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MKL1888:Lausitz

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Lausitz“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Lausitz“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 10 (1888), Seite 567568
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Lausitz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 567–568. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Lausitz (Version vom 04.02.2023)

[567] Lausitz (Lusatia), ein bis 1815 zu Sachsen, seitdem teils zu Sachsen, teils zu Preußen gehöriger, von SO. nach NW. sich erstreckender Landstrich, zwischen Böhmen, der sächsischen Kreishauptmannschaft Dresden, den preußischen Provinzen Brandenburg und Schlesien gelegen und von der Spree und Neiße von S. nach N. durchflossen, umfaßte ein Gebiet von ca. 12,780 qkm (232 QM.) und war in zwei Teile, Ober- und Niederlausitz, geschieden, welche zwei besondere Markgrafschaften bildeten, aber, wie Böhmen und Mähren, keinem der zehn Kreise des Deutschen Reichs angehörten. Der südliche Teil oder die Oberlausitz, etwa 5940 qkm (108 QM.) groß, zerfiel in die Kreise Görlitz und Bautzen und zählte, außer den sogen. Sechsstädten: Bautzen, Görlitz, Zittau, Lauban, Kamenz und Löbau, noch 16 Landstädtchen, 7 Marktflecken und eine große Anzahl Dörfer (worunter 449 wendische). Bei der Teilung Sachsens (1815) wurde auch sie zerstückelt, so daß es jetzt eine sächsische und eine preußische Oberlausitz gibt. Die sächsische Oberlausitz bildet mit Einschluß einiger früher böhmischer Parzellen und der 1845 von Österreich an Sachsen abgetretenen Enklaven Schirgiswalde etc. die gegenwärtige Kreishauptmannschaft Bautzen, welche vier der Sechsstädte (nun Vierstädte): Bautzen, Zittau, Kamenz, Löbau, die Standesherrschaften Königsbrück und Reibersdorf, das katholische Domstift St. Petri zu Bautzen, die Klöster Marienstern und Marienthal und die Landstädte und Rittergüter der nach den vier Städten benannten Distrikte umfaßt, mit einem Gesamtareal von 2470 qkm (44,8 QM.) und (1885) 356,560 Einw. Hinsichtlich der Abgaben ist die Oberlausitz seit 1835 den Erblanden gleichgestellt, die innere Verwaltung dagegen ist durch ein Provinzialstatut geordnet worden. Die preußische Oberlausitz, der größere nordöstliche Teil des Gebiets, mit einem Areal von 3469 qkm (63 QM.) und etwa 250,000 Einw., umfaßt die Kreise Görlitz, Rothenburg, Hoyerswerda und Lauban des schlesischen Regierungsbezirks Liegnitz. Die Niederlausitz hat 6840 qkm (124 QM.) Flächeninhalt und zerfiel früher in fünf Kreise. Bei der Teilung Sachsens kam die ganze Landschaft an Preußen und bildet gegenwärtig die Kreise Luckau, Sorau, Guben, Lübben, Kalau, Spremberg und Kottbus des Regierungsbezirks Frankfurt, mit (1885) 401,303 Einw. Der Kreis Kottbus gehörte bereits seit 1462 zu Brandenburg und war nur 1806–14 mit Sachsen verbunden. Im Gegensatz zur Oberlausitz, welche reich an Naturschönheiten (s. Lausitzer Gebirge), von großer Fruchtbarkeit und namentlich im sächsischen Teil Sitz eines bedeutenden Gewerbfleißes ist, ist die Niederlausitz fast durchgängig ein flaches und sandiges Land. Das Wappen der Oberlausitz ist eine goldene Mauer mit schwarzem Mauerstrich im blauen Felde; das der Niederlausitz zeigt einen roten Ochsen im weißen Feld, von der Linken zur Rechten gewendet.

Geschichte. Die L. ward seit der Völkerwanderung von slawischen Stämmen bewohnt, von denen die Milciener als Bewohner der Oberlausitz und die Lusitzer als Bewohner der Niederlausitz genannt werden. Beide wurden vom deutschen König Heinrich I. 929 tributpflichtig gemacht und von Kaiser Otto I. 968 zum Christentum bekehrt und dem neubegründeten Bistum Meißen unterstellt. Nach Markgraf Geros Tod (965) wurde aus seinem Gebiet die spätere L. als Ostmark ausgeschieden und blieb, zunächst geteilt, unter der Verwaltung von Geros Nachkommen bis zu ihrem Aussterben (1031). Dann wurde Graf Dietrich von Wettin (gest. 1034) und nach ihm sein Sohn Dedo II. mit der Niederlausitz belehnt, während die Oberlausitz teils an den Bischof von Meißen, teils an böhmische Herren kam. Nach Dietrichs Tod ward jene von Kaiser Heinrich IV. dem Herzog Wratislaw von Böhmen verliehen, ging dann aber doch auf den Sohn Dietrichs, Heinrich den ältern, und auf dessen nachgebornen Sohn, Heinrich den jüngern, über. Als dieser 1123 starb, brach Streit um die Niederlausitz aus, der erst endete, als der Kaiser dieselbe dem Vetter des Verstorbenen, Konrad von Meißen, verlieh (1136), bei dessen Hause sie blieb, bis sie von König Albrecht I. 1298 an Brandenburg verkauft wurde. Dies wollte Diezmann von Meißen anfangs nicht zugeben, trat aber selbst 1303 die Niederlausitz an Otto von Brandenburg ab. So ward diese mit der Oberlausitz vereinigt, die schon 1255 an Brandenburg gekommen war. Als aber 1319 der askanische Stamm des Hauses Brandenburg erlosch, verlieh Ludwig der Bayer 1323 die Niederlausitz nebst Brandenburg seinem Sohn Ludwig, während die Oberlausitz sich 1324 freiwillig an Böhmen anschloß. Diese wurde 1355, die Niederlausitz (gekauft 1364) 1370 von Kaiser Karl IV. der Krone Böhmen einverleibt, von dieser jedoch 1462 das Gebiet von Kottbus an Brandenburg abgetreten. 1377 wurde ein Herzogtum Görlitz für Karls IV. Sohn Johann geschaffen und bestand bis zu dessen Tod (1396). Nach dem Erlöschen des luxemburgischen Kaiserhauses kamen beide Lausitzen 1437 an den Schwiegersohn Siegmunds, Albrecht von Österreich, und 1439 an dessen Sohn Wladislaw. Die Verpfändung der Landvogtei in der L. an die Hohenzollern (1448) gab Veranlassung zu einem Streit mit Kursachsen; dieses begnügte sich zwar 1450 mit den Städten Senftenberg und Hoyerswerda, aber auch Brandenburg mußte 1462 gegen Erstattung der dafür erlegten Pfandsumme auf die Landvogtei verzichten, die so wieder an Böhmen kam. 1467 unterwarf sich die L. dem König Matthias Corvinus von Ungarn und wurde diesem 1479 vom böhmischen König Wladislaw abgetreten. Nach Matthias’ Tod 1491 kam sie an Wladislaw, 1516 an dessen Sohn Ludwig II. Als dieser 1526 im Kampf gegen die Türken gefallen war, fiel die L. mit Böhmen an Ferdinand I. von Österreich, von dem sie wegen Annahme der Reformation hart bedrückt wurde. Nach dem unglücklichen Ausgang der Schlacht bei Prag und der Flucht Friedrichs V. (1620) besetzte sogleich der Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen die L. für den neuerwählten Kaiser Ferdinand II., ließ sich dieselbe aber sodann für die aufgewandten Kriegskosten (61/2 Mill. Thlr.) vom Kaiser verpfänden. In dem am 30. Mai 1635 zu Prag geschlossenen Separatfrieden wurde sie vom Kaiser dem Kurfürsten von Sachsen mit allen Hoheitsrechten als böhmisches Mannlehen erb- und eigentümlich abgetreten. Johann Georg I. bestimmte durch Testament, daß die Oberlausitz seinem Nachfolger in der Kurwürde, die Niederlausitz aber dem Administrator des Stifts Merseburg, Herzog Christian I., zufallen sollte. Als der König und Kurfürst Friedrich August (II.) 1738 die Stiftsregierung übernahm, fiel die Niederlausitz wieder an das Kurhaus. Von dieser Zeit an teilte die ganze L. als ein gesonderter Teil der kursächsischen Erblande alle weitern Schicksale Sachsens, das im Tilsiter Frieden 1807 auch den bis dahin zu Brandenburg gehörenden Kreis Kottbus erhielt. Bei der Teilung Sachsens (1815) fiel die ganze Niederlausitz und der größere nordöstliche Teil der Oberlausitz an Preußen. Nur der kleinere Teil der Oberlausitz verblieb bei Sachsen. S. Karten „Sachsen“, „Schlesien“. Vgl. Scheltz, [568] Gesamtgeschichte der Ober- und Niederlausitz (Bd. 1, Halle 1847; Bd. 2 [bis 1439], Görlitz 1882); Köhler, Geschichte der Oberlausitz (2. Ausg., Liegnitz 1879); Knothe, Geschichte des Oberlausitzer Adels (Leipz. 1879); Bachmann, Die Wiedervereinigung der L. mit Böhmen (Wien 1882); R. Andree, Wendische Wanderstudien (Stuttg. 1874).