MKL1888:Laurentische Formation
[562] Laurentische Formation (Laurentinische Formation, nach dem Lorenzstrom genannt, Urgneisformation), die untere Abteilung der archäischen Formationsgruppe, das älteste auf der Erde nachweisbare Schichtensystem, welches vorwaltend aus Gneisen in verschiedenen Varietäten (s. Gneis), oft in Granite übergehend und mit diesen wechsellagernd, besteht, während untergeordnet, den Gneisschichten eingelagert, Hornblendegesteine, Syenite, Granulite, Kalke, Dolomite, Serpentine und Quarzite vorkommen. Wo Quarzit aufgerichteten Gneisschichten eingelagert ist, kann er, wetterbeständiger als seine Umgebung, die Veranlassung zu mauerartig hervorspringenden grotesken Felsbildungen werden; das bekannteste Beispiel hierfür ist der im böhmisch-bayrischen Grenzgebirge meilenweit sich hinziehende Pfahl, von dem wir (nach Gümbel) eine Ansicht
Fig. 1. | |
Ansicht des Pfahls im böhmisch-bayrischen Grenzgebirge. | |
Fig. 2. | |
Profil des Pfahls. gn Gneis in verschiedenen Varietäten, Q Quarzit (Pfahl), c hälleflintartiges Gestein. | |
und ein Profil geben. Eine gesetzmäßige Gliederung der laurentischen Formation hat sich überall ergeben, wo ein genaueres Studium auf die Wechsellagerung der Gneisvarietäten und der untergeordneten Einlagerungen verwandt worden ist. So unterscheidet beispielsweise Gümbel zunächst für den Bayrischen Wald (doch ist die Übertragbarkeit auf andre Gegenden, so auf das Erzgebirge, nachgewiesen) eine untere, bojische, Etage mit vorwaltend rot gefärbten Gneisvarietäten und eine obere, hercynische, mit vorwiegend grauen Gneisen. Die Verbreitung der hierher zählenden Gesteine ist eine sehr bedeutende. In gewöhnlich stark aufgerichteten und gebogenen Schichten (s. Gebirge, S. 971) setzen sie das Zentralmassiv der größern Kettengebirge (Alpen, Schwarzwald, Erzgebirge, Riesengebirge etc.) zusammen, sind im Norden von Europa (Skandinavien, Finnland, Schottland, Hebriden) und in Nordamerika (nördlich und südlich vom Lorenzstrom sowie in Grönland) über weite Strecken verbreitet und ebenso in Afrika und Asien (Japan, Bengalen) entwickelt. Versteinerungen sind, nachdem sich die Annahme, daß das Eozoon (s. d.) ein Fossil sei, als [563] Irrtum herausgestellt hat, in den Schichten der laurentischen Formation nicht nachgewiesen. Das durch gleichzeitige vulkanische Thätigkeit gelieferte Material zeichnet sich (und es ist dies ein Gegensatz zu jüngern Formationen, auf dessen theoretische Wichtigkeit unter Gneis hingewiesen wurde) dadurch aus, daß es petrographisch identisch oder doch nahe verwandt mit dem Schichtungsmaterial ist, so namentlich Granit (Ganggranit im Gegensatz zu dem den Gneisschichten eingeschalteten Lagergranit) und Syenit, außerdem Diabas. Technisch wichtige Mineralien bergen die betreffenden Schichten häufig. Magneteisenerz und andre Erze sind ihnen teils als Lager, teils in Form der sogen. Fahlbänder (s. d.) eingelagert, während zahlreiche Gänge, namentlich auch von Erzen der Edelmetalle, sie durchsetzen. Für den Glimmer der Gneise tritt oft Graphit ein, der sich nesterweise aufhäuft und dann der Gewinnung unterliegt; Kryolith, das Rohmaterial für die Darstellung des Aluminiums, auch in der Sodafabrikation verwandt, Serpentin und fast chemisch reine Kalksteine bilden an vielen Orten wichtige Einlagerungen. Über die Theorien, welche hinsichtlich der Entstehung dieses ältesten Schichtensystems aufgestellt worden sind, vgl. unter Gneis. Es sei nur beigefügt, daß die Ansicht derer, welche eine rein sedimentäre Entstehung annehmen, durch eine zuerst von Sauer herrührende Beobachtung eine starke Stütze erhalten hat; derselbe wies im Erzgebirge in innigem Lagerungsverband sowohl mit Gneisen als mit Gesteinen der huronischen Formation Schichten nach, welche echte Gerölle von Gneis, Granit und Quarzit, durch ein kristallinisches Bindemittel verfestigt, führen.