MKL1888:Kupfervergiftung
[332] Kupfervergiftung (Kuprismus) kann durch Kupfervitriol, Kupferchlorid, Grünspan und andre lösliche Salze des Kupfers hervorgebracht werden. In häufigen Fällen aber mischen sich mit derselben Bleivergiftungen derart, daß die Krankheit als K. nicht gut gelten kann und daher auch von vielen Ärzten als solche geradezu abgelehnt wird. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß auch reine Kupfervergiftungen zur Beobachtung kommen, wie sie z. B. durch Speisen, welche in schlecht verzinnten kupfernen Geschirren bereitet wurden, konstatiert sind. Man muß aber zwei Formen unterscheiden, unter denen dieselben vorkommen: die durch Injektion, d. h. durch Ätzung, und die durch Aufnahme von Kupfer ins Blut. Die akute Vergiftung durch Ätzung läßt eine grüne Färbung und die Spuren einer geschehenen Ätzung der Schleimhaut, Geschwürsbildung auf der Schleimhaut des Magens und des Darmkanals erkennen. Es ist dies natürlich nur bei Einverleibung von großen Dosen ätzender Kupfersalze der Fall. Es entstehen dann schrumpfender Geschmack, Gefühl von Zusammenschnürung im Schlund und Magen, Übelkeit und Erbrechen von grünen, kupferhaltigen Massen, Auftreibung u. Schmerzhaftigkeit des Unterleibes, Diarrhöen, große Schwäche, Atemnot, kleiner, schneller Puls, Angst, großer Durst, Ohnmachten, Hirnbeschwerden, Schwindel, Kopfschmerz, Betäubung und Schlafsucht, zuletzt Kälte der Glieder, selbst Konvulsionen und allgemeine Lähmung. Je nachdem der Magen angefüllt oder leer ist, oder das Gift mit Speise gemengt eingeführt wird, erscheinen die Symptome früher oder später, wie beim Arsenik. Gewöhnlich ist bei starken Dosen der Verlauf ein sehr schneller, schon nach einigen [333] Stunden kann der Tod erfolgen. Die durch Aufnahme des Kupfers ins Blut erfolgenden Vergiftungserscheinungen zeigen sich teils als heftiges Ergriffensein des Gehirns und Rückenmarks, teils als sogen. Kupferkolik. Die akute Gehirn- und Rückenmarksaffektion entsteht nach größern Mengen Kupfer, ohne daß dabei die Verdauungsorgane besonders leiden. Starker Kopfschmerz, Schwindel, Abgeschlagenheit und Zittern der Glieder, Krämpfe, Erweiterung der Pupillen, Kälte der Glieder, Störungen des Atmens und des Blutlaufs, Erbrechen, Durchfall oder Koliken, Schlafsucht, Anästhesie und zuletzt Lähmungen sind die charakteristischen Erscheinungen. Die Behandlung der akuten K. besteht in Entfernung des Gifts durch Auspumpen des Magens oder Brechmittel, man gibt innerlich Opiate, macht kalte Überschläge auf den Kopf, legt Senfteige etc. Als Gegengift dienen viel warmes Wasser, verdünntes Eiweiß, gebrannte Magnesia, gelbes Blutlaugensalz, Eisenfeile, Eisensulfhydrat; gegen die Schmerzen Opium. Die chronische K. oder Kupferkolik (Colica cuprica) kommt am häufigsten als Gewerbekrankheit bei Arbeitern auf Kupferhämmern, bei Gelb- und Rotgießern, selbst bei Kupferstechern, Kupferdruckern vor, bei denen in der Regel längere Zeit vorher schon die Haare, das Gesicht, die Augen und Zähne allmählich eine grünliche und grünlichgelbe Färbung annehmen, welche, wie die chemische Untersuchung nachweist, von dem im Gewebe enthaltenen Kupfer herrührt. In dem Grad, als diese charakteristische Färbung zunimmt, nehmen auch die innern Gewebe an derselben teil, was sogar an den Knochen und am Gehirn sehr deutlich wahrzunehmen ist. Die chemische Analyse war im stande, sowohl aus diesem als auch aus dem Blute, dem Speichel, der Galle, dem Urin etc. Kupfer nachzuweisen. Diese als Kupferdyskrasie zu bezeichnende Durchtränkung der Körpergewebe kann längere Zeit bestehen, ohne auffallende Störungen in den Verrichtungen der Organe hervorzurufen. Allmählich aber klagen die so mit Kupfer durchsetzten Arbeiter über Schwäche und Entkräftung und zeigen eine gewisse Mutlosigkeit und Niedergeschlagenheit. Wird die Zufuhr des Gifts nun gehemmt und dasselbe aus dem Körper entfernt, so kann der Kranke vollkommen der Genesung zugeführt werden. Im andern Falle leiden zuerst die Verdauungsorgane. Der Appetit vermindert sich, der Geschmack wird schlecht, Stuhlgang verhalten, oder es tritt Diarrhöe ein. Zuweilen entsteht ein Bronchialkatarrh mit grünlichem Auswurf, der durch heftiges Husten hervorbefördert wird. Auch Schnupfen entsteht öfters. Auch diese Erscheinungen können gehoben werden; schwierig ist aber die Heilung, wenn Schmerzen im Unterleib eintreten, die den Charakter der Kolik an sich tragen, wenn sich Erbrechen, Beklemmung, allgemeines Unwohlsein, Durchfälle mit Stuhlzwang dazu gesellen. Der Leib ist dann sehr gespannt, äußerst empfindlich, der Puls schnell und klein, heftiger Kopfschmerz ist vorhanden. Die Kranken sind sehr traurig und magern sichtlich ab. Dadurch, daß nach den Kolikanfällen meist diarrhöische Stuhlentleerungen erfolgen, unterscheidet sich die Kupferkolik wesentlich von der Bleikolik. Die Dauer dieses Zustandes ist in der Regel 7–14 Tage und kann zum Tod führen, es kann jedoch auch Genesung erfolgen. Die Behandlung besteht vor allem in Entfernung des Kranken aus der Kupferatmosphäre, Reinigung des Körpers von den anhängenden Kupferteilen durch warme Bäder, und ist die Kupferkolik zum Ausbruch gekommen, dem man oft durch leichte Abführmittel, schweiß- und urintreibende Mittel begegnen kann, so setzt man Blutegel an Bauch und After, macht warme Breiumschläge und gibt endlich Opiate, gegen das Erbrechen kohlensäurehaltige Getränke, auch Zitronensaft und Morphium, dabei eine leichtverdauliche, aber nahrhafte Diät.