage der Eismassen bewirken, so daß ein Fahrzeug dort zurückweichen muß, wo ein andres wenige Tage später freies Fahrwasser findet. Durch fortgesetzte Unternehmungen wird endlich wohl der Pol erreicht werden, während Expeditionen, denen dieses nicht gelingt, doch immer das fördern, was mit Weyprecht die internationale Polarkonferenz in Petersburg im August 1881 für das Wichtigste erklärte: wissenschaftliche Erkenntnis. Um diese zu fördern, beschloß die Konferenz, es möchte mit Aufgabe der kostspieligen und wenig fruchtbaren Bestrebungen, den Pol zu erreichen, nach Weyprechts Plan eine Reihe zirkumpolarer wissenschaftlicher Beobachtungsstationen zugleich eingerichtet und besetzt werden, ein Vorschlag, der 1882 zur Ausführung kam, so daß wir aus diesen gleichzeitigen Beobachtungen zunächst für die verschiedensten Zweige der Naturwissenschaften, aber sicher auch für die Geographie bedeutende Resultate erwarten dürfen (vgl. Polarforschung). Übrigens haben sich auf den deutschen Geographentagen einflußreiche Stimmen wiederholt für die Wiederaufnahme der Polarexpeditionen erklärt. Von neuern Plänen zur Erreichung des Nordpols seien erwähnt die von Greeley und Melville empfohlene Route über Franz Joseph-Land sowie die von Gilder und von Macarthur von der Hudsonbai aus. Vgl. außer den speziellen Reisewerken: Barrow, Chronological history of voyages into the arctic regions (2. Aufl., Lond. 1846); Richardson, Polar regions (das. 1861); Shillinglaw, Narrative of arctic discovery (neue Ausg., das. 1851); Peschel, Geschichte der Erdkunde (2. Aufl., Münch. 1877); Markham, The threshold of the unknown region (4. Aufl., Lond. 1876); D. Murray Smith, Arctic expeditions from British and foreign shores (das. 1875–77, 3 Bde.); Weyprecht, Die Nordpolexpeditionen der Zukunft (Wien 1876); Chavanne u. a., Die Litteratur über die Polarregionen der Erde (das. 1878); Hellwald, Im ewigen Eis. Geschichte der Nordpolfahrten (Stuttg. 1880); R. Andree, Der Kampf um den Nordpol (4. Aufl., Leipz. 1883); Löwenberg, Die Entdeckungs- und Forschungsreisen in den beiden Polarzonen (das. 1886).
[612] Nordpolexpeditionen. Nach 1878, als außer Nordenskjöld mit der Vega eine Flottille von Kauffahrern bis zum Ob und Jenissei gelangen konnte, war das Karische Meer längere Zeit nicht wieder eisfrei gewesen; erst 1887 konnte die Jacht Maria das Karische Meer unbehindert durchsegeln, und ein Dampfer gelangte von Vardö sogar bis zum Jenissei, ohne daß freilich durch dieses vereinzelte Vorkommen eine Wiederbelebung der Versuche, eine Handelsverbindung durch das Karische Meer nach den sibirischen Flüssen ins Leben zu rufen, hätte eintreten können. Auf Nowaja Semlja stellte Wilkitsi im Auftrag der Russischen Geographischen Gesellschaft zu Petersburg Pendelmessungen an, Nossilow weilte 1887–88 auf der Westküste und 1888–89 auf der Ostküste am Eingang in den Matotschkin Schar, um botanische, geologische und ethnographische Arbeiten zu machen, eine Karte der Insel zu entwerfen und die Eisbewegung im Karameer zu studieren; der Finnländer Hinrichson machte 1887 Studien über die Fauna und die geologischen Verhältnisse der Doppelinsel. Johannesen erreichte das oft gesichtete, aber immer wieder bestrittene Land im O. des Nordostlandes von Spitzbergen, identifizierte dasselbe mit dem rätselhaften Gillisland und nannte es Nuninsel. Es liegt unter 80°10′ nördl. Br. und 32°3′ östl. L. v. Gr. Nach Spitzbergen selbst ging 1888 Gore Booth in seiner Jacht und gelangte bis zum Nordkap. Island durchkreuzte im Sommer 1886 Labonne von Reykjavik im S. quer durch die Einöde Storisandr bis zur Stadt Akureyri im N., während der Isländer Thoroddsen in den Jahren 1886–89 die Küsten der Nordwesthalbinsel sowie den Süden seines Heimatslandes bereiste und die geologischen Verhältnisse, namentlich aber die Erstreckung der Eisfelder im Innern erforschte. Grönland war das Feld einer unausgesetzten Forschungsthätigkeit; 1886 unternahmen die dänischen Marineoffiziere Ryder und Bloch eine Reise nach dem nördlichsten Distrikt von Upernavik, untersuchten den Eisfjord und den Gletscher von Augpadlartok und vermaßen die Küste von 72 bis 741/2° nördl. Br. Zu derselben Zeit gelangten der amerikanische Marineingenieur Peary und Maaigaard von Disko auf dem Binneneis zu einer Höhe von 2360 m, wobei das Eis niemals verlassen wurde. Die hervorragendste Leistung neuester Zeit war aber die Durchquerung, welche der Norweger Fridtjof Nansen (s. d., Bd. 17) 1888 ausführte. In der Gegend des Sermilikfjords an der Ostküste unter 65°30′ nördl. Br. verließ er mit seinen Gefährten das Schiff Iason in einem Boot, wurde durch Treibeis nach S. getrieben und erreichte die Küste unter 61°30′ bei Anoretok, fuhr dann bis Unievik unter 64°25′, richtete seinen Marsch zuerst nach Christianshaab an der Diskobai, änderte aber, da der Fortschritt zu langsam war, um die Westküste rechtzeitig zu erreichen, unter 64°50′ und in einer Höhe von 2600 m die Marschrichtung nach WSW. auf Godthaab zu, überschritt eine 3300 m hohe plateauartige Erhebung, wo −50° C. beobachtet wurden, und erreichte 26. Sept. unter 64°12′ den [613] Ameralikfjord, von da Godthaab, wo er zu überwintern gezwungen wurde, und erst Mitte 1889 Kopenhagen wieder. Dieser Erfolg hat in Norwegen wieder die Hoffnung angeregt, den Nordpol zu erreichen. Man faßte daher dort den Plan, im Sommer 1890 unter Nansen eine Expedition von Franz Joseph-Land auszusenden. In Nordgrönland forschte 1888 Hansen, in Südgrönland Steenstrup und Rosenvinges, während der französische Alpinist Rabot neben Sammeln mit der Erforschung der Gletscher- und Treibeisbewegung an der Westküste sich beschäftigte.
Von Deutschland wurde 1889 durch die Bremer Geographische Gesellschaft eine Expedition unter Kükenthal und Walter in die Gewässer von Spitzbergen und Nowaja Semlja abgesandt, welche 2. Mai von Tromsö absegelte, aber schon 11. Juni bei den russischen Inseln in der Deeviebai an der Edgeinsel Schiffbruch litt, indes glücklich auf ein andres Schiff übersiedeln konnte und nun an der Westküste von Spitzbergen, wo man das König Karls-Land aus zwei, wahrscheinlich drei Inseln bestehend fand, erfolgreiche Untersuchungen machte. Die Expedition kehrte im September zurück. Die Hoffnungen auf Eröffnung einer regelmäßigen Sommerschiffahrt durch die Hudsonstraße und Hudsonbai und damit auf Errichtung einer schnellen und billigen Verbindung zwischen Manitoba und Europa wurden durch die Fahrten Leutnant Gordons im Alert gründlich zerstört, die drei Jahre lang gemachten Untersuchungen wurden demnach Ende 1887 endgültig aufgegeben und die sechs Stationen, welche zwei Jahre hindurch thätig gewesen waren, aufgelöst. Die von Gelder wiederholt gemachten Anläufe, vom Norden Kanadas aus den Nordpol zu erreichen, führten zu keinen nennenswerten Ergebnissen.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: östl. L.