MKL1888:Magyaren
[95] Magyaren (spr. mádjaren), ein von F. Müller, O. Peschel u. a. zur ugrischen Familie des finnischen Zweigs der Uralier gerechneter Volksstamm, den aber Vambéry als zur türkisch-tatarischen Familie gehörig ansieht. Sie wohnten ursprünglich am Ural, wo noch jetzt ihre nächsten Verwandten, die Ostjaken und Wogulen, sitzen. Beim Einfall der Avaren zogen sie nach Süden, wurden von den Bulgaren unterworfen und gehorchten nach dem Sturz des Bulgarenreichs den Chasaren. Nach der Zertrümmerung des Petschenegenreichs durch die Chasaren und Ghuzen zogen die M., von den Petschenegen gedrängt, aus und teilten sich in zwei Horden, von denen die eine am Kaspischen Meer verschwand, während die andre in Atel-Kuzu (im südwestlichen Rußland) sich niederließ. Durch die Kriege mit den Bulgaren als Bundesgenossen der Oströmer gelangten die M. in die untern Donauländer und nach Pannonien, wo sie sich gegen Ende des 9. Jahrh. dauernd niederließen, nachdem sie die Slawen in die nördlichen Gebirge vertrieben hatten. Nun wurden sie der Schrecken Europas, ihre Raubzüge reichten bis nach Frankreich hinein. Mit der Zeit mit Germanen und Slawen vermischt und zum Christentum bekehrt, bildeten sie später ein Bollwerk gegen die Invasionen der Türken. Indessen haben sie sich bis auf den heutigen Tag ihre nomadischen Neigungen bewahrt; als Reitervolk ziehen sie die Ebene dem Gebirge, die Viehzucht dem Ackerbau vor. Die M. bewohnen jetzt ausschließlich das heutige Ungarn und Siebenbürgen. Was ihre Zahl anlangt, so ermittelte 1880 der Zensus 6,206,872 magyarisch sprechende Personen, von denen indes eine große Anzahl nicht zum magyarischen Volksstamm gehört (weiteres s. Ungarn). Daß die Sprache der M. zur finnischen Familie gehört, suchte schon 1770 Saijnovics zu beweisen; die nahe Verwandtschaft beider ist von Kennern unzweifelhaft dargethan worden. Der Name, welcher „Söhne der Erde“ bedeuten soll, wird mit dem ähnlich klingenden der Meschtscherjäken in Verbindung gebracht, welch letztere heute auf dem europäischen Abhang des südlichen Urals wohnen. Vgl. Ujfalvy, Sur le berceau du people magyar (Par. 1874); v. Löher, Die M. und andre Ungarn (Leipz. 1874); Vambéry, Der Ursprung der M. (das. 1882).