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MKL1888:Marinekonferenz

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Marinekonferenz“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 19 (Supplement, 1892), Seite 599600
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Marinekonferenz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 19, Seite 599–600. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Marinekonferenz (Version vom 13.11.2022)

[599] Marinekonferenz, internationale (Washington 1889). Der von Jahr zu Jahr zunehmende Dampferverkehr auf See und die gesteigerte Fahrgeschwindigkeit der Dampfer, besonders der Post- und Passagierdampfer, haben die Zahl der Zusammenstöße von Schiffen derart vermehrt, daß der Admiral Jurien de la Gravière 6. Juni 1887 der Pariser Akademie die Frage vorlegte, inwieweit die Wissenschaft im stande sei, Mittel zu finden, um die fortwährend zunehmenden Schiffsunfälle durch Zusammenstöße auf See zu vermindern. Diese Anregung gab den Amerikanern Anlaß, im Juli 1888 an 37 Seestaaten Einladungen zu einer M. zu richten, um in gemeinsamer Beratung festzustellen, was nach seemännischem Urteil zur Besserung in der bezeichneten Notlage geschehen könne. Nachdem 27 Staaten, darunter alle bedeutenden, die Beschickung der M. zugesagt hatten, wurde von den amerikanischen Abgeordneten ein Programm für die Arbeit der M. entworfen und den beteiligten Seestaaten zur Vorberatung im März 1889 übersandt. Dasselbe enthielt folgende Punkte: 1) Schiffssignale oder andre Mittel, um genau die Richtung anzugeben, in welcher Fahrzeuge sich in Nebel, dickem Wetter, Schneefall oder bei Nacht bewegen. Regeln zur Verhütung von Zusammenstößen auf See. 2) Verordnungen zur Beurteilung der Seefähigkeit von Schiffen. 3) Zulässiger Tiefgang für beladene Schiffe. 4) Verordnungen für gleichmäßige Bezeichnung (Namen, Heimatshafen etc.) an Schiffen. 5) Rettung von Leben und Eigentum bei Schiffbrüchen. 6) Befähigungsnachweis der Schiffsoffiziere und Seeleute, einschließlich Prüfung auf Sichtweite und Farbenblindheit. 7) Sonderwege für Dampfer auf belebten Strecken. 8) Nachtsignale zu gegenseitigen Mitteilungen auf See. 9) Sturmwarnungen. 10) Melden, Bezeichnen und Entfernen gefährlicher Wracks oder sonstiger Schiffahrtshindernisse. 11) Bekanntmachung von Gefahren für die Schiffahrt, von Veränderungen der Leuchtfeuer, Tonnen und andrer Tag- und Nacht-Seemarken. 12) Gleichmäßiges Tonnen- und Bakensystem. 13) Einrichtung einer beständigen internationalen Marinekommission.

Die M. wurde 16. Okt. 1889 eröffnet, vom Konteradmiral Franklin der Vereinigten Staaten von Nordamerika als Vorsitzendem geleitet und 31. Dez. 1889 geschlossen, während welcher Zeit nur Punkt 1 des Programms eingehend beraten und abgeschlossen wurde. Wenn diese Beschlüsse zur Einführung kämen, würden folgende in Deutschland die Seeschiffahrt betreffenden kaiserlichen Verordnungen ihre Erledigung finden: 1) Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßes der Schiffe auf See, vom 7. Jan. 1880 und vom 16. Febr. 1881, betreffend die Aufhebung des Artikels 10 voriger Verordnung; 2) Not- und Lotsen-Signalordnung für Schiffe auf See und auf den Küstengewässern vom 14. Aug. 1876; 3) Verordnung über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoß von Schiffen auf See vom 15. Aug. 1876. Die Beschlüsse der M. sind aber nur Vorschläge, welche erst nach Vereinbarung der einzelnen Landesregierungen unter sich rechtskräftige Wirkung erhalten können. Nur die Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika hat denselben durch Gesetz vom 19. Aug. 1890 Geltung verschafft. – Die Artikel 1–14 der Beschlüsse enthalten „Regeln über Lichter“ für alle Seefahrzeuge in Fahrt, vor Anker etc., Artikel 15 betrifft die Schallsignale [600] bei Nebel, Regen etc., Artikel 16 die Ermäßigung der Fahrgeschwindigkeit bei Nebel etc., Artikel 17–27 enthalten die Steuer- und Segelregeln. Letztern ist als Einleitung vorangesetzt: „Die Gefahr des Zusammenstoßens kann, wenn die Umstände es gestatten, erkannt werden durch sorgfältiges Überwachen der Kompaßpeilung eines sich nähernden Fahrzeuges. Wenn die Peilung nicht merklich ändert, so ist anzunehmen, daß eine Gefahr des Zusammenstoßens besteht.“ Artikel 28 setzt die Schallsignale für Fahrzeuge fest, welche einander in Sicht haben. Die Regeln, welche für die Schiffahrt in Häfen, auf Flüssen oder in Binnengewässern von den örtlichen Behörden gegeben sind, bleiben unbeeinflußt in Kraft. Artikel 31 endlich enthält Festsetzungen über Notsignale bei Tag und bei Nacht. Ein Anhang enthält wichtige Beschlüsse über die Lichtstärke aller Lichter, die Einrichtung der Laternen (Glühlichter sind gestattet, Bogenlichter einstweilen ausgeschlossen), die Wirksamkeit der Dampfpfeifen, Sirenen, Nebelhörner und Glocken. Diese Bestimmungen sind sehr wichtig, da angestellte Ermittelungen ergaben, daß von den farbigen Seitenlichtern der Kauffahrteischiffe (jedes Schiff hat am Steuerbord ein grünes, am Backbord ein rotes Seitenlicht und jeder Dampfer mindestens 6 m über dem Schiffsrumpf am Mast oder Schornstein ein weißes Topplicht zu führen) 75 Proz. nicht die gesetzlich vorgeschriebene Sichtweite von 2 Seemeilen = 3704 m besaßen. Die deutsche Seeberufsgenossenschaft hat deshalb angeordnet, daß vom 1. April 1891 ab alle Seiten- und Topplichter mit einem Tauglichkeitsattest der Deutschen Seewarte, welche alle Laternen prüft, versehen sein müssen.

Im wesentlichen enthalten die Beschlüsse der M. keine Bestimmungen, die nicht in einzelnen Seestaaten bereits gesetzlich bestehen; aber ihre Verschiedenheit legte in Rücksicht darauf, daß das Recht, die See zu befahren, international ist, den Wunsch nahe, die Ausübung dieses Rechtes im Interesse aller durch eine Straßenordnung international zu regeln; daher ist diese mit Recht als der wichtigste Gegenstand von der M. zunächst erledigt worden, weil er die Vermeidung von Zusammenstößen auf See bezweckt. Ausweich- und Kursregeln zur See waren so lange, als die See allein von Segelschiffen befahren wurde, von geringer Bedeutung gegenüber den sonstigen Gefahren der Seeschiffahrt, erst nach Einführung der Dampfschiffe machte sich deren gesetzliche Regelung notwendig. In England begann man ihre Prüfung bereits Anfang der 30er Jahre, deren Ergebnis ein Erlaß des Trinityhauses vom 30. Okt. 1840 war, wonach alle Dampfer gezwungen wurden, sobald bei sich kreuzenden Kursen von Schiffen Gefahr des Zusammenstoßes entstände, das Ruder Backbord zu legen, d. h. den Bug des Schiffes rechts zu drehen, also rechts auszuweichen. Diese Bestimmung wurde 1854 nach Vereinbarung Englands und Frankreichs mit einem neuen Reglement über die Signalisierung zur Vermeidung von Seeunfällen durch Zusammenstoß von Schiffen, auch für Segelschiffe, verbindlich bis 1863. In diesem Jahre erschienen nach mehrjährigen gemeinsamen Beratungen der englischen und französischen Seebehörden „Verordnungen zur Verhütung des Zusammenstoßes der Schiffe auf See“, welche von den meisten Seestaaten angenommen und daher zu einem internationalen Gesetz wurden, und welche noch heute die Grundlage der in den Einzelstaaten bestehenden Verordnungen über die Seeschiffahrt bilden, in Deutschland sowohl als in Österreich. Hier war bereits 1852 eine Vorschrift über die Signalgebung bei Nebel und des Nachts gegeben, welche 1859 erweitert und 1863 durch Annahme der erwähnten englisch-französischen ersetzt wurde. Später wurden genauere Vorschriften über Einrichtung der Signalmittel, namentlich der Positionslaternen (Seiten- und Topplichter) gegeben, als die Zunahme der Dampfschiffahrt solche nötig machte, so daß die Beschlüsse der M. von dem englischen Reglement von 1880 nicht wesentlich abweichen. Den Wert einer internationalen Straßenordnung zur See, welche die Sonderbestimmungen der Einzelstaaten auf deren Häfen und Binnengewässer beschränkt, liegt auf der Hand, und ihr Zustandekommen innerhalb des Rahmens rein seemännischer Maßregeln ist wohl zu erwarten. Die M. hat ihre Beschlußfassung hierauf beschränkt und das Gebiet des Seerechts im engern Sinn, auf welchem eine internationale Verständigung erfahrungsgemäß einstweilen als ausgeschlossen zu betrachten ist, nicht betreten. Vgl. „Protocols of Proceedings of the International Marine Conference, held in Washington, Oct. 16 to Dec. 31, 1889“. (Washingt. 1890); Wislicenus, Ergebnisse der internationalen M. zu Washington und ihre Bedeutung für Deutschlands Seewesen (Leipz. 1891); Banaré, Les collisions en mer (in der „Revue maritime et coloniale“ 1888 u. 1889).