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MKL1888:Luftschiffahrt

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Luftschiffahrt“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 986990
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Luftschiffahrt. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 986–990. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Luftschiffahrt (Version vom 26.12.2023)

[986] Luftschiffahrt (Aeronautik), die Kunst, mittels geeigneter Apparate sich in die Luft zu erheben und in bestimmter Richtung in derselben sich fortzubewegen. Der Wunsch, das Flugvermögen des Vogels zu erreichen, ist uralt; eingebildeten höhern Wesen legte man als Attribut ihrer Vollkommenheit Flügel bei, und die Mythe erzählt von den verunglückten Versuchen des Dädalos und Ikaros. Bellerophontes soll im Flug den Olymp erreicht haben, und Archytas von Tarent konstruierte eine Taube, die durch mechanische Mittel in der Luft schwebte. 1306 soll sich in Peking ein Luftballon in die Luft erhoben haben, und Battista Danti in Perugia, der Benediktinermönch Oliver Malmesbury und der portugiesische Physiker Guzman werden als Erfinder von Flugmaschinen genannt. Letzterer soll sich 1769 mit einem aus Weiden geflochtenen und mit Papier überklebten Korb, unter welchem er ein Feuer entzündete, in Lissabon bis zu 200 Fuß erhoben haben, während der Jesuitenpater Lana 1670 vorgeschlagen hatte, eine Barke durch vier luftleer gemachte Kugeln aus Kupferblech in die Luft zu heben. Schon diese Vorgeschichte der L. läßt

Fig. 1. Montgolfiers Luftballon.

zwei Richtungen unterscheiden: die Ballonaeronautik (Aerostation) und die Aviation, welche den Flug des Vogels (avis) nachzuahmen sucht. Die erstere beginnt, wenn man von der Vorgeschichte absieht,

Fig. 2. Luftballon von Charles und Gebrüder Robert.

mit der Erfindung des Luftballons durch die Brüder Stephan und Joseph Montgolfier. Nach wiederholten Versuchen im kleinen ließen sie 5. Juni 1783 zu Annonay (Departement Ardèche) einen mit Papier gefütterten kugelförmigen Ballon aus Leinwand von 10 m Durchmesser, in welchem sie die Luft durch Feuer erhitzten, aufsteigen. Charles in Paris kam auf den Gedanken, den Ballon durch ein möglichst leichtes Gas zum Aufsteigen zu bringen, und wählte [987] hierzu Wasserstoff. Er füllte hiermit einen birnförmigen Ballon aus Seidentaft, welcher mittels aufgestrichenen Gummis gedichtet war, und ließ denselben 27. Aug. 1783 auf dem Marsfeld aufsteigen. Die überraschenden Erfolge der Montgolfièren (mit erwärmter Luft) und der Charlièren (mit Wasserstoffgas gefüllt) ermunterten zu weitern Versuchen. Montgolfier erbaute auf Veranlassung der Akademie einen Ballon (Fig. 1) von 26 m Höhe und 15 m Durchmesser, mit einer Galerie für Luftreisende. Pilâtre de Rozier war der erste, der im Oktober d. J. mit diesem Ballon aufstieg, mit dem Marquis d’Arlandes unternahm er bald darauf die erste freie Luftfahrt (vgl. seine Schrift „Première expérience de la Montgolfière“, 1784). Charles und die Gebr. Robert hatten inzwischen einen Gasballon gebaut (Fig. 2), mit dem sie 1. Dez. die erste Luftfahrt unter wissenschaftlichen Beobachtungen ausführten und eine Höhe von 3400 m erreichten. Die ungünstigen Ausgänge mancher Luftfahrten führten zur Benutzung des Fallschirms. Nachdem Leonardo da Vinci 1514 die Idee des Fallschirms ausgesprochen, machte erst Lenormand 1783 den Versuch, sich mit einem aufgespannten Regenschirm aus dem Fenster seines Hauses herunterzulassen. Der glückliche Erfolg wurde von den Luftschiffern (Blanchard, Garnerin) vielfach bei Schaustellungen verwertet, um sich aus größern Höhen herabzulassen. Der Physiker Guyton de Morveau suchte den Ballon durch Segel und Ruder zu lenken. Seinem Beispiel folgten Blanchard und die Brüder Robert mit einer Charlière. Letzterer Ballon war nicht kugel-, sondern walzenförmig, um ohne Verminderung der Tragfähigkeit dem Luftwiderstand eine möglichst geeignete Fläche zu bieten. In demselben war nach Angabe des Ingenieuroffiziers Meunier ein mit Luft gefüllter kleiner Ballon angebracht, der mit einem Schlauch zur Gondel reichte, um Luft nach Bedarf einblasen zu können. Sein Zweck war die Regulierung des Aufsteigens und Sinkens ohne Gasverlust und ohne Mitführung von Ballast. Man hatte erfahren, daß beim Steigen das Gas den Ballon infolge verminderten Luftdrucks immer mehr ausdehnte und die Hülle sprengte. Wurde Gas abgelassen, so verminderte sich die Steigkraft, und man mußte, um von neuem zu steigen, Ballast auswerfen. Aus dem Meunierschen Innenballon drückt das Füllgas mit zunehmender Ausdehnung die Luft hinaus. Wird wieder Luft hineingepumpt,

Fig. 3. Petins Luftschiff.

so bewirkt die Verdichtung des Gases ein Fallen des Ballons. Hiermit war der Luftballon in seinen Grundzügen fertig und behielt diese Einrichtungen bis in die neueste Zeit. Der größte Luftballon war der gefesselte auf der Pariser Weltausstellung von 1878. Er hatte 36 m Durchmesser, 250,000 cbm Inhalt und hob 42 Personen 500 m hoch. Ohne Erfolg blieben nur die Einrichtungen zum Lenken des Luftschiffs,

Fig. 4. Giffards Luftschiff.

weil man irrtümlich den Vorgang des Segelns der Schiffe auf dem Wasser auf das Luftschiff übertrug: man übersah die Konsequenzen des Umstandes, daß sich das Schiff in zwei, der Luftballon aber nur in einem Medium bewegt; auch war es ein Irrtum, durch schiefe Ebenen unter Benutzung des Windes bei geringer Eigenbewegung den Auftrieb, die Vorwärtsbewegung und die Lenkung unterstützen und bewirken zu wollen. Ein merkwürdiges, seiner Zeit viel Aufsehen erregendes Beispiel hierfür ist Petins Luftschiff vom Jahr 1847 (Fig. 3). Zwei Dampfmaschinen von je drei Pferdekräften sollten mittels [988] Luftschrauben dasselbe bewegen. Ein Fortschritt war die Anregung zur Verwendung einer Dampfmaschine, und den ersten Erfolg erreichte Henry Giffard, welcher 24. Sept. 1852 mit einem Luftschiff aufstieg,

Fig. 5. Dupuy de Lômes Luftschiff.

dessen spindelförmiger Ballon (Fig. 4) bei 44 m Länge und 12 m größtem Durchmesser 2500 cbm Inhalt hatte. In der Gondel hatte er eine Dampfmaschine von drei Pferdekräften aufgestellt, die eine dreiflügelige Luftschraube trieb und bei Windstille dem Luftschiff eine Geschwindigkeit von 3 m in der Sekunde gab; der

Fig. 6. Haenleins Luftschiff.

starke Wind ließ dieselbe indes nicht zur Geltung kommen. Giffard verbesserte dieses Luftschiff und gab ihm einen 72 m langen, 12 m dicken Ballon, mit dem aber der erste Aufstieg verunglückte. Die bei der Belagerung

Fig. 7. Luftschiff von Renard und Krebs.

von Paris 1870/71 mit frei fliegenden Ballons gemachten Erfahrungen drängten zu weitern Versuchen mit lenkbaren Luftschiffen. Am 2. Febr. 1872 stieg Dupuy de Lôme in Vincennes mit einem Luftschiff auf (Fig. 5), dessen spindelförmiger Ballon 36,12 m Länge, 14,84 m Durchmesser und 3454,7 cbm, der Innenballon 345 cbm Inhalt hatte. Die Bewegung erhielt es durch eine zweiflügelige Luftschraube von 9 m Durchmesser mit Handbetrieb, die ihm eine Geschwindigkeit von 2,22 m in der Sekunde geben sollte. Da bei der Auffahrt ein Wind von 12–17 m herrschte, so konnte die Wirkung der Schraube nicht zur Geltung kommen; das Fahrzeug trieb mit dem Wind, zudem sich die Unzulänglichkeit der Menschenkraft für die Bewegung erwies. Dieser Mißerfolg war mit Veranlassung, in Chalais bei Meudon, südlich von Paris, eine Luftschiffahrtskompanie zur Ausführung von Versuchen zu errichten. Inzwischen hatte der Ingenieur Haenlein in Brünn ein Luftschiff gebaut, dessen Ballon (Fig. 6) bei 50,4 m Länge einen Durchmesser von 9,2 m und einen Inhalt von 2408 cbm hatte. Zum Betrieb der vierflügeligen Schraube von 4,6 m Durchmesser diente eine Lenoirsche viercylindrige Gaskraftmaschine mit elektrischer Zündung, welche bei der Auffahrt im Dezember 1872 dem Luftschiff eine Eigenbewegung von 5,2 m erteilte. Das Gas für die Maschine wurde aus dem Füllgas des Ballons entnommen. Es zeigte sich bei der Probefahrt, daß das Luftschiff dem Steuer gehorchte, also in der That lenkbar war. Ungünstige Verhältnisse verhinderten leider die Fortsetzung der Versuche. Einen neuen Weg betrat Gaston Tissandier mit seinem 1881 in Paris ausgestellten Luftschiff, dessen Ballon dem Giffardschen nachgebildet war, indem er eine Siemenssche Dynamomaschine mit Sekundärbatterie als Motor verwendete. Mit einem nach diesen Grundsätzen vervollkommten Luftschiff, dessen Propellerschraube 2,85 m Durchmesser hat, und bei dem er für die Dynamomaschine von 55 kg Gewicht eine Chromsäurebatterie von 24 Elementen verwendete, mit welcher er 150 Umdrehungen der Schraube in der Minute erreichte, stieg Tissandier 8. Okt. 1883 auf. Gegen den herrschenden Wind von 3 m vermochte er nicht anzukämpfen, zumal sich das einfache Segel als Steuer unzureichend erwies. Auf dem von Tissandier betretenen Weg weiter gehend, erreichten die Kapitäne Renard u. Krebs im Militär-Luftschifferetablissement zu Meudon günstigere Erfolge. Der Ballon (Fig. 7) hat Tropfenform, bei 50,42 m Länge 8,4 m größten Durchmesser. 4 m unter demselben ist die aus Bambus gebaute, 33 m lange, 1,5 m breite u. 2 m hohe Gondel, mit gefirnißtem Ballonstoff bekleidet, an den Auslaufleinen des Netzhemdes aufgehängt. Der Ballon hat einen Innenballon. Der Motor ist eine Dynamomaschine mit Batterie von 32 Chlorsilberelementen von 8,5 Pferdekräften, welche der Schraube von 7 m Durchmesser 46 Umdrehungen in der Minute gibt. Die zweiflügelige Schraube sitzt [989] vorn, das Steuer hinten an der Gondel; letzteres bildet einen festen Rahmen. Das Gesamtgewicht mit den Luftschiffern betrug 2000 kg. Am 9. Aug. 1884 wurde bei fast windstillem Wetter die erste Fahrt in der Richtung nach Billancourt unternommen, dort wendete das Luftschiff und kehrte nach Chalais zurück; es hatte in 23 Minuten einen Weg von 7,6 km zurückgelegt und eine Eigenbewegung von etwa 5,4 m erreicht. Hiermit war der Beweis für die Lenkbarkeit des Luftschiffs erbracht. Es wurden noch mehrere Auffahrten mit gleichem Erfolg wiederholt. Zunächst ist eine kräftigere und länger arbeitende Maschine erforderlich.

Neben dem frei schwebenden hat der gefesselte, an Seilen gehaltene Luftballon (ballon captif) vielfach Verwendung gefunden. 1794 wurde in Chalais bei Meudon unter dem Geniekapitän Coutelle eine Luftschifferkompanie (aérostiers) errichtet, welche mit Wasserstoff gefüllte Ballons an Seilen hielten, um von der Gondel aus feindliche Stellungen und Bewegungen zu beobachten. Solche Ballons fanden vor Charleroi, in der Schlacht bei Fleurus und bei Belagerung von Festungen am Rhein Verwendung. Napoleon I. löste diese Truppe auf, weil die Ballons seinen Bewegungen nicht zu folgen vermochten. 1812 haben die Russen, 1849 die Österreicher vor Venedig Luftballons mit geladenen Bomben zu Bombardementszwecken ohne Erfolg aufsteigen lassen, dagegen haben Ballonrekognoszierungen in der Schlacht bei Solferino 1859 den Franzosen genützt. Eine ausgedehntere Verwendung fanden gefesselte Ballons, welche telegraphische Verbindung unterhielten, im amerikanischen Bürgerkrieg 1861–65 und im Krieg Brasiliens mit Paraguay 1867. Seit 1880 sind in Frankreich Ballontrains für jedes Armeekorps der Feldarmee eingeführt worden. An einem Verankerungswagen mit Dampfmaschine und Kabel ist ein etwa 500 m langes, um eine durch die Dampfmaschine gedrehte Tautrommel gelegtes Kabel mit Leitungsdraht für telephonische und elektrisch-telegraphische Verbindung befestigt. Der selbstthätig arbeitende Gaserzeuger liefert pro Stunde gegen 250 cbm Wasserstoff. Ähnliche Einrichtung besitzen England, Deutschland, Rußland und Italien.

Freie Ballons benutzten die Franzosen bei der Belagerung von Paris 1870/71 zur Beförderung von Personen, Briefen, Depeschen und Brieftauben, letztere zu dem Zweck, Nachrichten in die Stadt Paris zurückzubringen. In der Zeit vom 23. Sept. 1870 bis 28. Jan. 1871 haben 64 Ballons mit 155 Personen, 363 Brieftauben, 9000 kg Briefen und Depeschen die Stadt verlassen. 57 Brieftauben mit 100,000 Depeschen kehrten zurück, 6 Ballons mit 15 Personen fielen in die Hände der Deutschen, 2 ins Meer. Versuche, auf dem gleichen Weg Ballons nach Paris hineinzubringen, mißglückten. Auch von Deutschland wurden 1870 in Köln zwei Luftschifferdetachements durch den Engländer Coxwell unter zwei Offizieren und dem Dr. Mahler errichtet, deren Versuche vor Straßburg mißglückten. In England benutzt man auf Anregung Greens zur Lenkung frei schwebender Ballons die in den verschiedenen Höhen herrschenden verschiedenen Luftströmungen und läßt zu deren Ermittelung kleine Probierballons (Pilots) vorweg aufsteigen. England hat bis zu 5000 Fuß Höhe drei nahezu konstante Luftströme, die vom Major Templer zu vielen vorausbestimmten glücklichen Fahrten benutzt wurden. Die englischen Militär-Luftschifferkompanien sind auch mit dem Ballonmaterial für solche Fahrten ausgerüstet.

In Rücksicht auf möglichste Haltbarkeit wird die Ballonhülle entweder aus Seide (Pongheeseide) oder Baumwollenzeug (Perkal) nach deren Prüfung auf der Zerreißmaschine gefertigt. Die Bahnen des Zeugs werden nach Schablonen zugeschnitten und sorgfältig genäht. Besonders wichtig und schwierig ist das Gasdichtmachen der Ballonhülle. Der Firnis besteht meist aus Kautschuk, Guttapercha, Leinöl etc. Troost fertigt einen Firnis aus 1 Gelatine, 1 Glycerin, 6 Holzessig und setzt dieser Lösung unter Umrühren eine Lösung von 1 Tannin und 6 Holzessig hinzu. Drei Anstriche sollen genügen, den Ballon für Wasserstoff zu dichten. Der Ballon läuft nach unten in ein röhrenförmiges Ende (Appendix) aus, durch welches die Füllung stattfindet. Im Scheitelpunkt befindet sich ein Ventil, welches zum Gasablassen mittels einer Leine geöffnet werden kann, und das sich beim Nachlassen derselben selbstthätig schließt. Das Netz hat den Zweck, den Druck der Last, welche der Ballon tragen muß, gleichmäßig auf dessen Oberfläche zu verteilen und der Hülle gegen den Druck der Gase einen größern Widerstand zu geben. Es wird aus starker Hanfschnur (5–8 mm) gefertigt und endigt in die Auslaufleinen, welche am Tragring befestigt sind. An diesem hängt nach unten mit den Haltestricken der aus Weiden oder Spanischem Rohr und Bambusstäben gefertigte Korb bei Kugelballons oder die kahnartige Gondel bei Langballons. Im Korb oder in der Gondel finden die Ballastsäcke, die Apparate zum Landen, die Instrumente, eventuell die Betriebsmaschinen und die Personen Platz. Zum Landen dienen Anker besonderer Art an Ankertauen mit Gleitstück und Puffereinrichtung. Das Ankertau wird zuerst ausgeworfen, der Anker gleitet am Tau entlang. Die Betriebsmaschine ist die Lebensfrage für das lenkbare Luftschiff. Sie soll möglichst leicht, nicht feuergefährlich sein und dabei eine möglichst große Betriebskraft entwickeln. Man hoffte in den elektrodynamischen Maschinen die Lösung des Problems zu finden, doch ist ihr großes Gewicht ein Hindernis, und die in England konstruierten nicht feuergefährlichen Dampfmaschinen von außerordentlich geringem Gewicht, von 20 Pferdekräften und darüber sind mit jenen in Wettstreit getreten.

Wasserstoff als das leichteste Gas ist am geeignetsten zum Füllen der Ballons, doch erfordert es ein besonders sorgfältiges Dichtmachen der Ballonhülle. Leuchtgas ist zwar schwerer, aber in den meisten Städten zu haben und wird deshalb am meisten verwendet. Die militärischen Zwecke erfordern die Gaserzeugung an jedem Bedarfsort, und deshalb sind die Ballontrains in Frankreich und England auf Wasserstoff eingerichtet. 1 cbm mittelschweres Leuchtgas hat 0,65 kg, 1 cbm Wasserstoffgas 1,2 kg Auftrieb. Über die Tragkraft von Ballons gibt die nachstehende Tabelle einigen Anhalt:

Durch­messer Inhalt Auftrieb in Kilo­grammen
Leucht­gas Wasser­stoffgas
m cbm
3 14,137 9,189 16,968
4 33,510 21,780 40,210
5 65,450 42,540 78,540
6 113,100 73,510 135,720
7 179,600 116,740 215,520
8 268,000 174,250 321,700
9 381,700 248,000 458,000
10 523,600 340,000 628,000
11 696,900 451,000 836,000
12 904,800 588,000 1086,000
13 1150,300 748,000 1380,000
14 1436,700 934,000 1724,000
15 1767,100 1149,000 2120,000
20 4189,000 2723,000 5027,000

Die Bemühungen um eine rein dynamische L., [990] die Aviation, werden von vielen Seiten für aussichtslos gehalten; vielfach wird es für unmöglich erklärt, daß die für den Flug erforderliche große Kraft durch Maschinen von genügender Leichtigkeit ausgeübt werden könnte. Dabei zeigt aber doch die Natur, daß die rein dynamische L. thatsächlich von zahlreichen Tieren und vielfach auch von sehr zarten und schwachen Tierchen ausgeführt wird. Es ist daher ganz begreiflich, daß immer wieder von neuem der Versuch gemacht worden ist, die Gesetze dieser Bewegungen zu ermitteln; es galt sodann festzustellen, ob nicht die Tiere für uns Modelle für Flugmaschinen sein können, ob nicht das, was sie im kleinen leisten, durch die menschliche Kraft oder durch Maschinen im großen ausführbar ist. Es ist zunächst 1514 durch Leonardo da Vinci, sodann 1630 durch Borelli und in neuester Zeit namentlich durch Marey (seit 1868) der Versuch gemacht worden, die Gesetze des Vogelflugs zu ermitteln und das Gefundene für die Konstruktion von Flugmaschinen praktisch nutzbar zu machen. Die Anatomie und Physiologie des Vogelkörpers zeigte, daß, im Gegensatz zu frühern irrigen Vorstellungen, große und kleine Tiere im ganzen geometrisch ähnlich gebaut seien, daß, zumal bezüglich der Größe der Flügelflächen, dieselben Verhältnisse bei Fliegern aller Größen vorkommen. Bezüglich der treibenden Kraft der Muskeln zeigten exakte Untersuchungen, daß in dieser Beziehung kein Unterschied zwischen den Muskeln der fliegenden Tiere einerseits und zwischen denen der gehenden, springenden, schwimmenden anderseits besteht. Auch bezüglich der Form der Bewegungen wurden durch die Anwendung der Momentphotographie und durch graphische Hilfsmittel neue und klarere Vorstellungen gewonnen, als dieses früher bei der direkten Beobachtung mit bloßem Auge möglich gewesen war. Diese Studien zeigten, daß der Vogelflug ein weit verwickelterer Hergang ist, als er der naiven Betrachtung ursprünglich erschien, und daß einer gelungenen Nachahmung noch immer große Schwierigkeiten entgegenstehen.

Flugmaschinen sind bisher hauptsächlich in Frankreich konstruiert worden. Die einfachste Maschine dieser Art ist das Helikopter oder die Luftschraube, ursprünglich erfunden von Leonardo da Vinci 1514, später durch Launoy und Bienvenu 1784; bei diesen Apparaten bewegen sich eine oder mehrere Schraubenflächen um eine lotrechte Achse. Die Wahrnehmung, daß bei der Hebung von Flugmaschinen durch vertikalachsige Schrauben der weitaus größte Teil der aufgewandten Arbeit nutzlos verloren geht, führte Henson 1842 zu der Konstruktion des Aeroplans, einer Verbindung einer horizontalachsigen Luftschraube mit einer schiefen Ebene. Von den Helikoptern sowohl als von den Aeroplanen haben sich bisher nur kleine Modelle in die Luft erhoben und zwar nur auf ganz kurze Zeit. Sollen die Maschinen leistungsfähiger sein, so ist in erster Linie erforderlich, daß die Motoren möglichst leicht seien. Ob und wie und wann es glücken wird, die dem Gelingen entgegenstehenden großen Schwierigkeiten zu überwinden, darüber sind die Aeronautiker sehr verschiedener Meinung. Vgl. außer den Schriften von Montgolfier (s. d.): Dupuy de Lôme, Note sur l’aérostat (Par. 1872); Gaede, Über den Bau gefesselter und lenkbarer Luftschiffe (Berl. 1873); Stephan, Weltpost und L. (das. 1874); Auerbach, Hundert Jahre L. (Bresl. 1884); Pettigrew, Die Ortsbewegung der Tiere (a. d. Engl., Leipz. 1875); Mödebeck, Handbuch der L. (das. 1886, Nachtrag 1887); Tissandier, La navigation aérienne (Par. 1886); Derselbe, Histoire des ballons (das. 1887); Masius, Luftreisen von Glaisher, Flammarion, Fonvielle und Tissandier (Leipz. 1872); Lavergne, Verwendbarkeit der Luftballons in der Kriegführung (Berl. 1886); Heß, Der gegenwärtige Stand der militärischen L. (Wien 1887); „Zeitschrift des deutschen Vereins zur Beförderung der L.“ (Berl., seit 1882); „L’aéronaute, bulletin mensuel etc.“ (Par. 1868).


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 541543
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[541] Luftschiffahrt (meteorologische Beobachtungen). Bei der Erforschung des physikalischen Zusammenhanges der in der Atmosphäre auftretenden Erscheinungen hat es sich gezeigt, daß die Kenntnis von den Verhältnissen der Temperatur, der Feuchtigkeit und der Bewegung in den obern Luftschichten zur Lösung vieler Probleme nicht entbehrt werden kann. Wenn auch zu diesem Zweck eine Reihe von Beobachtungsstationen auf hohen, isoliert liegenden Berggipfeln eingerichtet sind, von denen hier nur die auf dem Säntis in der Schweiz in einer Höhe von 2514 m, auf dem Wendelstein in Bayern in einer Höhe von 1700 m und auf dem Sonnblick auf den Tauern, ca. 3000 m hoch, genannt werden sollen, so können derartige Höhenstationen allein das erforderliche Material nicht liefern, weil die auf ihnen angestellten Beobachtungen zu sehr durch die Oberfläche des Gebirges und die davon abhängigen Luftströmungen beeinflußt werden. Deshalb können die auf Höhenstationen erhaltenen Resultate nicht ohne weiteres als für dieselben Höhen in der freien Atmosphäre gültig angesehen werden. Um von den störenden Einflüssen der Umgebung unabhängig zu sein, hat man auf einer größern Zahl von Ballonfahrten meteorologische Beobachtungen in der freien Atmosphäre angestellt, welche in Verbindung mit den Beobachtungen auf den Höhenstationen mit der Zeit das Material zur Kenntnis von den Eigenschaften der höhern Luftschichten und den meteorologischen Vorgängen in ihnen liefern werden. Wenn auch die Beobachtungen auf den Höhenstationen vor den Ballonbeobachtungen den Vorzug haben, daß sie längere Zeit hintereinander angestellt und durch Registrierapparate regelmäßig verzeichnet werden können, so sind doch die letztern wegen ihrer Unabhängigkeit von den störenden Einflüssen der Umgebung in Bezug auf die Kenntnis der Vorgänge in den obern Luftschichten nicht zu umgehen. Dazu kommt noch, daß die Höhenstationen wegen der Schwierigkeit, mit welcher ihre Einrichtung und die Anstellung der Beobachtungen verbunden ist, über eine gewisse Höhenlage nicht herausgehen können; die höchste, welche wegen dieser Schwierigkeiten wieder aufgegeben werden mußte, war die auf dem Pike’s Peak in Nordamerika in einer Höhe von 4313 m, während die Ballonfahrten bis zu einer bedeutend größern Höhe ausgeführt werden können.

Die ersten Versuche, Ballonfahrten zu wissenschaftlichen Zwecken zu verwerten, reichen bis in den Anfang dieses Jahrhunderts zurück. Nachdem Gay-Lussac und Biot 1804 den Anfang gemacht und dabei eine Höhe von 21,000 Fuß erreicht hatten, wurden [542] die nächsten Ballonfahrten zu wissenschaftlichen Zwecken erst im J. 1850 von Barral und Bixio unternommen. Eine Vergleichung der Temperaturbeobachtungen ergab dabei, daß die Luftschichten in derselben Höhe zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden warm sind. Gay-Lussac beobachtete bei einer Lufttemperatur von 24,8° R. in der Nähe der Erdoberfläche in einer Höhe von 21,000 Fuß −7,6° R., während Barral und Bixio auf ihrer Luftreise bei einer Erhebung von 6–20,000 Fuß eine Nebelschicht fanden, in welcher nahe an der obern Grenze die Temperatur −8° R., aber unmittelbar über derselben −18,4° R. betrug. In einer Höhe von 21,000 Fuß zeigte das Thermometer −32° R. Nachdem die ersten Ballonfahrten die Wichtigkeit derartiger Beobachtungen dargethan hatten, wurden Luftreisen zu wissenschaftlichen Zwecken 1852 von Welsh in England angestellt und in den Jahren 1861–65 von Glaisher fortgesetzt. Trotzdem auf diesen Ballonfahrten die Temperaturverhältnisse der höhern Luftschichten genauer untersucht wurden, sind die dabei erhaltenen Resultate doch nicht ausreichend, um ein richtiges Bild über die Temperaturen der obern Luftschichten in der warmen und kalten Jahreszeit zu geben. Daß dieselben aber sehr verschiedenartig sein können, geht zur Evidenz aus den auf diesen Ballonfahrten angestellten Beobachtungen hervor. Am 17. Aug. 1852 zeigte das Thermometer in einer Höhe von 11,000 Pariser Fuß +2° R., und 10. Nov. 1852 wurde dieselbe Temperatur bereits in einer Höhe von 4000 Pariser Fuß beobachtet. Auch sonstige Unregelmäßigkeiten treten auf. Am 12. Jan. 1864 nahm die Temperatur bis zu 1300 m zu und sank dann erst bei einer größern Erhebung. Am 6. April 1864 war die Temperatur bis 100 m zwischen 7 und 8° C., sank dann bei einer Erhebung bis 1200 m bis auf 0°, nahm dann bei einer noch größern Erhebung wieder zu und zeigte erst bei 2500 m Höhe wieder 0°.

So interessant derartige auf vereinzelten Luftreisen gewonnene Resultate auch sind, so genügen sie nicht, um einen Überblick über die allgemeinen Verhältnisse der obern Luftschichten zu geben. Dazu sind regelmäßige und systematisch angestellte Beobachtungen erforderlich, deren Notwendigkeit in neuester Zeit immer mehr und mehr anerkannt ist. Abgesehen davon, daß von seiten der königlich preußischen Militärluftschifferabteilung auf ihren Ballonfahrten regelmäßige meteorologische Beobachtungen gemacht werden, ist man auch in neuester Zeit in Deutschland darauf bedacht gewesen, lediglich zu wissenschaftlichen Zwecken Ballonfahrten zu unternehmen, und als erste Reise dieser Art ist die Ballonfahrt von v. Siegsfeld und Kremser 23. Juni 1888 zu nennen, auf welcher das Verhältnis der Temperatur und der Feuchtigkeit in den höhern Luftschichten während eines sommerlichen Luftdruckmaximums, wie es an dem Tage gerade vorhanden war, untersucht werden sollte. Der Ballon stieg in der Schöneberger Gasanstalt bei Berlin auf und legte in nicht vollen sieben Stunden den Weg bis Celle zurück. Als Resultat der Beobachtungen ergab sich, daß alle frühern Temperaturbeobachtungen auf Ballonfahrten mit Vorsicht zu verwenden sind, weil die Thermometer durch die starke Sonnenstrahlung sehr bedeutend beeinflußt werden. Die Temperaturen, welche an Thermometern abgelesen wurden, die in einer gewissen Entfernung vom Ballon angebracht waren, zeigten, daß ihre Abnahme langsamer vor sich geht, als die Höhe zunimmt. In der Nähe des Erdbodens betrug sie ca. 1° C. auf je 100 m, in einer Höhe von 2250–2405 m nur 0,4° C. In Bezug auf die Feuchtigkeit war ganz besonders auffallend, daß dieselbe einem häufigen Wechsel unterworfen war. Bei einem gleichmäßigen Dahinfliegen in 2400 m Höhe betrug die relative Feuchtigkeit einmal 47 Proz., einige Minuten später 8 Proz., und in einer Entfernung von etwa 200 m traten Wolkenbildungen ein. Der von der Erde ausgehende aufsteigende Luftstrom wurde bei dieser Gelegenheit in derselben Weise wie auch schon auf frühern Ballonfahrten beobachtet, indem der Ballon über jedem größern Waldkomplex und jeder Wasserfläche eine Tendenz zum Sinken zeigte und von seiner geradlinigen Bahn abgelenkt wurde, eine Thatsache, die schon früher vielfach beobachtet war und die Luftschiffer zu dem Ausspruch geführt bat, daß Wälder und Seen den Ballon anziehen. Eine Erklärung findet diefe Erscheinung darin, daß im Sommer über Wald und Wasser eine Luftbewegung stattfindet, wie sie einem barometrischen Maximum entspricht und das Sinken zur Folge hat.

Ganz besonders wichtig sind die Ballonfahrten für die Bestimmung der Richtung, in welcher die Luftströmungen in den verschiedenen Höhen stattfinden. Wie verschieden diese sind, hat z. B. die Fahrt gezeigt, welche 29. Juni 1887 von Tempelhof aus unternommen wurde. Bei 950 m herrschte eine Luftströmung aus NNW., die sich für eine Höhe bis 1300 m in eine nördliche Richtung änderte, in noch größerer Höhe aus SSO., in 2100 m aus NO. und beim Sinken des Ballons aus WNW. wehte. Dabei zeigte der Ballon in der Höhe von über 2000 m die merkwürdige Erscheinung des Hüpfens, indem er wiederholt kurze Sprünge machte, die ihn meist um 100 m auf- und abwärts schwanken ließen, ohne daß sein Gewicht durch Auswerfen von Ballast geändert worden wäre. Diese Oszillationen werden regelmäßig beobachtet, wenn sich der Ballon über einer Wolkenschicht befindet, und sind eine Folge der von dieser zurückgestrahlten Sonnenwärme, welche auf das Gas des Ballons ihren Einfluß ausübt. Ähnliche Beobachtungen waren schon bei der Fahrt des Militärballons Barbara 10. Dez. 1885 gemacht, nur mit dem Unterschied, daß der Ballon, welcher zuerst nach O. geflogen war und sich über Berlin, ohne daß Ballast ausgeworfen war, rasch von 470 m bis 970 m, mitten über Berlin sogar bis 1630 m gehoben hatte, in größerer Höhe seine Richtung nach WSW. änderte, in der Nähe von Königs-Wusterhausen der Seenkette folgte und sich gleichzeitig von 2320 m bis 2700 m hob, um gleich dahinter sehr rapid zu sinken und nach dem Passieren des letzten Sees in der alten Richtung weiter zu fliegen. Da die Felder mit leichtem Schnee bedeckt, während die größern Seen nicht zugefroren waren, so ist das auffallende Steigen über den Wasserflächen ebenso wie über Berlin als eine Folge von aufsteigenden Luftströmen anzusehen, welche zeigen, daß das Verhalten der Wasserflächen im Winter das umgekehrte von dem oben erwähnten Verhalten im Sommer ist.

Auch darüber, daß die Luftströmungen in den seltensten Fällen parallel zur Erdoberfläche gehen, haben die wissenschaftlichen Luftreisen Aufklärung gegeben, und es sind sowohl auf einer Anzahl von Luftreisen, welche in der Zeitschrift „L’Aéronaute“ in Paris veröffentlicht sind, als auch auf der Fahrt des Militärballons Viktoria 6. Mai 1886 darauf bezügliche Beobachtungen gemacht. Die Luftströmungen werden ebensowohl durch Terrainerhebungen und -Vertiefungen wie auch durch kleine Depressionen, welche durch verschiedene Erwärmung des Bodens, [543] je nachdem dieser durch Gewässer, Wälder, kahle, Flächen etc. gebildet ist, in ihrer horizontalen Richtung abgelenkt und zuweilen in lokale Wirbelbewegung versetzt. Die steigende Richtung der Luftbewegung machte sich z. B. auf der Fahrt des Ballons Viktoria dadurch kenntlich, daß derselbe verschiedene Höhen erreichte, ohne daß sein Gewicht durch Auswerfen von Ballast verändert worden wäre, und auf eine Wirbelbewegung konnte daraus geschlossen werden, daß die Luftschiffer plötzlich einen starken seitlichen Wind wahrnahmen, welchem das Luftschiff folgte, worauf scheinbare Windstille eintrat, bis anderthalb Minuten später ein seitlicher Windstoß von der entgegengesetzten Richtung verspürt wurde, der auch eine entgegengesetzte Richtung der Fahrt hervorrief. Wenn derartige Untersuchungen auch nur als der erste Anfang zur Erforschung der in den obern Luftschichten herrschenden Verhältnisse angesehen werden können, so ist doch durch sie der Weg vorgezeichnet, auf welchem weiter fortgeschritten werden muß, und daher erscheint die Annahme gerechtfertigt, daß es mit der Zeit gelingen wird, durch systematisch angestellte Ballonbeobachtungen in Verbindung mit den Beobachtungen auf Höhenstationen Aufschluß zu erhalten über die Verhältnisse der Temperatur, der Feuchtigkeit und der Bewegung in den höhern Luftschichten und dadurch auch neue Grundlagen zu gewinnen zur Erklärung mancher meteorologischer Vorgänge auf der Erdoberfläche selbst. – Zur Litteratur: Graffigny, Die L. und die lenkbaren Ballons (deutsch, Leipz. 1888).


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 576577
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[576] Luftschiffahrt. Die Renard-Krebsschen Versuche in Paris haben zwar den Beweis geliefert, daß das Problem des lenkbaren Luftschiffs lösbar ist, technische Schwierigkeiten haben dieselbe indes noch nicht über die Verwendbarkeit bei Windstille und sehr schwachem Winde hinaus gelangen lassen. H. de Graffigny stellt sich deshalb in seinem Buche „Die L. und die lenkbaren Ballons“ (deutsch von A. Schulze, Leipz. 1888) auf den Standpunkt der 1863 von Nadar in Paris ausgesprochenen Idee, das Luftschiff müsse schwerer sein als die Luft und dürfe nicht von einem mit Gas gefüllten Ballon getragen werden, weil dieser dem Winde eine so unverhältnismäßig große Fläche bietet, daß keine vom Ballon getragene Maschine im stande sein werde, diesen dem Winde entgegenzutreiben. Graffigny will deshalb sein Luftschiff ohne Ballon, nur durch Luftschrauben heben und fortbewegen und hat die Möglichkeit der Ausführung durch Rechnung, aber noch nicht durch Versuch nachgewiesen. – Die meisten Heere besitzen jetzt Luftschifferabteilungen und Ballontrains, welche mit Fesselballons ausgerüstet sind. In Frankreich wurde 1886 die Luftschifferschule in Chalais (Meudon) in eine Zentralanstalt für Militärluftschiffahrt umgewandelt und bei jedem der vier Genieregimenter eine Luftschifferabteilung eingerichtet. Inzwischen haben jedes Armeekorps und eine Anzahl Festungen einen Luftschifferpark nach Yons System erhalten, welcher aus fünf Fahrzeugen besteht. Der erste Wagen trägt den Apparat zur Erzeugung des Wasserstoffgases aus Eisen und verdünnter Schwefelsäure, der zweite eine Dampfmaschine von 5 Pferdekräften mit Windetrommel und Haltetau für den Ballon; der dritte den Ballon von 550 cbm Inhalt aus chinesischer Seide (Ponghee) und einem Netze aus neapolitanischem Hanf; die beiden andern Wagen tragen die Materialien zur Gaserzeugung. Letztere ist des großen Wasser- und Materialienbedarfs wegen sehr umständlich und zeitraubend. In Deutschland ist deshalb das Verfahren von Majert-Richter eingeführt worden, nach welchem das Wasserstoffgas aus einem Gemisch von Zinkstaub und trocknem Kalkhydrat in verlöteten Blechhülsen durch Erhitzung in einem Ofen, welcher 120 solcher 18 kg schweren Hülsen aufnehmen kann, die in zwei Stunden etwa 250 cbm Gas geben, erzeugt wird. Zur Gaskühlung sind 500–600 Lit. Wasser erforderlich. Wie die Engländer für den Sudân, so haben die Italiener für die Verwendung in Abessinien das zur Füllung des Ballons nötige Wasserstoffgas nach der Gebrauchsstelle in 2,4 m langen Stahlcylindern von 13 cm Durchmesser und 3 mm Metallstärke, in welchen das Gas auf etwa 120 Atmosphären verdichtet war, mitgeführt. Jeder Cylinder wiegt 30 kg. Das Verfahren an sich hat sich bewährt, nur muß man für jede neue Ballonfüllung frisch gefüllte Rezipienten herbeischaffen. Soviel bekannt, sollen Österreich und Italien das Majert-Richtersche Verfahren angenommen haben. Rußland, Belgien, Holland, Dänemark haben Yonsche Apparate. Der Ballon wird an einem 500 m langen Tau gehalten, in welches Drähte für telephonische Leitung eingeschlossen sind, so daß die Beobachter sich mit der Station auf dem Wagen und nach Anschluß auch direkt mit dem Hauptquartier verständigen können. Kartenskizzen oder schriftliche Mitteilungen werden in Büchsen am Haltetau heruntergeschickt. Mittels Flaggen können am Tage, mittels Laternen und Glühlampen nachts Signale gegeben werden. Bruce hat im Innern eines 4–5 m großen Ballons mehrere, auch verschiedenfarbige Glühlampen angebracht, die, von der Erde aus zum Glühen gebracht, weithin sichtbare Zeichen geben oder durch kürzere oder längere Lichtblicke nach dem Morsealphabet Mitteilungen machen können. Der Gebrauch des Fesselballons wird insofern durch Wind beschränkt, als derselbe um so niedriger gehalten werden muß, je stärker der Wind ist; bei einer Windstärke von 7–8 m in der Sekunde kann er sich höchstens in einer Höhe von 100 m halten, stärkerer Wind verbietet das Aufsteigen überhaupt, während bei stillem Wetter sich der Ballon bis zu 600 m so ruhig verhält, daß Beobachtungen möglich sind. Infolge Einführung des rauchlosen Pulvers ist dem Fesselballon vermehrte Aufmerksamkeit zugewendet worden, weil er unter Umständen das einzige und weithin reichende Mittel bietet, Stellungen des Feindes zu erkunden und seine Bewegungen zu verfolgen. Bei klarer Luft lassen sich aus dem Ballon auf 15 km mit dem Fernrohr noch die Uniformen der Truppen unterscheiden. Man hat deshalb vielfach mit Erfolg versucht, schwebende Ballons durch die [577] Artillerie auf Entfernungen bis zu 4000 m mit Schrapnells zu beschießen. Um gegen Artilleriefeuer sicher zu sein, ist ein Abstand von 5 km, gegen Infanteriefeuer von 1500 m erforderlich. Der getroffene Ballon fällt übrigens nur sehr langsam und kann leicht ausgebessert werden. Um das Beschießen zu erschweren, empfiehlt es sich, daß die Ballons möglichst viel ihren Standort und, wo dies nicht angeht, wie in Festungen, ihre Höhe ändern. Schwebende Ballons folgen ihren Maschinenwagen. Unter Brücken, Telegraphendrähten geht man mit gespaltenem Tau fort. In Frankreich hat man 1888 den Fesselballon an der Küste, auf Deck eines Schiffes gehalten, zu Beobachtungen der See und zum Signalisieren der gemachten Beobachtungen auf große Entfernungen mit Erfolg benutzt. Auf der Reede von Toulon hat man so Marseille (50 km), Nizza (130 km) und die Nordküste von Corsica (240 km) beobachtet. – Zur Litteratur: H. Hoernes, Die Luftfahrzeuge der Zukunft (Wien 1890).