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MKL1888:Kuppel

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kuppel“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 334335
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Kuppel. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 334–335. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kuppel (Version vom 12.01.2025)

[334] Kuppel, die über meist runden Gebäuden oder runden Gebäudeteilen errichtete, nach der Form einer Rotationsfläche gebildete Deckenkonstruktion aus Stein, Holz oder Eisen, in deren Scheitel sich gewöhnlich eine runde Lichtöffnung befindet, die entweder durch ein Glasfenster (Oberlicht) geschlossen, oder mit einem kleinen runden, an den Seiten mit Fenstern versehenen Türmchen (Laterne) überbaut wird. Als Erzeugungslinie der Rotationsfläche dient meist die Kreislinie (Kreissegment oder Halbkreis) zu steinernen und hölzernen, die gemeine oder kubische Parabel zu eisernen Kuppeln (parabolische K.). Wird eine K. mit kreisförmigem Horizontalschnitt über einem quadratischen Raum angebracht, so entsteht die Hängekuppel. Über diese sowie über das Kuppelgewölbe s. Gewölbe. Die ersten kuppelartigen Decken finden wir bei den Griechen, wo dieselben aus allmählich enger werdenden, ringförmigen horizontalen Steinlagen bestanden. Die ersten wirklich gewölbten Kuppeln scheinen der Diadochenzeit anzugehören, von denen uns zwar kein Überrest geblieben ist, die aber, wie die Rundbauten von Alexandria u. a., überwölbte, mit Marmor bekleidete Backsteinbauten gewesen zu sein scheinen. Bei den Römern bildete sich der Bau gewölbter Kuppeln weiter aus, unter welchen die über dem Pantheon in Rom (s. Tafel „Baukunst V“, Fig. 14–16) eine der ältesten ist. Dieser ursprünglich zu den Thermen des Agrippa gehörende, zugleich dem Jupiter Ultor geweihte Bau wurde unter Augustus von Valerius von Ostia aufgeführt und bildet einen Kuppelbau von 132 Fuß innerm Durchmesser und ebensoviel lichter Höhe. Die Umfangswand enthält im Innern acht abwechselnd rund und rechteckig ausgetiefte Nischen, wovon eine für den Eingang durchbrochen ist, während die übrigen sieben auf Postamenten stehende Götterbildnisse aufnahmen. Die über die Nischen sich hinziehende, mit Pilasterstellung kombinierte Attika ist nach Adler wahrscheinlich unter Septimius Severus eingefügt, während die Nischen oben früher durch Halbkreisbogen abgeschlossen waren und je zwei korinthische Säulen mit durchlaufendem Gebälk enthielten, worauf die von Plinius erwähnten zwei zur Unterstützung jener Halbkreisbogen dienenden Karyatiden standen. Die durch reiche Kassetten gegliederte Kuppel enthält oben eine Öffnung von 27 Fuß Durchmesser, während sich vor dem Eingang ein dreischiffiger, mit Tonnengewölben überspannter, mit Giebeldach überdeckter und in der Fronte auf acht korinthischen Säulen ruhender Portikus befindet. Eine höhere Ausbildung erfuhren die Kuppeln in der altchristlichen Baukunst. Das berühmteste Denkmal dieser Zeit ist die Flachkuppel der Sophienkirche (s. Tafel „Baukunst VII“, Fig. 9) in Konstantinopel, welche zur Anwendung des Kuppelbaues auch in einzelnen Gegenden Italiens, besonders in Ravenna und Venedig, sowie in Deutschland, besonders bei Überwölbung der Vierung romanischer Kirchen, Veranlassung gab. Dieser unter Justinian von Anthemios von Tralles ausgeführte Bau bildet ein Rechteck von 228 Fuß Breite und 252 Fuß Länge, dessen 110 Fuß breites Mittelschiff von einer ganzen K. in der Mitte und zwei halben Kuppeln zu beiden Seiten bedeckt wird, an welch letztere sich wieder je drei mit Halbkuppeln überwölbte Nischen anschließen. Die nach Osten und Westen gelegene Nische unter den letztern enthält bez. den Altar und den nach der Vorhalle führenden Eingang. Die über dem quadratischen Mittelraum errichtete Hauptkuppel bildet eine auf vier mächtigen Bogenzwickeln ruhende sogen. Hängekuppel, welche im Scheitel geschlossen und durch eine umlaufende Fensterreihe seitlich erleuchtet wird. [335] Die Seitenwände sind unterhalb der Bogenzwickel durch zwei Säulenstellungen oben nach den für die Frauen bestimmten Emporen, unten nach den Nebenschiffen geöffnet. Der gotische Stil verdrängte den Kuppelturm in Deutschland, während er denselben in andern Ländern, freilich als widerstrebendes Element, in sich aufnahm. Die höchste technische und architektonische Ausbildung erhielt die K. in der modern-italienischen Baukunst. Brunellescos K. auf dem Dom zu Florenz fand Nachahmung in dem berühmtern Kuppelbau der Peterskirche (s. Tafel „Baukunst XI“, Fig. 2 u. 3) in Rom, dem gepriesenen Muster der katholischen Kirchenbaukunst, dem auch die Paulskirche in London nachgebildet ist. Die zuerst von Bramante geplante und nach verschiedenen Wandlungen von Michelangelo und Domenico Fontana ausgeführte Peterskirche besitzt die größte K. der Welt, da sie sich bei einem Durchmesser von 140 Fuß 405 Fuß über den Fußboden erhebt und oben einen außen durch Säulenstellung, innen durch Pilasterstellung geschmückten Tambour mit Fenstern trägt. Vier kleinere Kuppeln in den vier Ecken und drei Halbkuppeln an den Enden der kürzern Kreuzarme in Verbindung mit zahlreichen Tonnengewölben bedecken die übrigen Räume. Eine der schönsten modernen Kuppeln hat der Dom der Invaliden in Paris. Die moderne italienische Kirchenkuppel seit Michelangelo ruht meist auf einem sogen. Cylinder oder Tambour, einem runden oder eckigen Unterbau, der mit einer Reihe Fenster und von außen mit einer Kolonnade versehen ist. Das Innere der K. ist in Felder oder Kassetten geteilt oder mit Fresken geschmückt. Gewöhnlich ist die innere Schale der K. bedeutend niedriger als die äußere. Eine der schönsten neuern Kuppeln in einem Profanbau ist die K. am Museum zu Berlin, die jedoch an Kolossalität der Verhältnisse von der K. der Befreiungshalle bei Kelheim übertroffen wird. Im 16. Jahrh. konstruierte Philibert de l’Orme mittels einzelner Tragrippen aus Bohlen die ersten hölzernen Kuppeln, welche jedoch wegen ihrer geringen Dauerhaftigkeit und Feuersicherheit nur vereinzelte Nachahmung fanden. Dagegen haben die eisernen Kuppeln zuerst bei Überdachung eines Vierungsturms am Dom zu Mainz durch Moller um 1830 und später, insbesondere bei Überdachung von Gasometern, in Berlin durch Schwedler in den 70er Jahren Anwendung gefunden und seitdem eine hohe technische Ausbildung, namentlich bei Ausstellungsgebäuden, erfahren, welche zu den kühnsten Konstruktionen geführt hat.