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MKL1888:Maschinenlehre

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Maschinenlehre“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Maschinenlehre“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 11 (1888), Seite 309310
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Maschinenlehre. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 309–310. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Maschinenlehre (Version vom 21.11.2021)

[309] Maschinenlehre, Lehre von der Anwendung der mathematischen, physikalischen und mechanischen Lehrsätze auf das Maschinenwesen. Bereits im 15. und 16. Jahrh. brachten einzelne Werke Beschreibungen und Anleitungen zur Verfertigung von Apparaten oder Maschinen für einzelne Zwecke. Insbesondere über die Benutzung der Wasserkräfte und über die Pumpen für Bergwerksbetrieb existieren seit drei Jahrhunderten Abhandlungen, welche aber nur historischen Wert besitzen, indem bei der unklaren Kenntnis der Naturgesetze und den mangelnden Hilfswissenschaften von einer geordneten M. keine Rede sein konnte; die damaligen Abhandlungen brachten daher entweder Beschreibungen von bestehenden Apparaten, oder enthielten Gedanken und Vorschläge über neue Mittel, die alten Zwecke zu erreichen. Ein Vergleich in betreff der Zweckmäßigkeit verschiedener Systeme derselben Maschine konnte selbstverständlich nicht vorgenommen werden; jeder Ausführung fehlte die rechnungsmäßige Grundlage, und manches Wunderprojekt fand sich neben der Beschreibung ganz rationeller Apparate vor. Hierin mußte eine Wendung zum Bessern eintreten, als durch die Erfindung der Dampfmaschine das Maschinenwesen so mächtigen Aufschwung nahm und besonders die vorgeschrittene Physik und Mathematik die Möglichkeit der Vorberechnung einer Wirkung, die darstellende Geometrie aber die Vorzeichnung einer bestimmt gedachten Form gestattete, mit Einem Wort, als sich die Bedingungen zusammenfanden, den Bau der Maschinen wissenschaftlich und nicht mehr, wie bisher, bloß handwerksmäßig zu betreiben. Insbesondere war es hier Redtenbacher (s. d.), der die Methode erfand und durch seine „Prinzipien der Mechanik“, seinen „Maschinenbau“ und dann durch eine Reihe von Spezialabhandlungen über den „Bau der Wasserräder“, „der Turbinen“, den „Lokomotivbau“ u. a. praktisch lehrte, nach welchen Prinzipien die Maschinen und deren Teile angeordnet und geformt werden müssen, um ihrem Zweck am besten zu entsprechen. Er zeigte, wie der Plan der gezwungenen Bewegungen und die dabei auftretenden Kräfte zu erhalten sind, und wie die dazu nötigen Formen und Abmessungen der Teile durch [310] Benutzung der Lehren der Physik, der Mathematik, der „Festigkeitslehre“ und der neuen Lehre von den Bewegungen: der „Mechanik“, etc. sowie mit Berücksichtigung der Erfahrung an bestehenden Maschinen mit dem Minimum an Material und mit dem bestimmten Wissen der künftigen Wirkungsweise vorher festgestellt werden können, und gründete mit Einem Worte die „M.“ Alles, was im Deutschen nach ihm kam, fußt auf Redtenbachers Grundlage, wobei es selbstverständlich ist, daß seinen Nachfolgern bei dem schnellen Wachsen der Erkenntnis der Naturgesetze und den neuen, den Maschinen erschlossenen großen Gebieten ein selbsterfindendes, originales, verdienstliches Schaffen nachgerühmt werden muß. Neue, bessere Methoden verdrängten teilweise die von Redtenbacher gekannten und benutzten Rechnungsweisen, wie es beispielsweise die graphische Methode in vielen Fällen gethan hat, welche lediglich durch Konstruktion mit Zirkel und Lineal den Kräfteplan eines Mechanismus schneller, leichter und übersichtlicher darlegt, als es der alten Methode durch Rechnung allein möglich war. Ein erschöpfendes Sammelwerk über das Ganze des Maschinenwesens existiert bei dem großen Umfang desselben nicht, indem es keinen Fachmann geben kann, der in jeder Einzelheit des ungeheuern und noch immer anwachsenden Gebiets der M. zugleich auf der Höhe der Zeit stände. Doch sind Weisbachs „Lehrbuch der Ingenieur- und Maschinenmechanik“ (5. Aufl., Braunschw. 1872 ff., 3 Tle.) und Rühlmanns „Allgemeine M.“ (2. Aufl., das. 1875–85, 4 Bde.) solche Werke, welche einen großen Teil derselben umfassen. Aber die Spezialfächer sind wohlgepflegt und fast jedes derselben von vielen Seiten beleuchtet. Über die rechnungsmäßige Bestimmung der Kräfte in den Maschinen handeln: Burg, Ritter, Rebhann, Grashof, Schlömilch; über die graphische Methode zur Aufstellung derselben: Culmann, Zeuner, Pröll, Herrmann; über die Lehre der Bewegungen (Kinematik, s. d.): Reuleaux, Burmester; über die Elemente der Maschinen: Redtenbacher, Moll, Wiebe, Reuleaux, Müller, Fink, Reiche, Pinzger, Keller; über Dampfmaschinen und deren Teile: Zeuner, Jenny, Hrabak, Radinger, Reiche, Örtling, Uhland; über Kessel: Reiche, Marin, Beretta und Désnos, Schönfließ, Thielmann, Werner, Wilson; über Wassermotoren: Redtenbacher, Wiebe, Fink, Meißner, Bach; über Werkzeugmaschinen: Hartig, Armengaud, Exner, Meißner, Pfaff u. a.; über Mühlen: Wiebe, Kick; über Berg- und Hüttenmaschinen: Hauer, Rittinger, André, Schlink u. a.; über Maschinen für Textilindustrie: Grothe, Hartig, Lohren, Zemann; über landwirtschaftliche Maschinen: Eichmann, Fritz, Hartig, Perels, Weber, Wüst. So ist kein Fach des ganzen Gebiets, welches nicht bis zu genügender Tiefe durchgearbeitet wäre, wenn auch nicht verhehlt werden soll, daß noch jedes seine dunkeln Partien besitzt und die M. auch heute noch nichts weniger als eine abgeschlossene Wissenschaft ist. Vgl. Rühlmann, Vorträge über Geschichte der theoretischen M. (Braunschw. 1881 ff.).