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MKL1888:Nähmaschine

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Nähmaschine“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 11 (1888), Seite 983986
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Nähmaschine. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 983–986. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:N%C3%A4hmaschine (Version vom 04.12.2024)

[983] Nähmaschine (hierzu Tafel „Nähmaschinen“), eine Maschine zur Herstellung von Nähten auf mechanischem Weg zum Zusammennähen von Stoffen wie auch zur Hervorbringung von Verzierungen auf der Stoffoberfläche. Bei allen in Gebrauch befindlichen Nähmaschinen erfolgt die Stichbildung durch eine kräftige Nadel mit nahe an der Spitze befindlichem Öhr, indem diese den zu nähenden Stoff von oben

Fig. 1. Schlingenbildung.

nach unten durchsticht, nach Erreichung einer gewissen tiefsten Stellung sich wieder hebt und dadurch, daß der Faden in dem Stichloch eine Reibung erleidet und zurückgehalten wird, die Bildung einer Schleife oder Schlinge veranlaßt (Textfig. 1), welche, durch eine Spitze oder einen Haken erfaßt, zu weitern, je nach der zu erzeugenden Stichart und dem Maschinensystem verschiedenen Operationen zurückgehalten wird. Die Auf- u. Abwärtsbewegung der Nadel vermittelt ein vertikaler Schieber, der über der Nähstelle in einem Arm, gewöhnlich durch eine Schlitzkurbel, die gesetzmäßige Bewegung erhält. Drei Sticharten haben sich für Maschinennähte allein praktisch erwiesen: der Doppelsteppstich, der Ketten- oder Tamburierstich und der Knotenstich. Die Anwendung andrer, meist weniger einfacher Stiche ist entweder auf den Versuch beschränkt geblieben, oder hat nur für gewisse Spezialzwecke Benutzung erfahren. Letzteres gilt in gewissem Sinn selbst von dem Knotenstich, welcher jetzt fast ausschließlich zu Ziernähten gebraucht wird.

Der Doppelsteppstich (Textfig. 2) ist nach dem gleichartigen Aussehen der Naht benannt, welche auf beiden Seiten des Stoffes als eine schöne Steppnaht

[Beilage]

[Ξ]

Nähmaschinen.
Fig. 3. Schiffchen.
Fig. 4. Nähmaschine (System Singer), Grundriß.
Fig. 5. Spule.
Fig. 6–9. Stichbildung der Greifermaschine.
Fig. 11–13. Haken der Nähmaschine von Wilcox und Gibbs.
Fig. 15. Stoffrücker.
Fig. 16. Nähmaschine (System Singer), Ansicht.
Fig. 17. Nähmaschine, System Wheeler-Wilson.
Fig. 18. Nähmaschine, System Wheeler-Wilson, ohne Platte.

[984] erscheint. Derselbe vereinigt die Vorzüge großer Einfachheit, Festigkeit und Elastizität mit geringem Fadenverbrauch, welcher nur ungefähr das 21/2fache der Nahtlänge beträgt. Er ist deshalb auch längst als der vorzüglichste Nähmaschinenstich anerkannt und weitaus am meisten in Gebrauch gekommen. Die Herstellung dieses Stiches erfolgt immer mittels zweier Fäden, eines Oberfadens und eines Unterfadens, und zwar in der Weise, daß durch die Schlinge (Fig. 1), welche sich unterhalb des Stoffes gebildet hat, der aufgespulte Unterfaden hindurchgeführt wird und beim Anziehen der Schlinge des Oberfadens das vollständige Zurückgehen desselben hindert, wodurch die aus Fig. 2 ersichtliche Kreuzung des Ober- und Unterfadens in der Mitte des Stoffes bewirkt wird. Die Art und Weise, wie das Hindurchführen des Unterfadens durch die Schlinge geschieht, bildet den charakteristischen Unterschied der verschiedenen den Doppelsteppstich nähenden Maschinensysteme. Der nächstliegende Gedanke war der, den Unterfaden, auf einer kleinen Spule aufgewickelt, in ein Schiffchen (s. Tafel, Fig. 3) zu legen und dieses wie nach Art der Weberschütze durch die Schlinge des Oberfadens hindurchzuschießen. Schon die ersten von Erfolg gekrönten Nähmaschinen benutzten dieses Prinzip, und noch heute haben die

Fig. 2. Doppelsteppstich.

Schiffchenmaschinen, welche zuerst von der Singerschen Nähmaschinenfabrik in New York so vollkommen konstruiert wurden, daß die Singer-N. typisch geworden ist, die weiteste Verbreitung, insbesondere auch deshalb, weil dieses System sich sowohl für leichte als schwere Näharbeit, z. B. in Leder, Filz u. dgl., eignet. Zur Bildung des Stiches gelangt hierbei die Nadel zunächst, den Stoff durchdringend, bis in ihre tiefste Stellung, macht dann zur Bildung der Schlinge eine kurze Aufwärtsbewegung, verharrt in dieser Stellung, um das Schiffchen passieren zu lassen, und steigt endlich rasch in die höchste Stellung, um nach sofortiger Vorrückung des Stoffes um die Stichlänge das Spiel von neuem zu beginnen. Damit das Schiffchen durch die Schleife schlüpfen kann, darf dasselbe bei seiner Bewegung nicht mit andern Maschinenteilen fest verbunden sein; es liegt vielmehr lose in dem Schiffchenkorb, welcher auf verschiedene Weise, am einfachsten mittels Kurbel und Schubstange (s. Tafel, Fig. 4), hin und her bewegt wird. Man erkennt hier in h den Schiffchenkorb mit dem Schiffchen s, das an der vertikalen Wand hin- und hergeht, wenn der Korb zwischen den Gleitschienen m, durch die Schubstange g von der Kurbel k angetrieben, hin- und hergleitet. – Statt des Schiffchens dient ebenfalls außerordentlich häufig zum Durchbringen des zweiten Fadens durch die Schleife der sogen. Greifer, eine Erfindung des Amerikaners Wilson, der mit Wheeler zusammen hierauf das Wheeler-Wilson-Nähmaschinensystem oder Greifersystem begründete. Der Unterfaden ist hier auf einer aus zwei gebogenen Stahlplatten bestehenden Spule (Fig. 5) aufgewickelt, welche, mit etwas Spielraum in einem Lager liegend, keine ausgesprochene Bewegung macht, sondern sich nur nach Maßgabe des Fadenverbrauchs etwas drehen kann, während ein rotierender Haken, Greifer, auch wohl rotierendes Schiffchen genannt (Fig. 6), die Schlinge des Oberfadens, welche sich unterhalb des Stoffes gebildet hat, erfaßt und in höchst eigentümlicher Weise so bewegt und ausdehnt, daß sie über die ruhende Spule hinweggeführt wird, was offenbar denselben Erfolg hat, als wäre die Spule durch die Schlinge geführt worden. Zur Veranschaulichung dieses Vorganges dienen die Figuren 6–9. In der ersten Stellung (Fig. 6) dringt soeben die Spitze d des Greifers e durch die Schlinge und verhindert sie, der aufwärts steigenden Nadel zu folgen. Im Innern des Greifers liegt die Spule a (Fig. 7), welche in Fig. 6 zur bessern Darstellung der Form des Greifers herausgenommen ist. Durch einen in den Figuren ebenfalls weggelassenen Vorsetzer, Brille genannt (Fig. 18 M), wird die Spule vor dem Herausfallen gesichert. In Fig. 7 ist durch die Drehung des Greifers die Schlinge so weit mitgenommen, daß der Teil b derselben, durch die Form des Greifers gezwungen, sich hinter die Spule gezogen hat, während der ursprünglich hinter dem Greifer liegende Teil c durch die Nute e, in welche er sich bei der Drehung hineinlegt, nach vorn, also auch vor die Spule geführt wird. In der Stellung

Fig. 10. Kettenstich.

Fig. 8, in welcher die Schlinge schon zum größten Teil über die Spule hinweggezogen ist, macht es sich nötig, die Schlinge durch ein Bürstchen f zurückzuhalten, bis die Stellung Fig. 6 des Greifers wieder eingetreten ist, damit sie nicht ein zweites Mal von der Spitze des Greifers erfaßt und dann unfehlbar zerrissen werde. Diese Stellung ist in Fig. 9 wieder eingetreten; die für den nächsten Stich gebildete Schlinge wird erfaßt und die erste Schlinge zusammengezogen, indem sie den Faden zur Erweiterung der zweiten liefert. Die Nadel hat bei dieser Maschine eine nach dem Kurbelgesetz geregelte Bewegung, welche von einem Exzenter abgeleitet ist. Sie sitzt gewöhnlich an einem kreisbogenförmig schwingenden Hebel und muß daher selbst nach diesem Bogen gekrümmt sein. Die Wheeler u. Wilson-Maschine hat als Familienmaschine sehr große Verbreitung gefunden und wird auch in Deutschland vielfach gebaut.

Der Kettenstich (Textfig. 10) gibt auf einer Seite des Stoffes eine Steppnaht, auf der andern hingegen eine kettenartige Verschlingung der Stiche. Er wird nur mit einem einzigen Faden hergestellt, braucht aber trotzdem an Garn das 31/2–4fache der Nahtlänge. Die Kettennaht ist sehr elastisch und fest, kann jedoch, besonders wenn ein Fehlstich entstanden ist (s. Fig. 10, a), leicht der ganzen Länge nach aufgetrennt werden, was dieser Naht wenig Sicherheit verleiht. Die Herstellung des Kettenstichs erfolgt in der Weise, daß, nachdem sich unterhalb des Stoffes beim Zurückgehen der Nadel die Schlinge gebildet hat (Textfig. 1), dieselbe durch ein schwingendes oder rotierendes Häkchen zurückgehalten wird und bei der nächsten Abwärtsbewegung der Nadel eine solche Lage einnimmt, daß sie von derselben durchstochen werden [985] muß. Bei dem nunmehr erfolgenden Anziehen der Schlinge wird dieselbe durch die Nadel und später durch die nächste Schlinge verhindert, vollständig durch den Stoff zu schlüpfen. Die am weitesten verbreitete Maschine dieser Gattung ist die von Wilcox u. Gibbs. Bei ihr ist ein rotierender Haken in Anwendung, welcher durch die Fig. 11–13 in verschiedenen Stellungen dargestellt wird. In Fig. 11 faßt soeben der Haken die Schlinge, während die Nadel sich nach aufwärts bewegt. In Fig. 12 ist der Stoff um eine Stichlänge vorwärts geschoben, die Nadel beginnt wieder herabzugehen, und die Schlinge begibt sich in die Lage, in welcher sie von der Nadel durchstochen werden kann. In Fig. 13 ist letzteres bereits geschehen, und nach einer kurzen Drehung des Häkchens tritt wieder die Stellung Fig. 11 ein, in der die nächstfolgende Schlinge erfaßt und unter gleichzeitigem Anziehen der vorigen Schlinge erweitert wird.

Der Knotenstich wird durch zwei Fäden erzeugt, von denen der Oberfaden auf der einen Seite des Stoffes eine Steppnaht bildet, während der Unterfaden sich um und durch die unterhalb des Stoffes gebildete

Fig. 14. Knotenstich.

Schlinge des Oberfadens windet (Textfig. 14). Die Naht wird vorzugsweise auf der N. von Grover u. Baker hergestellt und daher häufig Grover u. Baker-Naht genannt. Der Fadenverbrauch beträgt das 41/2–6fache der Nahtlänge. Wie die Kettennaht, so läßt sich auch diese Naht auftrennen, wenn man an dem Ende a (Fig. 14) zieht. Dieser Übelstand und der starke Fadenverbrauch, verbunden mit der beträchtlichen Komplikation der Maschine, schließen sie für die gewöhnliche Näharbeit aus, weshalb hier auch auf die betreffenden Maschinen nicht näher eingegangen werden kann.

Die Spannung des Fadens ist auf die regelrechte Bildung der Schlinge und infolgedessen auf das Gelingen der ganzen Naht von großem Einfluß. Es sind daher bei allen Nähmaschinen Vorkehrungen zu treffen, um dem Faden, welcher auf einem Röllchen aufgespult zur Verwendung kommt, durch Einschaltung eines Widerstandes mehr oder weniger Spannung zu erteilen. Zu diesem Zweck wird in der Regel der Faden zwischen zwei kreisförmigen Metallplatten s (s. Tafel, Fig. 17) hindurchgeleitet, welche durch eine Feder stärker oder schwächer gegeneinander gepreßt werden können. Auch dem Unterfaden bei den Zweifadenmaschinen muß eine gewisse Spannung erteilt werden, was bei den Schiffchenmaschinen dadurch erreicht wird, daß der Faden durch eine Anzahl in der Schiffchenwand befindlicher Löcher geleitet wird, ehe er das Schiffchen (Fig. 3) verläßt, bei den Wilsonschen Maschinen mit stehender Spule hingegen durch das in Fig. 8 angedeutete Bürstchen f. Der Stoffrücker (Fig. 18 J), welcher dazu dient, den Stoff nach jedem Stich um dessen Länge automatisch vorwärts zu schieben, besteht im wesentlichen aus einem unterhalb der Nähplatte liegenden und mittels einseitig stehender Zähne, die durch einen Spalt der Platte hindurchreichen, auf den Stoff wirkenden Schlitten, welchem die zur Vorwärtsbewegung des Stoffes nötige veränderliche Bewegung auf verschiedene Weise erteilt wird. Als Beispiel sei hier nur eine der einfachsten Anordnungen, wie sie bei der Kettenstichmaschine von Wilcox u. Gibbs ausgeführt wird, mitgeteilt. In Fig. 15 ist a der Stoffrücker, welcher mit einem länglichen Loch zur Aufnahme des an der Haupttriebwelle sitzenden Kurbelzapfens b versehen ist, der durch seine Drehung um die Wellenachse den Stoffrücker aufwärts, abwärts und nach links bewegt, während die Rechtsbewegung durch eine hinter dem Stoffrücker liegende Feder bewirkt wird. Diese letztere Bewegung, welche man gewissermaßen das Ausholen des Stoffrückers nennen könnte, da bei derselben die Zähne nicht auf den Stoff wirken, wird durch eine exzentrische Scheibe c begrenzt und zwar je nach deren Stellung früher oder später. Entsprechend wird dann auch bei der folgenden Linksbewegung, während deren die Kurbel den obern Bogen beschreibt, also die Zähne des Stoffrückers in den Stoff eindrückt, der Weg kleiner oder größer ausfallen. Die exzentrische Scheibe c dient also hier zur Stichstellung. Der Zapfen d bildet eine zweite Führung des Stoffrückers. Der Stoffdrücker e kann bei allen Maschinen zum Einlegen und Ausnehmen der Näharbeit bequem gehoben und gesenkt werden. Bei der Schiffchenmaschine erfolgt die Bewegung des Stoffrückers nach Figur 4 durch die Stange bc, welche bei a einen viereckigen Rahmen besitzt, in dem sich der punktiert gezeichnete Exzenter dreht, so daß bc nicht nur hin- und hergeschoben, sondern bei b auch gedreht wird. Bei c tritt diese Stange in einen Einschnitt des Stoffrückers ein, der hierdurch die passende Bewegung erhält und durch die Feder f beim Rückgang vom Zeug fern gehalten wird. Die Stichlängenveränderung findet durch Verlegung des Drehpunktes b statt, der zu dem Zweck an dem Schieber d sitzt, welcher von einem Knopf auf der obern Fläche der Nähplatte verschoben und festgestellt wird. Auf Tafel „Nähmaschinen“ sind zwei Nähmaschinen (System Singer und System Wheeler-Wilson) dargestellt, welche sowohl in der Form als in der Einrichtung typisch geworden und geblieben sind. Fig. 4 und 16 zeigen die Singer-Maschine, Fig. 4 von unten, Fig. 16 von der Seite gesehen. Hier erkennt man in P die Nähplatte, in A einen hohlen Arm zur Aufnahme einer Welle, welche, bei n durch das Zahnrad m des Handrades H angetrieben, vermittelst eines exzentrischen Zapfens die Nadelstange s vertikal bewegt. Der Faden F wickelt sich von der Spule G ab, wird vor der Platte x gespannt und in die Nadel N eingefädelt. Der Knopf p sitzt an dem Stichsteller d (Fig. 4); u ist eine Vorrichtung zum Aufspulen der Schiffchenspule. Von der Achse des Handschwungrades H wird durch ein Kegelräderpaar die Bewegung auf die vertikale Welle y (Fig. 4) übertragen. Da das Rad H eine Nute hat, so kann die Maschine auch durch einen Fußtritt oder eine Transmissionsschnur angetrieben werden. Fig. 17 ist die Seiten-, Fig. 18 die Vorderansicht mit abgenommener Nähplatte A einer Wheeler-Wilson-N. Der feste Arm B trägt den Stoffdrücker d, der durch den Knopf k gehoben werden kann. Man sieht bei EE′E″ die Welle mit dem Greifer G, bei D den Antriebsriemen vom Fußtritt, bei M die Brille zum Festhalten der Spule und bei JJ den Stoffrücker, welcher von einer mit der Welle sich drehenden [986] Scheibe E″ vorwärts geschoben und gehoben, von einer Feder zurückgezogen und von dem Stichsteller K gestellt wird. Der schwingende Nadelhebel C endlich erhält seine Bewegung von dem Exzenter E′ durch die Zugstange F. Der Nähfaden f läuft von der Rolle a über das Röllchen b und durch die Spannscheiben s zu der Nadel. Zum Bewickeln der Greiferspule dient der Dorn E.

Der Betrieb der Nähmaschinen erfolgt durch Handrad oder Fußtritt, in Fabriken von der Transmission. Besonders hierfür vorgeschlagene Motoren (gespannte Federn, Gewichte, magnetelektrische und dergleichen Maschinen) haben allgemeine Anwendung bis jetzt nicht gefunden. Den gewöhnlichen Nähmaschinen werden in der Regel noch andre Apparate beigegeben, z. B. Säumer, Lineal, Wattierlineal, Soutachierapparat, Bandaufnäher, Bandeinfasser, Kräuselapparat u. a., und dadurch ihre Leistungen bedeutend erweitert, während anderseits auch besondere Handschuh- und Knopflochnähmaschinen konstruiert worden sind. Unter den Knopflochnähmaschinen zeichnet sich besonders die von J. Kallmeyer in Bremen erfundene durch große Einfachheit und Güte der Arbeit aus. Durch das Ausheben eines Klinkwerkes kann sie sofort in eine gewöhnliche Doppelsteppstichmaschine verwandelt werden. Spezialmaschinen für Schuhmacher und Sattler sind in der Regel Schiffchenmaschinen, die sich nicht nur durch größere Stärke, sondern oft auch durch besondere Form einzelner Teile, namentlich durch einen langgestreckten Tisch zum Aufstecken von Schäften u. dgl., auszeichnen.

[Geschichtliches.] Die ersten Versuche, Nähmaschinen zu konstruieren, datieren bereits aus dem Anfang dieses Jahrhunderts; doch scheiterten dieselben, wie z. B. die der Engländer Stone u. Henderson 1804, an dem einschränkenden Gedanken, die Bewegungen bei dem Handnähen möglichst treu durch eine mechanische Hand nachzuahmen, und auch der Wiener Schneidermeister Madersperger, welcher seit 1807 an dem Problem arbeitete, erzielte einen gewissen Erfolg erst 1814, nachdem er jene drückende Fessel abgeworfen und zur Stichbildung ein Prinzip angenommen hatte, welches mit dem heutigen bereits im wesentlichen übereinstimmte. Einige Verbreitung fand 1829 die N. von Thimonnier, eine Kettenstichmaschine, welche von der heutigen noch sehr abweicht. In Amerika beschäftigte sich zuerst Hunt mit der Aufgabe; er erhielt 1834 ein Patent auf eine N., welche jedoch noch zu unvollkommen war, um einer Verbreitung fähig zu sein. Von größerer Bedeutung ist die Erfindung des Elias Howe, dessen Maschine, mit Schiffchen arbeitend, den sogen. Doppelsteppstich nähte und eine Maximalleistung von 300 Stichen pro Minute gestattete. Obgleich er 1846 ein Patent darauf erhielt, gelang es ihm doch nicht, irgend jemand für die Erfindung, deren Brauchbarkeit jetzt außer Zweifel stand, zu interessieren, und er verkaufte seine Maschine an einen gewissen Thomas mit der Erlaubnis, sie nachbauen zu dürfen. Dieser bürgerte die N. mit Erfolg in England ein, und während Howe in seinen Diensten bemüht war, die Maschine noch wesentlich zu verbessern, begannen auch in Amerika mehrere Fabrikanten dieselbe nachzubauen und ihr eine rasche Verbreitung zu verschaffen. Erst auf dem Rechtsweg vermochte Howe nach seiner Rückkehr diese Ausbeuter seines Gedankens sich steuerpflichtig zu machen und sich dadurch aus bitterer Not zu befreien. Von den amerikanischen Fabrikanten brachte namentlich Singer von Anfang an bedeutende Verbesserungen an der Howeschen Maschine an, und seine Fabrik schwang sich durch vorzügliche Herstellung und fortgesetzte Vervollkommnungen der Konstruktion bald zur größten Nähmaschinenfabrik der Welt empor. 1874 betrug die Produktion der Singer Manufacturing Company in New York 249,852 Stück. Nach der Howeschen Erfindung wurden alsbald überall Nähmaschinenfabriken gegründet, und eine Verbesserung folgte der andern, so daß es vollständig gerechtfertigt erscheint, wenn man Howe als den eigentlich bahnbrechenden Geist auf diesem Gebiet betrachtet. Während sich nun in Amerika die N. rasch in Fabrik und Haus Eingang verschaffte, so daß schon im J. 1863 etwa drei Viertel aller Näharbeit in New York auf Maschinen angefertigt wurden, folgte Europa nur langsam nach, und noch in dem zuletzt genannten Jahr wurden in Deutschland nur in kleinen Werkstätten wenige Nähmaschinen gebaut, welche die Konkurrenz mit den nordamerikanischen nicht aushalten konnten. In dem genannten Jahr errichteten Pollack u. Schmidt die erste deutsche Nähmaschinenfabrik in Hamburg, welcher bald andre groß angelegte Fabriken in allen größern deutschen Städten folgten. Gegenwärtig ist auch bei uns die Nähmaschinenindustrie hoch entwickelt und liefert zum Teil bessere Maschinen als Amerika, wenn auch von dort noch viele Maschinen nach Deutschland eingeführt werden. Die Gesamtproduktion der Vereinigten Staaten bezifferte sich 1875 auf 528,695 Stück, davon fast die Hälfte (249,852) Singersche und 103,740 Stück nach Wheeler u. Wilsons System. Vgl. Herzberg, Die N., ihr Bau und ihre Benutzung (Berl. 1863); Richard, Die N. (2. Aufl., Hannov. 1880).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 598
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[598] Nähmaschine (Hygienisches). Die Wirkung angestrengter Nähmaschinenarbeit auf die Arbeiterin ist sehr verschieden beurteilt worden. Nach Hirt entstehen durch die beständige Bewegung der Beine Hyperämien der Unterleibsorgane, Menstruationsstörungen, Erhöhung des Geschlechtstriebes (durch das ununterbrochene Reiben der Geschlechtsteile), Onanie. Auch sollen Nähterinnen von Ischias und andern Neurosen befallen werden und bei schlechter Ernährung, Mangel an guter Luft, zu starker Anstrengung und psychischer Depression als Opfer ihres Berufs zu Grunde gehen. Immerhin bleiben solche Fälle Ausnahmen, und gewöhnlich handelt es sich nur um Menstruationsstörungen und chronischen Scheidenkatarrh. Blaschko bestreitet diese Behauptungen, er betrachtet die Einführung der N. als einen Segen für die Menschheit und will gefunden haben, daß der Gesundheitszustand bei Nähterinnen an der Wheeler-Wilson-Maschine ein vollkommen guter zu nennen sei. Dagegen könne freilich die schwere Arbeit an Tamburiermaschinen nicht jahrelang ohne Benachteiligung der Gesundheit geleistet werden. Es sollten nur Mädchen eingestellt werden, deren Körper seine volle Ausbildung bereits erlangt hat, und niemals sollte eine mehr als neunstündige Arbeit verlangt werden. Auch Augenleiden hat Blaschko bei Maschinennähterinnen nicht wahrgenommen und nur selten kurzsichtige Arbeiterinnen in Fabriken gefunden. Dagegen macht Blaschko schlechte Ventilation der Fabrikräume und das Einatmen von Staub für den minder guten Gesundheitszustand der Arbeiterinnen verantwortlich. Daß hierzu auch andre soziale Verhältnisse beitragen, ist selbstverständlich.


Jahres-Supplement 1891–1892
Band 19 (1892), Seite 658
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[658] Nähmaschine. Gegenwärtig sind in der kultivierten Welt etwa 15 Mill. Nähmaschinen im Gebrauch, und die Jahresproduktion beziffert sich auf 1,750,000 Stück, wovon etwa 500,000 in Deutschland fabriziert werden. Obgleich die ersten Versuche mit dem Bau von Nähmaschinen bis in das vorige Jahrhundert zurückreichen, ist die N. doch erst seit 50 Jahren in praktischem Gebrauch. Auf der Londoner Ausstellung von 1851 waren nur 3, auf der Pariser Ausstellung von 1856 nur 14 Nähmaschinen ausgestellt, 1861 hatten in London bereits 33 Fabrikanten ihre Produkte ausgestellt. 1853 wurden in den Vereinigten Staaten nur 2300 Maschinen gebaut, diese Zahl stieg in den folgenden Jahren ganz bedeutend und betrug 1859: 46,243. Im J. 1870 war die Produktion bereits auf 464,244 Maschinen angewachsen. 1871 wurden 606,994 und 1872: 706,234 Nähmaschinen hergestellt. Im folgenden Jahre ging die Produktion zurück, aber seit 1875 ist eine fortgesetzte Steigerung eingetreten. 1854 kam die erste amerikanische N. nach Deutschland, und bald entwickelte sich auch hier eine rege Industrie. 1890 exportierte Deutschland 77,936 Doppelztr. Nähmaschinen und führte nur 29,568 Doppelztr. ein, 87 Proz. davon aus Amerika und England. Der Wert der deutschen Ausfuhr von Nähmaschinen wird auf 6,353,000 Mk., der der Einfuhr auf 2,853,000 Mk. angegeben, die Mehrausfuhr repräsentierte somit einen Wert von 3,500,000 Mk. Die Leistungsfähigkeit der N. hat sich im Laufe der Jahre ganz gewaltig gesteigert, mit Fußbetrieb kann man jetzt 600, mit Dampfbetrieb bis 3500 Stiche in der Minute machen. Eine Familiennähmaschine erfordert zum Betrieb etwa 0,02 Pferdekraft, und eine achtstündige Benutzung übersteigt keineswegs die menschliche Leistungsfähigkeit. Die Einführung der N. hat weite Gebiete des menschlichen Lebens gewaltig umgestaltet. Konfektion, Wäsche- und Schuhfabrikation basieren auf Nähmaschinenarbeit, aber auch die Eisenindustrie hat durch die Nähmaschinenfabrikation mancherlei Umwälzungen erfahren. Die Massenfabrikation der N. ist für viele andre Industrien mustergültig geworden. In Bezug auf die Herstellungsart unterscheiden sich die deutschen Fabrikate etwas von den amerikanischen. Letztere werden einfach so zusammengesetzt, wie die Teile aus der Fabrik hervorgehen, während man die deutsche Maschine montiert, d. h. die einzelnen Teile durch Nacharbeit genau passend macht. Die amerikanischen Nähmaschinen gehen infolgedessen leichter, die deutschen aber sind genauer gearbeitet. Das in der Nähmaschinenindustrie beschäftigte Kapital beziffert sich auf mindestens 150 Mill. Mk.