MKL1888:Landwirtschaftliche Arbeiterfrage
[481] Landwirtschaftliche Arbeiterfrage (in Deutschland). Die Besserung der Verhältnisse der landwirtschaftlichen Lohnarbeiter bildet eine wichtige soziale Aufgabe. Denn es gibt in dieser Arbeiterklasse zahlreiche Mißstände materieller und moralischer Art, die im Widerspruch mit den Zielen und Aufgaben des modernen Staats und der heutigen Gesellschaft stehen und durch die Selbsthilfe der Betroffenen allein nicht beseitigt werden können.
In der Lage dieser Klassen besteht ein großer durchgreifender Unterschied zwischen Norddeutschland (Ost- und Westpreußen, Pommern, Posen, Schlesien, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Hannover, der nördliche Teil der Provinzen Sachsen, Westfalen und Rheinprovinz, ferner Braunschweig, Mecklenburg und Oldenburg) und dem übrigen Teil von Deutschland. Eine l. A. existiert als ein soziales Problem eigentlich nur in den erstgenannten Gebieten, während in Süd- und Südwestdeutschland die Lage der Arbeiter im allgemeinen eine bessere ist. Bei höherm Einkommen, gesünderm Familienleben und besserer wirtschaftlicher und sittlicher Bildung stehen die landwirtschaftlichen Arbeiter Süd- und Westdeutschlands im allgemeinen auf einer höhern Kulturstufe als diejenigen Norddeutschlands. Die ganze geschichtliche Entwickelung war hier seit langer Zeit eine für die landwirtschaftliche Bevölkerung günstigere, insbesondere hat die Leibeigenschaft hier nie so allgemein und drückend auf ihr gelastet. Dazu kommt, daß dort die großen Güter, hier weitaus die kleinen und mittlern überwiegen. Die Lohnarbeiter sind dort zum größten Teil Arbeiter auf großen Gütern, eine für sie unübersteigliche soziale Kluft trennt sie von den Arbeitgebern; hier sind sie zum größten Teile Lohnarbeiter auf mittlern Gütern, zu einem erheblichen Teil selbst kleine Besitzer, der soziale Unterschied zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist in der Regel kein so großer. Dann sind wegen der gegebenen örtlichen Verteilung der Bevölkerung die landwirtschaftlichen Arbeiter viel mehr von der übrigen Bevölkerung geschieden als hier, wo der ländliche Arbeiter mit jener mehr Verkehr pflegen kann und nicht bloß auf Gütern, sondern auch anderweitig leicht Arbeit findet und infolgedessen von den einzelnen Arbeitgebern weniger abhängig ist. Ein wesentlicher Unterschied besteht aber noch darin, daß es dort für die große Mehrzahl der Arbeiter unmöglich ist, zu einer eignen Gutswirtschaft als Eigentümer oder Pachter zu gelangen, während hier der Arbeiter viel leichter durch Fleiß, Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit jenes Ziel erreichen kann. Man kann die landwirtschaftlichen Arbeiter nach ihrer ökonomischen Stellung und Lage in vier Klassen scheiden. 1) Dienstleute oder kontraktlich auf längere Zeit gebundene Lohnarbeiter, Instleute, Gärtner, Gutstagelöhner, Hoftagelöhner etc. Dieselben sind Lohnarbeiter ohne Grundeigentum, wohnen auf dem Gut, führen eigne Hauswirtschaft und haben für den Gutsherrn das ganze Jahr hindurch zu arbeiten, wofür sie außer einem bestimmten Geldlohn gewisse Naturalemolumente beziehen. 2) Einlieger, freie landwirtschaftliche Lohnarbeiter ohne Grundeigentum. Dieselben binden sich nicht durch Arbeitsvertrag auf längere Zeit; sie suchen sich Arbeit überall da, wo sie eine angemessene Bezahlung finden. 3) Häusler, Eigenkätner, Katenleute, Büdner, Kolonisten, Stellenbesitzer etc. Sie besitzen etwas Land, gewöhnlich auch ein Haus und verdienen noch einen größern oder geringern Teil ihres Lebensunterhalts als unständige Tagelöhner. 4) Dienstboten, Gesinde, Lohnarbeiter, die sich auf längere Zeit zu bestimmten landwirtschaftlichen Dienstleistungen verpflichtet haben und dafür außer einem festen Geldlohn volle Naturalverpflegung in dem Haus ihres Brotherrn empfangen. Von den Dienstleuten unterscheiden sie sich unter anderm noch dadurch, daß sie nicht für bestimmte Stunden täglich dem Arbeitgeber zum Dienst verpflichtet sind, sondern diesem beständig zur Verfügung stehen müssen.
Die Lage der einzelnen Klassen ist eine sehr verschiedene; wir versuchen in folgendem sie zu charakterisieren. 1) Die Dienstleute finden sich fast ausschließlich in Norddeutschland und zwar vorzugsweise auf großen Gütern, wo sie den wesentlichsten Teil der landwirtschaftlichen Lohnarbeit verrichten. Das Institut derselben bildete sich nach Aufhebung der Gutsunterthänigkeit und Ablösung der persönlichen Dienstleistungen im Anfang dieses Jahrhunderts als ein Vertragsverhältnis heraus. Die Dienstverträge wurden wesentlich in gleicher Art festgesetzt. Der Gutsherr gab freie Wohnung, Futter für eine Kuh, etwas Land, auch wohl Brennholz etc. und einen, freilich niedrigen, Zeitlohn. Der Dienstmann mußte täglich auf den Hof zur Arbeit kommen, in der Regel noch einen sogen. Scharwerker oder Hofgänger (einen jungen Burschen oder ein junges Mädchen) mitbringen, auf Verlangen auch noch als dritte Arbeitskraft die eigne Frau. Dies Verhältnis erwies sich als notwendig überall da, wo bei dünner Bevölkerung und spärlich vorhandenen Dörfern der große Grundbesitzer die erforderlichen Arbeitskräfte sich nur dadurch sichern konnte, daß er Leute auf dem eignen Grund und Boden ansiedelte und dieselben vertragsmäßig auf längere Zeit zu Arbeitsleistungen verpflichtete. Die Höhe des Einkommens, welches diese Dienstleute beziehen, ist zwar keineswegs unbefriedigend; doch ist die thatsächliche Lage derselben oft deswegen eine schlechte, weil die Qualität der Naturalien, aus welchen ein großer Teil ihres Einkommens besteht, vielfach Anlaß zu berechtigten Klagen gibt, und weil ferner Unwirtschaftlichkeit und großer Kinderreichtum eine gute Verwendung des Einkommens erschweren. Auch in moralischer Beziehung bleibt viel zu wünschen. Die Kindererziehung ist eine mangelhafte, das Schulwesen ungenügend. Sind die Kinder 14 Jahre alt, so werden sie in der Regel einige Jahre Scharwerker. Diese Zeit ist für sie meist eine Zeit der Verwilderung. Infolge des steten, oft unbewachten Verkehrs der Mädchen und Burschen wird die weibliche Ehre nur von einem geringen Teil bis zu der meist frühzeitig geschlossenen Ehe bewahrt, und uneheliche Kinder zu haben, gilt kaum als unmoralisch. Das Familienleben ist oft ein wenig erfreuliches. Es leidet oft noch darunter, daß Mann und Frau viel außer dem Haus im herrschaftlichen Dienst, zum Teil auch Sonntags, beschäftigt sind und, während ihnen der Branntweingenuß zur Gewohnheit wird, Ordnung, Reinlichkeit und eine gemütliche Häuslichkeit nicht kennen lernen. Zur Arbeit sind die Leute willig, aber sie haben selten das Streben, vorwärts zu kommen, eigentlicher Sparsinn ist kaum vorhanden. Bei aller Unterwürfigkeit gegen den Herrn hegen sie in der Regel großes Mißtrauen gegen denselben, und damit pflegt der Neid untereinander Hand in Hand zu gehen. Daher ist es auch begreiflich, daß in jenen Gegenden die Auswanderungslust nach Amerika eine so große ist, ferner daß die Arbeiter, wenn sie es irgend können, in die Städte übersiedeln oder eine Beschäftigung als Tagelöhner bei Eisenbahn-, Chaussee-, Wasserbauten oder [482] in Fabriken suchen, und daß fortwährend über Arbeitermangel geklagt wird.
2) Die Einlieger sind in Norddeutschland verhältnismäßig weniger häufig als in Süddeutschland. Sie scheiden sich dort scharf von den Dienstleuten. Gewöhnlich mieten sie sich bei einem Bauer ein, indem sie den Mietzins ganz oder zum Teil durch Arbeitsleistungen während einer bestimmten Zahl von Tagen abarbeiten. Im übrigen können sie frei über ihre Arbeitskraft verfügen. Im Sommer finden sie leicht Arbeit und guten Lohn. Im Winter wird aber ihre Lage ungünstiger und um so mehr, je länger der Winter dauert. Wenn auch ein Teil der Arbeiter in dieser Zeit beschäftigt werden kann, so bleiben doch die meisten ohne Arbeit und Verdienst. Da sie nun selten im Sommer vorsichtig für den Winter sorgen, sind sie materiell meist übler daran als Dienstleute bei einem ordentlichen Dienstherrn. Trotzdem suchen gerade die tüchtigsten unter den Dienstleuten Arbeiter dieser Klasse zu werden wegen der größern persönlichen Freiheit und wegen der Möglichkeit, durch besondere Leistungen zu einem höhern Einkommen zu gelangen. In Süddeutschland ist ihre Lage dadurch eine wesentlich bessere, daß sie leicht auch im Winter landwirtschaftliche oder sonstige Arbeit finden und der Lohn in der Regel genügt, um den Lebensunterhalt der Familie zu decken.
3) Grundbesitzende Lohnarbeiter, Häusler, gibt es in Deutschland überall; aber ihre Zahl und ihre Bedeutung für den landwirtschaftlichen Betrieb ist in den einzelnen Gegenden sehr verschieden. In Norddeutschland ist ihre Zahl verhältnismäßig klein. Sie erwerben den größern Teil ihres Einkommens durch Lohnarbeit. Diese finden sie, wie die Einlieger, im Sommer leicht, im Winter weniger. Aber ihre Lage ist doch eine wesentlich bessere als die jener, da ihr Besitz und ihre eigne Landwirtschaft ihnen nicht bloß ein Einkommen, sondern auch einen Rückhalt in Notfällen gewähren. Im Süden und Westen sind die Häusler verhältnismäßig zahlreicher, und ihre Lage ist eine bessere. Sie finden hier leichter auch im Winter Beschäftigung, können auch durch intensivere Bewirtschaftung ihres Landes, namentlich durch Gemüsekultur und Anbau von Handelsgewächsen, einen höhern Reinertrag erzielen.
4) Das Gesindeverhältnis ist nur ein Übergangsstadium bis zur Verheiratung der Dienstboten. Ihre Stellung ist eine viel gebundenere als die der Dienstleute. Dagegen haben sie in der Regel eine bessere Verpflegung, nicht selten auch außer ihrem Lohn nicht unbeträchtliche Nebeneinkünfte. Trotzdem wird die Neigung zu diesem Dienst eine immer geringere und zwar in dem Grad, in welchem die Wertschätzung der persönlichen Freiheit wächst. Viele früher vom Gesinde verrichtete Arbeiten müssen jetzt durch Tagelöhner ausgeführt werden. Damit hängt auch die Steigerung der Gesindelöhne zusammen. Im Norden ist die Zahl der für den landwirtschaftlichen Betrieb gehaltenen Dienstboten verhältnismäßig weit geringer als im Süden, wo gewissermaßen die Dienstboten die norddeutschen Dienstleute ersetzen. Freilich zeigt sich auch hier in jüngster Zeit eine Abnahme der ländlichen Dienstboten und eine wachsende Abneigung gegen dies Dienstverhältnis. Entsprechend dem großen Unterschied in der ganzen Lage der landwirtschaftlichen Arbeiter in den beiden Teilen von Deutschland, ist auch die Reformaufgabe in ihnen eine wesentlich verschiedene. In Norddeutschland sind teils moralische, teils materielle Mißstände zu beseitigen. Jene sind zu beheben durch Fürsorge für einen guten Schulunterricht unter Beschaffung eines ordentlich ausgebildeten, ökonomisch gut situierten Lehrerpersonals, das zum Zweck der Erzielung eines regelmäßigen Schulbesuchs auch den Gutsherren und Bauern gegenüber unabhängig gestellt und durch obrigkeitliche Kontrollorgane unterstützt werden muß; dann durch Erstellung von Kleinkinderschulen und Kindergärten, welche für den ländlichen Arbeiterstand in jenen Gegenden vielleicht wichtiger als für irgend eine andre Klasse der Bevölkerung sind, weil hier die Frau meist außer dem Haus beschäftigt und auch wenig befähigt ist, in gedeihlicher Weise auf Geist und Gemüt der Kinder einzuwirken; ferner durch Errichtung und Mehrung von landwirtschaftlichen Fortbildungsschulen, welche insbesondere auch die gute Wirkung haben würden, daß eine Überwachung und weitere sittliche Ausbildung der jugendlichen Arbeiter stattfindet. Andre Maßregeln müssen direkt das Familienleben bessern und veredeln. Diesem Zweck dient zunächst die Gewährung einer selbständigen, gesunden, hinreichend geräumigen Wohnung an eine Arbeiterfamilie. In schlechtem Zustand befinden sich vorzugsweise nur die Wohnungen der Dienstleute auf großen Gütern. Die Dienstleute müssen auf dem Gut ihres Arbeitgebers wohnen. Gezwungen durch persönliche und andre äußere Verhältnisse, den Dienstvertrag auf einem bestimmten Gut oder den Gütern einer Gegend zu schließen, müssen sie wohl oder übel auch die von den Arbeitgebern gestellten Wohnungen hinnehmen, wie sie eben sind. Es bedürfte hier wenigstens der obrigkeitlichen polizeilichen Kontrolle und des gesetzlichen Verbots der Benutzung schlechter Wohnungen. Dann ist dahin zu streben, daß die Arbeitszeit in humaner Weise bemessen, insbesondere die herrschaftliche Sonntagsarbeit beseitigt wird, soweit diese nicht zur Wartung und Pflege des Viehs und ausnahmsweise durch Witterungsverhältnisse geboten ist. Im allgemeinen kann bei landwirtschaftlichen Arbeitern im Sommer die Arbeitszeit eine längere als bei Fabrikarbeitern sein, ohne als eine übermäßige zu erscheinen. Eine sehr lange Arbeitszeit rechtfertigt sich auch zeitweise durch die eigentümlichen Verhältnisse des landwirtschaftlichen Betriebs; aber die Arbeitszeit übersteigt doch noch vielfach das hiernach gerechtfertigte und billige Maß. Von nicht geringer Bedeutung ist die persönliche Einwirkung des Gutsherrn auf die Arbeiter, ihr Familienleben und ihre Hauswirtschaft. Eine solche Einwirkung ist um so unentbehrlicher, als Mitglieder andrer Gesellschaftsklassen und Arbeiterbildungsvereine hier keine Wirksamkeit nach dieser Richtung hin entfalten können. In dieser Thätigkeit müssen die Arbeitgeber durch die Geistlichkeit unterstützt werden, die hier ein ersprießliches Feld für eine schöne Berufsthätigkeit finden kann.
Um die materiellen Übelstände zu beseitigen, wäre in erster Linie eine Erhöhung des Einkommens herbeizuführen. Eine solche Erhöhung kann aber bei der einmal gegebenen Lage der Landwirtschaft nur erstrebt und erreicht werden durch eine Steigerung der Produktivität der Lohnarbeiter und zwar, wo dies möglich ist, durch Einführung des Akkordlohns an Stelle des Zeitlohns, dann durch Gewährung von Prämien beim Zeitlohn an besonders tüchtige Arbeiter, die mehr als das Durchschnittsmaß leisten, endlich durch die Beteiligung am Gewinn in der Form einer Lohnzulage je nach der Größe des jährlichen Reinertrags (Anteilslöhnung), welche allerdings nur in sehr beschränktem Maß anwendbar und an sich schwieriger durchzuführen ist als bei industriellen Unternehmungen, weil ein Teil der Arbeiter nicht [483] das ganze Jahr hindurch beschäftigt wird und es schwer ist, den wirklichen Reinertrag genau zu berechnen. Eine weitere Aufgabe ist die Sorge für eine gute Lieferung der Naturalemolumente. Diese Forderung könnten die landwirtschaftlichen Vereine verwirklichen, wenn sie eine spezielle Kontrolle in ihrem Kreis ausüben und, wo schlechte Lieferungen trotz erhaltener Warnung erfolgen, die Namen der Arbeitgeber öffentlich bekannt machen würden. Ferner ist eine bessere Verwertung des Geldeinkommens zu erstreben. Konsumvereine freilich sind bei Dienstleuten nicht wohl anwendbar, doch könnten die Gutsherren oft den Einkauf von Waren für ihre Arbeiter im großen besorgen und die Waren zum Einkaufspreis abgeben. Für Einlieger dagegen und grundbesitzende landwirtschaftliche Arbeiter sind, wo sie in größerer Zahl in Dörfern bei einander wohnen, Konsumvereine wohl anwendbar und von gleichem Nutzen wie für industrielle Arbeiter.
Eine Hauptsorge endlich muß dahin gerichtet sein, den Arbeitern die Möglichkeit zu eröffnen, selbständige Landwirte auf einem kleinen Gut als Eigentümer oder Pachter zu werden. Bessere Arbeiter würden, um ein solches erstrebenswertes Ziel zu erreichen, fleißig, sparsam und wirtschaftlich sein. Das Streben nach solchem Besitz und die Erlangung desselben würden indes nicht bloß ihr Einkommen erhöhen, sondern auch auf die Besserung des ganzen Familien- und sozialen Lebens einen günstigen Einfluß üben. Die Durchführung ist auf verschiedene Weise möglich: a) Durch große Gutsbesitzer selbst, welche einen Teil ihres Gutes gegen allmähliche Amortisation des kreditierten Kaufpreises verkaufen und das nötige Kapital entweder selbst leihen, oder den Käufern durch Vermittelung von landwirtschaftlichen Kreditanstalten beschaffen. Eine solche Maßregel würde in ihrem eignen Interesse liegen, da sie sich dadurch einen tüchtigen Stamm seßhafter Arbeiter schaffen und erhalten könnten. b) Durch eigne Gesellschaften nach Art der englischen Landbaugesellschaften, welche die für Ankauf und Einrichtung nötige Summe als ein unkündbares, amortisierbares Darlehen geben oder selbst Land kaufen, kleine Güter anlegen und diese mit Kreditierung des Kaufpreises und unter gleichen Bedingungen verkaufen. Auch c) der Staat kann an der Lösung dieser Aufgabe durch Parzellierung von einzelnen Domänen mitwirken.
Schließlich mögen noch erwähnt werden Hilfs- und Unterstützungskassen (Kranken-, Unfallversicherungs-, Alters-, Witwen- und Waisen-, Begräbnis-, Lebensversicherungskassen), für deren Gründung, soweit nicht bereits durch Gesetz (vgl. Krankenkassen und Unfallversicherung) oder anderweitig Fürsorge getroffen worden ist, die Kommunalgewalt, eventuell die landwirtschaftlichen Vereine thätig sein sollten; dann besondere Feuerversicherungskassen für das Mobiliar und die Vorräte, sofern die bestehenden Gesellschaften Versicherungen dieser Art nicht übernehmen, weiter kleine gegenseitige Viehversicherungsanstalten und endlich zur Förderung des Sparsinnes Gutssparkassen, womöglich mit Gewährung von Prämien für Spareinlagen. Die Durchführung aller dieser Aufgaben würde zum großen Teil den einzelnen Gutsherren und den landwirtschaftlichen Vereinen, die hierin ein großes, segensreiches Feld für ihre Thätigkeit haben, zufallen, ohne daß jedoch die Mitwirkung der gesetzgebenden Gewalt und der öffentlichen Verwaltung entbehrt werden kann. In Süddeutschland ist nach der obigen Darlegung die Reformfrage von viel geringerer Bedeutung. Sofern Übelstände sich finden, sind die vorerwähnten Maßregeln meist auch hier anwendbar. In einem größern Umfang werden hier Konsumvereine und unter der Beteiligung auch andrer Gesellschaftsklassen landwirtschaftliche Bildungsvereine, Bibliotheken etc. sich von Nutzen erweisen.
Vgl. v. d. Goltz, Die ländliche Arbeiterfrage (2. Aufl., Danz. 1874); Derselbe, Die Lage der ländlichen Arbeiter im Deutschen Reich (mit Richter und v. Langsdorff, Berl. 1875); H. Settegast, Die Landwirtschaft und ihr Betrieb (3. Aufl., Bresl. 1885); Schönberg, Zur landwirtschaftlichen Arbeiterfrage („Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft“ 1875, S. 449 ff.); Laspeyres, Zur wirtschaftlichen Lage der ländlichen Arbeiter (das. 1876, S. 183 ff.); G. Schmoller, Die landwirtschaftliche Arbeiterfrage (das. 1866, S. 171 ff.).