MKL1888:Leuchtgas
[733] Leuchtgas (hierzu Tafel „Leuchtgas“), ein mit leuchtender Flamme brennendes Gasgemisch, welches aus Steinkohlen und Holz, seltener aus Torf, Braunkohlen, Öl, Harz, Fettabfällen, Pech, Schieferöl, Petroleum und Petroleumrückständen, Teer, Melasse, Knochen und allerlei Abfällen, Erdöl etc. durch Erhitzen bei Luftabschluß gewonnen wird. Die genannten Rohmaterialien bestehen aus Kohlenstoff, Wasserstoff und (bis auf das Erdöl) Sauerstoff und liefern beim Erhitzen unter Abschluß der Luft zahlreiche flüchtige Produkte, die sich teils durch Abkühlung zu Flüssigkeiten verdichten lassen (Teer, Wasser), teils gasförmig bleiben. Diese gasförmigen Zersetzungsprodukte, von störenden Beimengungen befreit, bilden das L. An manchen Orten (Fredonia in New York, Erie in Pennsylvanien, Szlatinaer Steinsalzgrube im Marmaroser Komitat, China, Baku, Kurdistan, Arbela in Mesopotamien, Tschittagong in Bengalen) entströmen dem Erdboden Gase von ähnlicher Beschaffenheit wie unser L., welche zum Teil technisch benutzt werden. Weitaus am häufigsten wird L. aus Steinkohlen dargestellt. Man benutzt backende, wasserstoffreiche Kohlen, welche wenig Schwefel und Asche enthalten. Die beste Gaskohle ist die Kannelkohle, meist aus Newcastle, welche auch in Norddeutschland viel verarbeitet wird; der schottische Bogheadschiefer gibt L., welches oft die doppelte Leuchtkraft desjenigen aus bester schlesischer Kohle besitzt. In Deutschland verarbeitet man westfälische, Saarbrücker, schlesische und sächsische Kohlen, von welchen erstere das beste, letztere das geringwertigste Gas liefern. Die besten deutschen Gaskohlen gleichen etwa den geringern englischen an Güte. Zum Erhitzen der Kohlen bei Luftabschluß dienen liegende Schamotteretorten, gerade, am hintern, im Ofen liegenden Ende verschlossene Röhren von 2–3 m Länge, 43–45 und 54 cm Durchmesser und von elliptischem oder D-förmigem Querschnitt. Bisweilen benutzt man auch aus feuerfesten Dinassteinen gemauerte Retorten. Jede Retorte besitzt einen gußeisernen, mit eisernem Deckel verschließbaren Retortenhals, welcher aus dem Ofen hervorragt, und von diesem Hals geht die Aufsteigröhre ab, welche 30–60 cm tief in den Teer der über der Ofenbrust angebrachten liegenden Vorlage oder Hydraulik eintaucht. Man hat Retortenöfen mit 1–12 Retorten, und sehr beliebt sind Öfen mit 6 Retorten, von welchen Fig. 1 der Tafel „Leuchtgas“ die vordere Ansicht, Fig. 2 den Längendurchschnitt mit Aufsteigröhre a und Vorlage b gibt; cc sind die Retorten, und d ist die Feuerthür. Diese Retorten werden durch Koks-, seltener durch Steinkohlen-, Teer- und in neuerer Zeit durch Gasfeuerung hellrot-, beinahe weißglühend gemacht, mit ca. 100 kg in faustgroße Stücke zerschlagener Steinkohle geladen (chargiert),
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[734] so daß sie etwa zur Hälfte gefüllt sind, und dann schnell mit dem mit Lehmkitt bestrichenen Deckel geschlossen. Die sofort sich entwickelnden Dämpfe und Gase entweichen durch die Ableitungsröhre, und nach 4–6 Stunden ist die Destillation beendigt. Als Rückstand finden sich dann in der Retorte die Gaskoks, nach deren Entfernung die Retorte von neuem beschickt wird. Die Koks löscht man gewöhnlich mit Wasser ab, und etwa ein Drittel derselben verbraucht die Gasanstalt selbst zum Heizen der Retortenöfen. Man braucht bei gewöhnlicher Feuerung auf 100 kg zu entgasender Kohle 23 kg Koks, bei Gasfeuerung nur 12–16 kg. Die Ausbeute an Gas schwankt bedeutend, je nach der chemischen Beschaffenheit der Kohle; außerdem gibt trockne Kohle mehr oder besseres Gas als feuchte. Bei niedriger Temperatur entsteht viel Teer auf Kosten der Gasausbeute; bei zu hoher Temperatur zersetzen sich die wertvollsten Leuchtgasbestandteile, die kohlenstoffreichen Kohlenwasserstoffe zerfallen in Kohlenstoff, welcher sich als Retortengraphit ablagert, und kohlenstoffärmeres Gas (Methan), welches mit wenig leuchtender Flamme brennt. Der Zentner bester englischer Kohle gibt bis 22 cbm, die deutschen Kohlen geben 12–17 cbm Gas, dazu 50–70 Proz. Koks, 4,5–6 Proz. Teer und 8–12 Proz. ammoniakalisches Wasser (Ammoniakwasser, Gaswasser).
Die in die Vorlage tretenden Gase und Dämpfe werden hier abgekühlt und zum Teil schon verdichtet; eine vollständigere Verdichtung der Dämpfe erfolgt durch den Kondensator (Fig. 3), welcher aus einem System auf- und absteigender eiserner Röhren besteht, die auf einem mit Scheidewänden versehenen Untersatz angebracht sind und durch die freie Luft oder durch Wasser gekühlt werden. Das Gas tritt durch den einen Seitenstutzen ein und durchströmt eine Röhre nach der andern, während sich Teer und Wasser in dem Untersatz sammeln und von da in die Teerzisterne fließen. Zur weitern Kondensation leitet man das Gas aus dem Kondensator in den Skrubber (Fig. 4), einen stehenden eisernen Cylinder, der mit Koks gefüllt ist, über welchen beständig kaltes Wasser herabrieselt. Das L. tritt bei a in den Apparat ein, strömt dem durch c zugeleiteten herabfließenden Wasser in feiner Verteilung entgegen und verläßt den Apparat bei b. Unter dem Siebboden e sammelt sich Wasser und Teer, zu dessen Ableitung die Röhre d dient. Größere Gaswerke benutzen außerdem noch Wascher, d. h. Apparate, in welchen ein feiner Sprühregen von Wasser erzeugt wird, der sehr viele Verunreinigungen aus dem Gas fortnimmt.
Eine genügende Reinigung des Gases ist durch die Abkühlung allein nicht zu erzielen, und man wendet daher zur Beseitigung von Kohlensäure, Schwefelwasserstoff, Cyan- und Schwefelammonium, kohlensaurem Ammoniak und organischen Basen verschiedene Chemikalien an. Die dazu dienenden Reiniger zeigen Fig. 5 u. 6. Sie bilden niedrige Kasten, deren Deckel mit hydraulischem Verschluß A versehen sind und durch ein Hebewerk B gehoben werden können. In den Kasten liegen in kleinen Abständen übereinander aus Weiden oder Rohr geflochtene Horden, welche das Reinigungsmaterial aufnehmen. Man läßt das Gas drei oder vier derartige Kasten durchströmen, wobei es zuerst auf fast schon gesättigtes, zuletzt aber auf ganz frisches Reinigungsmaterial trifft. Zur Ausschaltung erschöpfter Reiniger sind, wie für alle übrigen Apparate der Gasanstalten, hydraulische Wechsler oder Schieberventile vorhanden, und mit deren Hilfe kann man mit jedem Apparat beliebig manipulieren. Der Weg, den das Gas durch den Apparat macht, ist in Fig. 6 durch Pfeile angezeigt. Es durchdringt hierbei das Reinigungsmaterial und gibt an dasselbe die genannten Verunreinigungen ab. Die Kalkreiniger enthalten frisch zu Pulver gelöschten Kalk, welcher zur Erzielung größerer Lockerheit mit Sägemehl, Häcksel, Gerberlohe etc. gemischt wird. Er absorbiert Kohlensäure und Schwefelwasserstoff, aber nicht das der Kondensation und Waschung entgangene Ammoniak. Vollständiger wirkt die Lamingsche Masse, welche aus Eisenvitriol, gebranntem Kalk, Wasser und Sägemehl bereitet wird und nach gegenseitiger Einwirkung dieser Bestandteile aufeinander aus Eisenhydroxyd, Gips und überschüssigem Ätzkalk besteht und unter Bildung von kohlensaurem Kalk, schwefelsaurem Ammoniak und Schwefeleisen Kohlensäure, Ammoniak und Schwefelwasserstoff absorbiert. Gegenwärtig werden statt der Lamingschen Masse fast nur noch künstlich bereitetes Eisenoxyd (Abfall aus Anilinfabriken u. Kiesabbrände) oder gewisse Eisenerze (Raseneisenstein, manganhaltiger Brauneisenstein etc.) angewendet. Auch hier bildet sich wie bei der Lamingschen Masse Schwefeleisen, welches sich an der Luft unter Abscheidung von Schwefel wieder zu schwefelsaurem Eisenoxydul oxydiert. Letzteres zersetzt sich mit kohlensaurem Kalk zu schwefelsaurem Kalk und kohlensaurem Eisenoxydul, und dieses oxydiert sich zu Eisenhydroxyd. Die eisenhaltige Reinigungsmasse kann also nach völliger Sättigung an der Luft regeneriert werden und zwar so oft, bis sie zu stark mit Schwefel, Teer, schwefelsaurem Ammoniak etc. verunreinigt ist, wo sie dann auf verschiedene Produkte verarbeitet wird. Neben der Eisenreinigung wendet man noch Kalkreinigung an, um die Kohlensäure vollständiger zu absorbieren.
Das gereinigte Gas tritt in den Exhaustor, einen saugend wirkenden Apparat, welcher den Gasdruck in den Retorten und in der Hydraulik vermindern oder ganz aufheben und dadurch den Absatz von Retortengraphit und das Entweichen von Gas verhindern soll. Die Exhaustoren wirken nach Art der Luftpumpen und rotierenden Pumpen, der Ventilatoren, Aspiratoren oder Dampfstrahlgebläse; sie bedürfen, mit Ausnahme der letztern, zum Betrieb einer Dampf- oder Gaskraftmaschine und eignen sich deshalb wenig für kleinere Gaswerke. Aus dem Exhaustor gelangt das L. in die Fabrikationsgasuhr (Stationsgasmesser), welche ermöglicht, das fabrizierte Gasquantum auf mit Zeigern versehenen Zifferblättern abzulesen, und im wesentlichen dieselbe Einrichtung besitzt wie die kleinen, in den Häusern der Gaskonsumenten aufgestellten Gasuhren. Das gemessene Gas sammelt sich in dem Gasometer, einem glockenförmigen, sehr umfangreichen, aus Eisenblech zusammengenieteten und in den Fugen durch Teer gedichteten Gefäß, welches in einem gemauerten, mit Wasser gefüllten Bassin steht und beim niedrigsten Stand mit der Decke dem Wasser sehr nahe kommt. Leitet man nun das Gas unter die Glocke, so hebt sich diese und wird dabei von Leitrollen geführt, welche zwischen der Gasometerwand und den neben der letztern stehenden Pfeilern laufen. Um mit einem weniger tiefen Bassin auszureichen, benutzt man Teleskopgasometer, die oft bis über 30,000 cbm L. fassen und aus zwei oder drei ineinander geschachtelten und ineinander verschiebbaren Blechcylindern ohne Boden bestehen. Die innere Trommel hat jedesmal einen nach außen umgebogenen [735] Rand, welcher eine Rinne bildet, die mit Wasser gefüllt ist und beim Aufsteigen den in gleicher Weise nach innen umgebogenen Rand der äußern Trommel unter hydraulischem Verschluß aufnimmt (Fig. 7). Man rechnet, daß der kubische Inhalt der Glocke dem 2–2,5fachen Betrag des täglichen Mittels aus dem Jahreskonsum entsprechen muß. Ist das Gasometer gefüllt, d. h. steht die Glocke so hoch, daß ihr unterer Rand nur noch etwa 20 cm tief in das Wasser taucht, und schließt man dann die Zuleitungsröhre, so strömt das L. durch die geöffnete Ableitungsröhre unter einem Druck aus, welcher dem Gewicht der Glocke entspricht. Da aber dieser Druck in der Regel stärker ist als erforderlich, so leitet man das Gas zuletzt noch durch einen Druckregulator, welcher den durch ein Manometer angezeigten Druck entsprechend herabmindern soll. Ein häufig benutzter Apparat dieser Art besteht aus einem teilweise mit Wasser gefüllten Gefäß aa (Fig. 8), in welchem die Blechglocke b, an Rollen beweglich, hängt; sie ist unten mit einem hohlen Schwimmer c versehen und senkt sich durch Auflegen von Gewichten d. Im Innern der Glocke hängt der Kegel e, welcher, wenn die Glocke nicht beschwert ist, so hoch steht, daß er die Öffnung ii in der Röhre ff vollständig schließt und damit den Austritt des Gases in die Röhren g und h völlig hindert. Je nach der Belastung der Glocke entfernt er sich mehr oder weniger aus der Öffnung i und läßt einen breitern oder schmälern Ring offen. Nach Maßgabe lokaler Verhältnisse gibt man in den Gasanstalten einen Druck von 2,5–5 cm Wassersäule und reguliert denselben nach dem im Lauf des Tags schwankenden Konsum. Abhängig ist der zu gebende Druck aber auch von der Beschaffenheit der Röhrenleitung. Jede Steigung derselben um 3 m entspricht einer Druckzunahme von 2,5 mm Wassersäule und umgekehrt, und weitere Hauptröhren machen einen geringern Druck erforderlich als engere.
Zur Leitung benutzt man gußeiserne Röhren, seltener solche aus geteerter Pappe, Zement-, Thon-, Glas-, Asphaltröhren. Zur Dichtung der Röhrenverbindungen dienen geschmolzenes Blei oder Gummiringe. Im allgemeinen gibt man den Röhren eine Steigung von 0,5–1 : 100; wo man aber des Terrains halber von dieser Regel abweichen muß, bringt man an der tiefsten Stelle jedes abfallenden Röhrenstranges zur Ansammlung der sich durch nachträgliche Kondensation im Innern der Röhren noch bildenden Flüssigkeiten (meist Wasser) einen Syphon oder Wassertopf an, aus welchem man die Flüssigkeit von Zeit zu Zeit auspumpt. Der Gesamtdruckverlust, welchen das Gas von der Anstalt bis zu den Brennern der Konsumenten erleidet, beträgt im günstigsten Fall 5–8 mm Wassersäule. Da das Gas leichter ist als atmosphärische Luft, so hat es das Bestreben, aufzusteigen; man legt deshalb die Gasanstalten gern am niedrigsten Punkte des Terrains an und beobachtet, daß die Flammen in den höher gelegenen Stadtteilen besser brennen als in den niedrigern Lagen. Der Gasverlust durch Leckage beträgt auch bei gut ausgeführter Leitung etwa 5–7 Proz. der Jahresproduktion und erreicht bisweilen 15 Proz. und mehr.
Holz liefert bei der Verkohlungstemperatur wesentlich nur Kohlenoxyd, Kohlensäure und Methan; um nun ein mit leuchtender Flamme verbrennendes Gas zu erhalten, muß man die aus dem Holz sich entwickelnden Teerdämpfe stärker erhitzen, damit sie in Gase zerlegt werden, welche mit leuchtender Flamme brennen. Man destilliert deshalb Holz aus sehr weiten Retorten mit kleiner Beschickung, so daß die heißen Retortenwände in der angedeuteten Weise wirken können. Die Destillationstemperatur liegt zwischen 700 und 850°. Die Ausbeute schwankt zwischen verschiedenen Hölzern ebenso sehr wie bei derselben Holzart. Feuchtigkeit vermehrt durch Einwirkung des Wasserdampfes auf die glühenden Kohlen den Gehalt des Gases an Kohlenoxyd und Wasserstoff, und das Holz muß daher vor dem Gebrauch gut getrocknet werden. 1 Zentner trocknes Holz liefert in 1,5–2 Stunden 18–21 cbm Gas, 8–10 kg Kohlen, 1 kg Teer und 10–13,5 kg Holzessig. Das Gas ist frei von Ammoniak und Schwefelverbindungen, aber sehr reich an Kohlensäure und bedarf daher zur Reinigung viel Kalk; es ist schwerer als Steinkohlengas. Torfgas wird ähnlich wie Holzgas dargestellt; 1 Ztr. Torf gibt 11–15 cbm Gas, 12,5–15 kg Kohle, 1,5 bis 2,5 kg Teer und 8–14 kg Ammoniakwasser. Das rohe Gas ist ungemein reich an Kohlensäure und enthält auch Schwefelwasserstoff und Ammoniak. Braunkohlen liefern geringwertiges Gas. Aus Öl und starren Fetten erhält man große Mengen vortrefflichen Gases, welches keiner Reinigung bedarf und stärkere Leuchtkraft besitzt als Kohlengas. 1 Ztr. Samenöl liefert 70–80 cbm Gas. Die Ölgasfabrikation eignet sich trefflich für kleine Anlagen, wird aber ihrer Kostspieligkeit halber nur für bestimmte Zwecke ausgeführt. Dagegen verarbeitet man häufiger Fettabfälle aus Schlachthäusern und die seifehaltigen Waschwässer der Streich- und Kammgarnfabriken und der Seidenentschälung auf L., indem man sie mit Kalkmilch mischt, den Bodensatz (suinter) sammelt, in Ziegel streicht, trocknet und in Retorten vergast. 1 kg Suinter gibt 210 Lit. Gas. Das Gas braucht nicht gereinigt zu werden und besitzt eine dreimal stärkere Leuchtkraft als Steinkohlengas. Man benutzt Ölgas im komprimierten Zustand zur Beleuchtung von Eisen- und Pferdebahnwagen, Seezeichen etc. Schieferöl, Petroleum und die Rückstände von der Rektifikation des Petroleums, in Paraffin- und Mineralölfabriken abfallendes Paraffinöl liefern vortreffliches Gas. Das Paraffinöl liefert 30 cbm, Petroleum 49 cbm aus 1 Ztr. Aus Petroleumrückständen erhält man namentlich ein sehr leuchtkräftiges Gas, welches in einem höchst kompendiösen Apparat leicht für einzelne Häuser oder Etablissements dargestellt werden kann. Wassergas wird dargestellt, indem man eiserne oder thönerne Retorten mit Holzkohle oder Koks füllt und über diese glühenden Materialien Wasserdampf leitet. Hierbei entsteht ein Gasgemisch aus Kohlenoxyd, Wasserstoff, Kohlensäure und wenig Methan. Dasselbe brennt nach Beseitigung der Kohlensäure mit wenig leuchtender Flamme; doch wird letztere stark leuchtend, wenn man z. B. den Argandbrenner mit einem Netzwerk von mäßig feinem Platindraht umgibt, welcher in der Flamme weißglühend wird (Platingas). Bei dem Auerschen Gasglühlicht wird die Flamme von Wassergas oder von mit Luft gemischtem L. (Bunsenscher Brenner, s. Heizung, S. 339) auf ein engmaschiges Netz von Fäden geleitet, die wesentlich aus den Oxyden von Cer, Lanthan, Didym etc. bestehen. Man erhält das Netz durch Veraschen eines mit den Nitraten der genannten Metalle getränkten Baumwolldochtes und hängt es mittels eines Platindrahts über der Gasflamme auf. Das weißglühende Netz strahlt ein Licht aus, welches an Farbe und Glanz dem elektrischen ähnlich ist, der Gaskonsum ist geringer als bei gewöhnlichem Brenner; aber das Netz ist gegen Staub empfindlich, und der Gasdruck muß größer sein als gewöhnlich. [736] Beim Fanejelmbrenner strömt die Wassergasflamme auf porzellanhart gebrannte Magnesiacylinder. Eine nicht leuchtende Gasflamme wird auch leuchtend, wenn man das Gas mit Dämpfen sehr flüchtiger Kohlenwasserstoffe imprägniert. Schwach leuchtendes Kohlengas kann durch solche Karburation (Karbonisation) wesentlich verbessert werden. Dies geschieht in verschiedener Weise. Man leitet z. B. bei dem Whiteschen oder Hydrokarbonprozeß Wassergas mit Wasserdampf durch eine Retorte, in welcher aus Kannel- oder Bogheadkohle ein sehr leuchtkräftiges Gas dargestellt wird. Das Wassergas führt hierbei die leuchtenden schweren Kohlenwasserstoffe schnell aus der Glühhitze fort, so daß sie sich weniger zersetzen, und der Wasserdampf gibt zur Bildung von Wasserstoff Veranlassung, welcher die Temperatur und damit die Leuchtkraft der Flamme erhöht. Man kann auch das Gas am Konsumtionsort durch ein Gefäß leiten, welches sehr flüchtiges Mineralöl (Benzin, Ligroin) oder erwärmtes Naphthalin (Albokarbonlampe) enthält. Das Gas reißt von diesen Körpern so viel Dampf mit fort, daß es mit leuchtender Flamme verbrennt. Selbst atmosphärische Luft kann man mit Dämpfen flüchtigster Öle imprägnieren und derartiges Luftgas sogar in eigentümlich konstruierten Lampen direkt für den Gebrauch bereiten. Bei geringwertigem L. kann die Leuchtkraft durch Karburation auf das Dreifache gesteigert werden. Es ist aber nicht gelungen, die Karburation im großen auszuführen, weil sich die von dem Gas aufgenommenen Dämpfe in der Röhrenleitung stets wieder kondensieren. Das karburierte Gas hat man zur Erzielung größerer Leuchtkraft mit reinem Sauerstoffgas verbrannt (Sauerstoffbeleuchtung, Karboxygenlicht); doch führten die Versuche nicht zu ökonomisch günstigen Resultaten. Philipps hat eine Lampe konstruiert, auf welcher die Sauerstoffbeleuchtung mit Dämpfen aus einer kohlenstoffreichen Flüssigkeit (Lösung von Naphthalin in Petroleum) billiger u. bequemer ausgeführt werden kann.
Steinkohlengas ist farblos, von eigentümlichem Geruch; spez. Gew. 0,44–0,62, je nach der Beschaffenheit der Kohle und der Temperatur, bei welcher es dargestellt wurde. Es besteht aus gas- und dampfförmigen schweren Kohlenwasserstoffen (hauptsächlich Äthylen), welche mit den Dämpfen flüssiger Kohlenwasserstoffe, wie Benzol, die Leuchtkraft der Flamme bedingen, leichten Kohlenwasserstoffen (Methan), Kohlenoxyd und Wasserstoff, welch letztere drei Gase mit nicht leuchtender Flamme brennen. Als Verunreinigungen finden sich Kohlensäure, Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Schwefelkohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Wasserdampf etc. Der eigentümliche Geruch rührt von Phenylsenföl her. Quantitative Zusammensetzung verschiedener Leuchtgase:
Gasarten | Kohlenwasserstoffgas | Kohlenoxyd | Wasserstoff | Kohlensäure | Stickstoff | |
schweres | leichtes | |||||
Holzgas, rohes | 7,93 | 25,32 | 28,21 | 13,53 | 25,01 | – |
„ gereinigtes | 10,57 | 33,76 | 37,62 | 18,05 | – | – |
Torfgas | 9,52 | 42,65 | 20,33 | 27,50 | – | – |
L. aus Newcastlekohle | 9,68 | 41,38 | 15,64 | 33,30 | – | – |
Heidelberg. Kohlengas | 7,27 | 38,40 | 5,73 | 44,00 | 0,37 | 4,23 |
Bonner Kohlengas | 4,75 | 43,12 | 4,66 | 39,80 | 3,02 | 4,65 |
Chemnitzer Kohlengas | 4,91 | 36,45 | 4,15 | 51,29 | 1,08 | 1,41 |
Lesmahagow | 16,31 | 42,01 | 14,18 | 26,84 | 0,66 | – |
Boghead | 24,50 | 58,38 | 6,58 | 10,54 | – | – |
Petroleumgas | 31,60 | 45,70 | – | 32,70 | – | – |
Paraffinölgas | 28,29 | 54,92 | 8,94 | 5,65 | 0,82 | – |
L. erfordert zur Entzündung nur helle Rotglut, eine viel niedrigere Temperatur als Grubengas, weshalb die Sicherheitslampe, um in L. sicher zu sein, mit einem sehr dichten Drahtnetz versehen werden muß. Die Explosionsfähigkeit des Leuchtgases beginnt bei einer Mischung von 1 Volumen Gas auf 13–16 Vol. Luft, hört auf bei 4 Vol. Luft auf 1 Vol. Gas und ist am stärksten bei 1 Vol. auf 10 bis 12 Vol. Luft. Ein Gemisch von 1 Vol. L. und 4 Vol. Luft verbrennt ruhig, mit 5 Vol. Luft schnell, aber ohne Knall, mit 6–10 Vol. Luft bereits mit starker Detonation. Eine Beimischung von wenig Luft zum L. zerstört die Leuchtkraft desselben. Das lufthaltige Gas brennt mit blauer, nicht rußender Flamme wie Spiritus. L. wirkt unter Umständen giftig auf Pflanzen und Tiere, wozu wohl in erster Linie das Kohlenoxyd und die Dämpfe der Teerbestandteile beitragen. Eine Beimischung von 3 Proz. L. zur Zimmerluft soll einen Menschen töten können, doch ist schon 1/10,000 durch den Geruch erkennbar. Im Boden wirken die im L. enthaltenen Dämpfe schädlich auf die Wurzeln, namentlich im Winter, wo das Gas schwieriger aus dem Boden entweichen und weniger Sauerstoff zutreten kann; nach andern Erfahrungen besonders in der Wachstumsperiode. Eine Ausströmung von nur 0,772 cbm pro Tag, auf 17,8 qm Boden verteilt, tötet die Wurzelspitzen der Bäume jeder Art in kurzer Zeit. Reines L. verbrennt zu Kohlensäure und Wasser, enthält es aber Schwefelwasserstoff (färbt es Bleizuckerpapier braun), so verbrennt dieser zu schwefliger Säure, ein Ammoniakgehalt (erkennbar durch die Nebel, welche derselbe an einem mit verdünnter Salzsäure befeuchteten Glasstab hervorbringt) liefert salpetrige Säure, und deshalb ist die sorgfältigste Reinigung des Leuchtgases erforderlich, wenn es in geschlossenen Räumen nicht schädlich wirken soll.
Am Konsumtionsort wird das dem Konsumenten zugeführte Gas durch die Gasuhr (Gasmesser) gemessen. Die trocknen Gasuhren beruhen im wesentlichen auf der von Defries angegebenen Konstruktion, bei welcher sich zwei Lederbälge abwechselnd füllen und entleeren und die dadurch hervorgebrachte Bewegung auf ein Zählwerk übertragen wird, welches die Menge des hindurchgegangenen Gases nachweist. Diese Apparate, welche z. B. in Amerika ganz allgemein, auch in England häufig angewendet werden, haben mit großen Schwierigkeiten hinsichtlich eines geeigneten Materials für die Meßkammern zu kämpfen, während sie im übrigen den nassen Gasuhren vorzuziehen sind. Letztere bestehen aus einem cylindrischen Gehäuse, in welchem eine auf einer Welle befestige vierkammerige Trommel, die reichlich bis zur Hälfte im Wasser (um das Einfrieren zu verhüten, mit Glycerin oder Spiritus vermischt) liegt, unter dem Druck des Gases und der durch denselben zu gleicher Zeit bedingten ungleichen Wasserstände der Gas aufnehmenden und Gas abgebenden Trommelabteilungen sich dreht, wobei die Achse der Trommel eine Zählvorrichtung in Bewegung setzt, um die Zahl der Trommelumgänge, somit das durchgegangene Gas nach Kubikfuß zu zählen. Der richtige Gang der Gasuhr hängt zunächst von der richtigen Normierung des Wasserstandes ab, und diesen überwachen besondere Vorrichtungen, die beim starken Sinken sowohl als beim Steigen des Wassers infolge des Verdunstens, resp. Eintretens von Kondensationswasser aus der Leitung die Ausströmungsöffnung verschließen. Da aber außerdem durch mancherlei Zufälligkeiten Störungen im Gang der Gasuhr eintreten können, [737] welche dem Gaswerk nachteilig werden, so bleibt diesem nichts übrig, als die Gasuhren genau beaufsichtigen zu lassen.
Die Leuchtkraft der Gasflamme ist in erster Linie abhängig von der Gegenwart der schweren Kohlenwasserstoffe, welche, wie man annimmt, bei der hohen Temperatur der Flamme sich zersetzen, wobei Kohlenstoff in feiner Verteilung ausgeschieden u. weißglühend wird. Die Leuchtkraft ist ferner abhängig von dem Verhältnis der mit nichtleuchtender Flamme verbrennenden Gase, von denen namentlich Wasserstoff und Methan mit sehr hohem Wärmeeffekt verbrennen, also den Kohlenstoff in stärkstes Glühen versetzen. Die Leuchtkraft ist endlich (abgesehen von den Verunreinigungen, welche teils verdünnend, teils direkt Leuchtkraft vernichtend wirken) abhängig von angemessener Zuführung von Luft zur Flamme. Bei mangelndem Luftzutritt entweichen halbverbrannte Kohlenwasserstoffe, gemischt mit Ruß, während es bei Überschuß von Luft gar nicht zur Ausscheidung des Kohlenstoffs kommt. Die Menge des aus einem Brenner ausströmenden Gases hängt ab von der Größe der Ausströmungsöffnung, dem spezifischen Gewicht des Gases und dem Druck, unter welchem es steht. Das spezifische Gewicht des Gases pflegt nur in engen Grenzen zu schwanken, aber der Druck kann in den einzelnen Stadtteilen sehr verschieden ausfallen. Nun wächst mit dem Druck die Geschwindigkeit des ausströmenden Gases, und infolge davon wird der Flamme reichlicher und zu reichlich Luft zugeführt. Um letzteres zu vermeiden, zieht man im allgemeinen weite Brenneröffnungen und schwachen Druck von 11–13 mm Wassersäule vor und sucht die Druckschwankungen durch zweckmäßiges weiteres oder geringeres Öffnen des Haupthahns auszugleichen; vorteilhafter aber bringt man hinter der Gasuhr kleine Regulatoren an, welche das Gas auf konstanter Druckhöhe erhalten. Bisweilen benutzt man zur Erreichung desselben Zweckes an Loch- und Schnittbrennern auch Vorkehrungen (Sparbrenner), welche den Gasdruck vermindern und das Gas mit verminderter Geschwindigkeit an der Austrittsöffnung zur Verbrennung bringen. Diese Vorrichtungen sind für höhern und ungleichen Druck und namentlich dann empfehlenswert, wenn man, wie in Fabriken, nicht gut jeder einzelnen Person die Regulierung einer Flamme überlassen kann. Sie bestehen vielfach aus einer Vorkammer, in welche das Gas aus einer engern als der Brenneröffnung zunächst eintritt, oder welche man mit Baumwolle, Schrot, zusammengewickeltem Eisendraht etc. gefüllt hat. Übrigens wird mit diesen Sparbrennern hinsichtlich der zu erreichenden Ersparnis viel Charlatanerie getrieben. Die Brenner, aus Eisen, Porzellan oder Speckstein gefertigt, haben den Zweck, der Flamme eine bestimmte Form zu geben, weil das in kompaktem Strom aus einer gewöhnlichen Röhrenmündung ausströmende Gas bei seiner Verbrennung nicht genügende Luftzufuhr erhalten und daher eine trübe, rußende Flamme geben würde. Auch der einfachste Brenner, mit nur einer 0,65–0,87 mm weiten Öffnung in der Kopfplatte (Einloch- oder Strahlbrenner), liefert in seiner strahlförmigen Flamme ebensowenig den höchsten Effekt wie der Dreilochbrenner mit drei in divergierenden Richtungen gebohrten Löchern. Der Fledermaus-, Schnitt- oder Schlitzbrenner, bei welchem das Gas aus einem feinen, senkrechten Schlitz von etwa 0,5 mm Dicke ausströmt, gibt eine flache, mehr breite als hohe, abgeplattete Flamme, welche bei gleichem Inhalt mit der vorigen eine weit größere Oberfläche hat. Hierher gehört der Hohlkopfbrenner mit beinahe kreisrunder Flamme und bei gleichem Konsum bedeutend höherm Lichteffekt. Eine vorteilhafte Kombination von zwei Schnittbrennern mit engern Schnitten als gewöhnlich und unter einem Winkel gegeneinander tretenden Flammen bildet der Zwillingsbrenner. Der Fischschwanz-, Zweiloch-, Loch-, Manchester-Brenner besitzt zwei unter einem Winkel von 90–100° gegeneinander geneigte Öffnungen, so daß die aus beiden ausströmenden Gasstrahlen eine einzige flache, fischschwanzähnliche Flamme geben, deren Ebene senkrecht auf der Ebene der Öffnungen steht. Die Rund- oder Argand-Brenner enthalten auf der ringförmigen Deckplatte eines gewöhnlichen Argand-Brenners 15–40 Löcher so nahe nebeneinander, daß die aus den einzelnen Öffnungen hervortretenden Flammenstrahlen zu einer einzigen röhrenförmigen Flamme, bei Websters Brenner zu einer pilzförmigen Flamme sich vereinigen. Dumas’ Brenner besitzt statt der Löcher einen feinen ringförmigen Schlitz und kann deshalb leichter auseinander genommen und gereinigt werden. Alle andern Brenner können ohne Zugglas benutzt werden;
Siemens’ Automatbrenner. | |
nur beim Argand-Brenner ist dies unentbehrlich, damit hinreichend Luft in die innere Flammenröhre gelangt. Für Straßenbeleuchtung benutzt man am besten Fledermausbrenner, welche bei 0,139–0,17 cbm Konsum pro Stunde und 11,77 bis 13,08 mm Druck den größten Nutzeffekt geben. Für Privatbeleuchtung dienen Fischschwanzbrenner mit einem Konsum von 0,108–0,139 cbm pro Stunde bei 12,42–13,73 mm Druck und Argand-Brenner mit 12–16 Löchern von 0,81 mm Weite bei 4,36 mm gegenseitiger Entfernung mit einem Verbrauch von 0,124–0,154 cbm und 7,84 bis 20,92 mm Druck. Brenner mit 20–32 Löchern konsumieren stündlich bis 0,247 cbm.
Die Leuchtkraft der Leuchtgasflamme wird bedeutend erhöht, wenn man die zuströmende Luft erwärmt. Dies kann durch Anbringung eines zweiten Cylinders geschehen, der bis unter den Brenner hinabreicht. Die zwischen beiden Cylindern abwärts strömende und stark erhitzte Luft wird dem Brenner zugeführt, kann aber auch zuvor noch das Gasleitungsrohr erwärmen. Unter solchen Umständen erhält man aus einem bestimmten Gasquantum 50–60 Proz. mehr Licht als bei gewöhnlichen Brennern. Besonders ausgebildet ist die Vorwärmung von Gas und Luft in dem Siemensschen Regenerativgasbrenner, welcher eine Lichtstärke von 800–900 Kerzen entwickelt und ein so weißes Licht gibt, daß die gewöhnlichen Leuchtgasflammen neben ihm trübe und rötlich erscheinen. Er verbraucht 1440 Lit. Gas pro Stunde und gibt ohne Regeneration denselben Effekt, als wenn das Gas in einem gewöhnlichen Brenner verbrannt würde. Bei Einfügung der Regeneration (Erhitzung von Luft und Gas) steigert sich die Lichtstärke ohne Zunahme des Gasverbrauchs sehr schnell auf das Dreifache. Siemens’ Automatbrenner, welcher das Licht unmittelbar nach unten wirft und bei einem Verbrauch von 600 Lit. pro Stunde eine Lichtstärke von 120 Kerzen entwickelt, besitzt folgende Einrichtung (s. obige Figur). [738] Das Gas tritt aus den Leitungsröhren von obenher in die flache Gaskammer G, aus deren innerm obern Rand es durch eine Reihe im Kreis angeordneter feiner Löcher ausströmt. Die Flamme bildet einen Kranz von feinen Strahlen, die unterhalb des in seinem obern Teil kegelförmigen Porzellankörpers P nach oben und innen konvergieren und um dessen obere Mündung herumbiegen. Die Verbrennungsgase streichen von da erst abwärts, biegen dann nach oben um und entweichen durch das Abzugsrohr R. Auf diesem Weg erhitzen sie das Gehäuse G′ und die Gaskammer sehr bedeutend und folglich auch die zwischen G und G′ sowie unterhalb G zuströmende Verbrennungsluft. Durch den Porzellankegel und die unterseits weiß gestrichene Gaskammer wird das Licht nach unten reflektiert. Zu den Regenerativlampen gehört auch die Wenham-Lampe, welche auf je 100 Lit. stündlichen Gaskonsum eine Lichtstärke von 31–35 Kerzen entwickeln soll.
Zur Erleichterung des Anzündens vieler Gasflammen verbindet man die Brenner durch Schießbaumwollfäden, oder man bringt an den einzelnen Brennern hydrostatisch-galvanische Apparate an, welche so eingerichtet sind, daß durch den abends in der Röhrenleitung wachsenden Gasdruck eine erregende Flüssigkeit in ein kleines Kohlenzinkelement getrieben wird und infolgedessen ein über der Brenneröffnung angebrachter Platindraht ins Glühen gerät und das Gas entzündet. Einen ähnlichen Handzünder muß man beim Gebrauch neigen, damit die Flüssigkeit ins Element tritt, und bei der Gaszündmaschine für Kontore etc. wird durch den Druck auf einen Knopf ein Zinkblock in die erregende Flüssigkeit eingetaucht, in welcher sich beständig eine Kohlenplatte befindet. Alle diese Apparate bedürfen noch der Vereinfachung in der Konstruktion, um in allgemeinen Gebrauch genommen werden zu können. Häufig benutzt man zum Anzünden kleinere, beständig brennende Nebenflammen, welche zur bestimmten Zeit durch Öffnen eines mit einem Uhrwerk verbundenen Hahns vergrößert werden unter Benutzung der Differenz zwischen Tag- und Nachtdruck. – Das L. wird in großem Maßstab auch zur Heizung, ferner in der Gaskraftmaschine (s. d.) als Motor, zum Füllen des Luftballons, zur Darstellung von Drummondschem Licht, Knallgasgebläse, chemischen Präparaten etc. benutzt. Man hat auch vorgeschlagen, dem L. das Äthylen zu entziehen und dieses in Spiritus zu verwandeln oder die Benzoldämpfe des Gases zu kondensieren, um das Benzol für die Anilinindustrie zu verwerten und die durch diese Operation geschwächte Leuchtkraft des Gases durch Einführung von Petroleumätherdämpfen wieder zu heben. – Eine sehr große Bedeutung besitzen die Nebenprodukte der Gasanstalten, von denen der Teer die mannigfachsten Produkte liefert und das Rohmaterial für viele Industriezweige bildet. Aus dem Ammoniakwasser gewinnt man Ammoniak und Ammoniaksalze (20 hl liefern mindestens 100 kg schwefelsaures Ammoniak), die Koks bilden ein wichtiges Brennmaterial, den Retortengraphit benutzt man zu galvanischen Apparaten, und selbst der Kalk und die Lamingsche Masse aus den Reinigungsapparaten, letztere nach oft wiederholter Regeneration, werden verwertet.
Die Erfindung der Gasbeleuchtung ist jüngsten Datums. Zwar hatte schon Becher im 17. Jahrh. Steinkohlen der trocknen Destillation unterworfen und das dabei sich entwickelnde Gas entzündet (philosophisches Licht); aber die Sache blieb ohne praktische Bedeutung, auch noch als Lord Dundonald 1786 das aus Koksöfen entweichende Gas zur Beleuchtung seines Landhauses benutzte und Professor Pickel in Würzburg in demselben Jahr sein Laboratorium mit aus Knochenfett erhaltenem Gas beleuchtete. Lebon verkohlte seit 1786 Holz in verschlossenen Gefäßen und benutzte seinen Apparat, den er Thermolampe nannte, zur Heizung und Beleuchtung. Er scheiterte an der übertriebenen Vielseitigkeit seiner Projekte, während Murdoch 1792 sein Haus und seine Werkstätte zu Redruth in Cornwall mit Steinkohlengas beleuchtete, das Gas 1798 in den Fabrikgebäuden von Boulton u. Watt in Soho einführte und 1804 und 1805 auch die Errichtung eines Apparats, welcher 3000 Lichtflammen ersetzen sollte, in einer Baumwollspinnerei in Manchester leitete. Ein Amerikaner, Henfrey, hatte schon 1801 einen großen Saal in Baltimore mit Gas aus Lignit beleuchtet, und in der Folge verbreitete sich die Gasbeleuchtung in Amerika viel schneller als in Europa. Hier gewann dieselbe erst größern Aufschwung durch Winzer aus Znaim in Mähren, welcher in England eine Aktiengesellschaft gründete, dieser 1810 vom Parlament ein Privilegium verschaffte, Murdochs Schüler, Samuel Clegg, der für die Entwickelung der Gasindustrie in der Folge Außerordentliches leistete, für seine Projekte gewann und 1814 die Straßenbeleuchtung in London eröffnete. Auch in Frankreich gab Winzer die Anregung zur Einführung des Leuchtgases. In Deutschland erleuchtete Lampadius 1811 einen Teil von Freiberg, 1816 die dortigen Amalgamierwerke mit Gas; Prechtl machte ähnliche Versuche 1817 u. 1818 in Wien, allein ohne dauernden Erfolg. Dauernd wurde die Straßenbeleuchtung durch die Imperial-Continental-Gas-Association 1825 in Hannover und 1826 in Berlin eingeführt. Zwei Jahre später folgten Dresden und Frankfurt a. M., 1838 Leipzig. Alle diese Anstalten benutzten als Rohmaterial Steinkohle, welche noch jetzt vorherrschend angewandt wird. 1848 lehrte Pettenkofer die Darstellung des Holzgases. Die zur Leuchtgasfabrikation benutzten Apparate wurden großenteils von Clegg angegeben; er führte 1806 die Kalkreinigung ein und konstruirte 1815 die Gasuhr. 1835 empfahl Houzeau-Muiron die Reinigung mit Eisenvitriol und Philipps die Anwendung des Eisenoxyds, 1847 Laming die nach ihm benannte Mischung. 1862 wurden in Deutschland nahezu 300 Gasanstalten nachgewiesen, 1868 war die Zahl der deutschen Gasstädte auf 530 angewachsen, und man zählte außerdem 31 deutsch-österreichische, 37 schweizerische und 14 andre ausländische, mit deutschem Kapital gegründete Anstalten, von welchen 581 Steinkohle verarbeiteten. Für einzelne Bahnhöfe, Fabriken etc. waren 150 Gasanstalten im Betrieb. Die deutschen und die 31 deutsch-österreichischen Anstalten verarbeiteten ca. 16 Mill. Ztr. Rohmaterial und erzeugten 7380 Mill. Kubikfuß Gas, welches etwa 2,166,000 Privat- und 129,500 öffentliche Flammen speiste. Die Röhrenleitung, exkl. der Ableitungen nach den Häusern, war 22 Mill. Fuß lang. London allein verarbeitete 1870 in seinen 13 Gasanstalten über 241/2 Mill. Ztr. Kohlen, und der Gaskonsum betrug ca. 10,622 Mill. Kubikfuß (Paris etwa die Hälfte, Berlin 1201 Mill. Kubikfuß). 1885 besaß Deutschland 1257 Gasanstalten (Preußen 742, Bayern 117, Sachsen 139, Württemberg 61, Baden 39, Elsaß-Lothringen 38, Hessen und Mecklenburg-Schwerin je 22, Braunschweig 12) und zwar 338 Kommunalanstalten, 329 Privatanstalten für Kommunen und 590 Privatanstalten für gewerbliche und andre Unternehmungen. 279 Kommunalanstalten produzierten 325 Mill., 287 Privatanstalten für Kommunen 152,4 Mill. cbm L., [739] von 285 Kommunalanstalten verwendeten 154 nur deutsche, 41 nur englische, 79 deutsche und fremde Kohle, von 296 Privatanstalten für Kommunen 203 nur deutsche, 22 nur englische, 48 deutsche und fremde Kohle. Vgl. Schilling, Handbuch für Steinkohlengasbeleuchtung (3. Aufl., Münch. 1878); Jahn, Die Gasbeleuchtung (Leipz. 1862); Tieftrunk, Die Gasbeleuchtung (Stuttg. 1874); Ilgen, Gasindustrie der Gegenwart (Leipz. 1873); Reissig, Handbuch der Holz- und Torfgasbeleuchtung (Münch. 1863); Salomons, Praktische Winke für Gaskonsumenten (3. Aufl., Mainz 1885); Muchall, ABC der Gaskonsumenten (3. Aufl., Wiesb. 1886); Winkler, Apparat zur technisch-chemischen Gasanalyse (Leipz. 1872); Derselbe, Anleitung zur chemischen Untersuchung der Industriegase (Freiberg 1876); Derselbe, Lehrbuch der technischen Gasanalyse (das. 1884); Schaar, Fortschritte in der Konstruktion der Apparate für die Gasfabrikation (Halle 1884); Schilling, Statistische Mitteilungen über die Gasanstalten Deutschlands etc. (4. Aufl. von Diehl, Münch. 1886); „Journal für Gasbeleuchtung“, herausgegeben von Schilling (das., seit 1858); „Journal d’Éclairage“ und „Gaz“ (Par.); „Journal of Gaslighting“ (Lond.); Schreiber, Das Heizen und Kochen mit Gas (2. Aufl., Weim. 1861); Wobbe, Verwendung des Gases zum Kochen, Heizen und in der Industrie (Münch. 1885); Ramdohr, Das L. als Heizstoff in Küche und Haus (Halle 1887).
[526] Leuchtgas enthält als Verunreinigungen Schwefelverbindungen (neben Schwefelwasserstoff und Schwefelkohlenstoff meist organische Substanzen), Ammoniak, Kohlensäure und Cyanverbindungen. Schwefelwasserstoff erkennt man an der Bräunung oder Schwärzung von Bleizuckerlösung, durch welche man L. leitet. Man bestimmt seine Menge, indem man L. durch ammoniakalische Silberlösung leitet, den Niederschlag auswäscht, mit verdünnter Salzsäure übergießt, mit Ammoniak auswäscht, trocknet und in Wasserstoff glüht. Zur Nachweisung und Bestimmung des Schwefelkohlenstoffs leitet man das getrocknete Gas durch Natronlauge, auf welcher ätherische Lösung von Triäthylphosphin schwimmt. Der Schwefelkohlenstoff bildet morgenrote Prismen der Verbindung (C2H5)3PCS2. Zur Bestimmung des Gesamtschwefelgehalts leitet man das L., mit 8–10 Teilen Luft gemischt, durch ein glühendes Platinrohr, welches in dem einen Teil Platinschwamm enthält. Letzterer verbrennt allen Schwefel zu Schwefelsäure, welche von dem im andern Teil des Platinrohrs befindlichen Kaliumcarbonat absorbiert wird. Ammoniak läßt man durch sehr verdünnte Schwefelsäure absorbieren und titriert den Überschuß der angewandten Säure mit Alkali. Zur Bestimmung der Kohlensäure benutzt man eine Literflasche, in deren drei Hälse eingeschliffen sind: ein Hahn mit Zuleitungsrohr, ein Hahn mit Bürette und ein Hahn mit Manometer. Man füllt das Gefäß mit L., schließt die drei Hähne, [527] öffnet auf einen Augenblick den Zuleitungshahn, dann den Manometerhahn und überzeugt sich, daß die Flüssigkeit in beiden Manometerschenkeln gleich hoch steht. Dann läßt man aus der Bürette vorsichtig Kalilauge eintropfen, und wenn sich der anfangs entstehende Überdruck in Unterdruck verwandelt hat, läßt man so lange Kalilauge zufließen, bis Gleichgewicht hergestellt ist. Die absorbierte Kohlensäure ist dann durch ein gleiches Volumen Kalilauge ersetzt, welches man an der Bürette ablesen kann. Zur Nachweisung von Cyan leitet man das Gas durch starke Natronlauge und versetzt diese mit neutralisierter Pikrinsäure. Eine tief dunkelrote Färbung zeigt Cyan an. Zur Bestimmung des spezifischen Gewichts benutzt man einen Apparat, welcher auf dem Prinzip beruht, daß die spezifischen Gewichte zweier Gase, welche durch eine enge Öffnung in einer Platte ausströmen, sich wie die Quadrate der Ausströmungszeiten verhalten. Die Leuchtkraft des Gases wird photometrisch bestimmt.
Die Arbeit in den Gasanstalten ist mit mancherlei Gefahren verknüpft, im allgemeinen aber nicht besonders schädlich. Grelle Temperaturwechsel verursachen Rheumatismen, Bronchialkatarrhe etc., Kohlenstaub erzeugt Kohlenlunge, und bei der Arbeit an den Reinigungskasten leiden die Arbeiter ebenfalls durch den Staub und bekommen oft Augenentzündungen. Bisweilen treten Kohlenoxydvergiftungen auf, meist sind dieselben aber auf grobe Unvorsichtigkeiten zurückzuführen. Beim Ablöschen der Koks entwickelt sich Schwefelwasserstoff, welcher nicht nur den Arbeitern gefährlich wird, sondern auch die Umgegend belästigt (mit bleihaltiger Ölfarbe gestrichene Häuser werden schwarz), und bei Regeneration der Neinigungsmasse entwickeln sich giftige Gase. Dagegen besteht die am meisten gefürchtete Explosionsgefahr durchaus nicht in dem eingebildeten Grad, und namentlich sind die Gasometer ungefährlich. Die Nachbarschaft wird hauptsächlich durch den Rauch und die mancherlei übeln Gerüche, welche die Gasanstalten erzeugen, belästigt und zum Teil gefährdet. Es ist dringend zu fordern, daß bei der Regenerierung der Reinigungsmasse, dem Ablöschen der Koks, dem Reinigen der Steigeröhren wirksame Vorbeugungsmaßregeln zur Anwendung gebracht werden. Namentlich auch ist die Verunreinigung des Bodens und der Wasserläufe durch Abwässer und Abfälle der Gasanstalten zu verhindern. Undichtigkeiten der Sohle der Gasometer und der Becken, in welchen Abfälle aus den Reinigungsapparaten aufbewahrt werden, geben besonders Veranlassung zu Bodenverunreinigungen, welche sich bisweilen durch Absterben von Bäumen in Entfernungen von 300 m zu erkennen geben. Sehr beachtenswert sind Undichtigkeiten der Leitungen, da von solchen schadhaften Stellen aus das Gas durch Ansaugung in die Wohnungen gelangen kann. Dies Ansaugen geschieht auf weite Entfernungen und ist um so gefährlicher, als das Gas auf seinem Weg durch den Boden die riechenden Bestandteile verliert, so daß es in der Wohnung nicht bemerkt wird. Die Beschädigung der Vegetation durch L. im Boden ist direkt nachgewiesen worden. Es ist daher vorgeschlagen worden, die Leitungen nicht direkt in den Boden, sondern in weite, ventilierbare Kanäle zu legen, eine Einrichtung, die sich bereits mehrfach gut bewährt hat. Die Gasanstalten gehören zu den konzessionspflichtigen Anlagen. Die Erteilung der Genehmigung ist durch Gesetz vom 26. Juli 1876 dem Bezirksrat überwiesen.