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MKL1888:Leichenvergiftung

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Leichenvergiftung“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Leichenvergiftung“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 10 (1888), Seite 651
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Leichenvergiftung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 651. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Leichenvergiftung (Version vom 25.04.2022)

[651] Leichenvergiftung (Leicheninfektion). Im Leichnam des Menschen und der Tiere treten sofort nach dem Tod chemische Prozesse ein, welche zunächst die Säfte und Weichteile betreffen und sich im allgemeinen als Fäulnis charakterisieren. Es werden dabei eigentümliche, erst zum Teil als Ptomaine erkannte Substanzen gebildet, die, wenn sie auch nur in geringer Menge durch eine kleine Verletzung oder Wunde der Haut in die Körpersäfte gelangen, daselbst örtliche und allgemeine Entzündungen erregen. Es ist in hohem Grad wahrscheinlich, daß höchstens in den leichtern Fällen, bei denen umschriebene Entzündungen der Haut, Pusteln, Knoten oder Furunkeln entstehen, ein chemisches Gift allein wirksam ist; alle heftigern Entzündungen, welche mit Schwellung der Lymphdrüsen und Fieber verbunden sind, beruhen auf Ansteckung mit niedersten pflanzlichen Keimen (Bakterien) und stehen daher den Wundinfektionskrankheiten gleich. Schon der Umstand, daß die Leichen von Personen, welche einer ansteckenden Krankheit, Wochenbett, Eiterfieber u. dgl. erlagen, am gefährlichsten sind, und daß auch diese um so üblere Wirkungen zeigen, je früher sie seziert werden, je mehr also die krankheiterregenden Keime noch lebensfähig sind, weist darauf hin, daß es sich bei L. um eine Übertragung entwickelungsfähiger Pilzkeime handelt. Der Verlauf ist daher ebenso mannigfach und von der Bösartigkeit der eingeimpften Bakterien abhängig wie bei den Wundkrankheiten selbst (s. Wunde). Die Behandlung beginnt am sichersten schon vor der Leichenöffnung damit, daß man alle etwanigen wunden Stellen der Hände mit wasserdichtem Pflaster und Kollodium verschließt, dann die Haut mit starkem Essig einreibt, wobei sich auch ganz kleine Schrunde durch brennendes Gefühl kundgeben, die dann ebenfalls bedeckt werden. Hat man sich bei der Sektion verletzt, so lasse man die Wunde möglichst bluten, sauge sie aus und spüle sie längere Zeit mit absolutem Alkohol aus. Fügt man noch eine Ätzung mit Höllenstein oder Salpetersäure hinzu, so werden kaum je üble Folgen eintreten. Sind diese Vorsichtsmaßregeln versäumt und eine Wundkrankheit entstanden, so ist nach allgemeinen Regeln zu verfahren. Chronische Vergiftungen pflegen einem Luftwechsel überraschend schnell zu weichen. Chronische Entzündungsknoten an den Händen nennt man Leichentuberkeln (s. d.).