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MKL1888:Kranich

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Kranich“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Kranich“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 10 (1888), Seite 147
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Kranich. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 147. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Kranich (Version vom 17.12.2023)

[147] Kranich (Grus L.), Gattung aus der Ordnung der Watvögel und der Familie der Kraniche (Gruidae, s. Stelzvögel), große Vögel mit langem, kräftigem Leib, langem, schmächtigem Hals, kleinem Kopf, langem, geradem, stumpfrückigem, spitzigem, an der Wurzel weichem, an der Spitze hartem Schnabel, sehr langen, starken, weit über die Ferse nackten Beinen, vierzehigen Füßen, kurzer, hoch eingelenkter Hinterzehe, kurzen Spannhäuten zwischen der äußern und mittlern Vorderzehe, kurzen, flach gebogenen Krallen, großen, langen und breiten Flügeln, kurzem, geradem Schwanz und derbem, reichem Gefieder, teilweise nacktem Kopf und verlängerten und gekräuselten Oberflügeldeckfedern. Der gemeine K. (Grus cinerea Bechst.), 1,4 m lang und 2,4 m breit, aschgrau, in der Kehlgegend und auf dem Vorderscheitel schwarz, an den Halsseiten weißlich, an den Schwungfedern schwarz, mit braunroten Augen, schwärzlichen Füßen und an der Wurzel rötlichem, an der Spitze schwarzgrünem Schnabel. Der K. bewohnt den Norden der Alten Welt und wandert südlich bis Siam und Indien, Mittel- und Westafrika. Deutschland durchfliegt er Anfang Oktober und Ende März bei Tag und bei Nacht unter lautem Geschrei in zahlreichen Gesellschaften, welche in großer Höhe die Keilordnung streng einhalten und sich kaum zur Aufnahme von Futter, noch weniger zum Schlafen Zeit gönnen. Im Süden lebt er in Scharen, oft in Gemeinschaft mit verwandten Vögeln, und besetzt größere Sandbänke und Inseln in Flüssen; im Norden lebt er paarweise in Brüchern, Sümpfen und Morästen, welche mit niedrigem Riedgras bewachsen sind, und fliegt von hier aus auf die Felder. Er bewegt sich leicht und zierlich, meist ruhig und würdevoll; doch macht er auch lustige Sprünge, tanzt förmlich und nimmt die sonderbarsten Stellungen an; auch schleudert er Steinchen und Holzstückchen in die Luft, wie um sie zu fangen, und bekundet durch dies alles die Freudigkeit seines Wesens. Er ist gesellig, friedfertig, aber necklustig, dabei höchst vorsichtig; die Gesellschaft stellt Wachen aus und entsendet einen, dann mehrere Kundschafter, um sich vor Gefahr zu sichern. Er nährt sich von Getreide, Gras, Feldpflanzen, Erbsen, Früchten, Würmern, Insekten und frißt auch wohl einen Frosch etc.; in Indien richtet er auf Getreidefeldern oft großen Schaden an. Sein Nest erbaut er auf einem Rohrbüschel im Sumpf, auf einer Insel od. dgl.; das Weibchen legt zwei große, grünliche oder bräunliche, rotgrau und braun gefleckte und gezeichnete Eier (s. Tafel „Eier II“), welche von beiden Geschlechtern ausgebrütet werden. Während das eine der Tiere nistet, steht das andre als Wächter bereit zur Verteidigung. Um sich zu schützen, bestreicht sich der K. während des Brütens mit Moorerde, welche vielleicht durch den Speichel festhaftet und ihn unkenntlich macht. In der Gefangenschaft entwickelt der K. große Anhänglichkeit und zeigt eine Begabung, welche nur mit der der klügsten Papageien verglichen werden kann. Auf dem Geflügelhof hält er Ordnung, trennt die Streitenden, hütet das Vieh wie der Hund, verteidigt es tapfer, zeigt sich aber niemals boshaft und tückisch wie Störche oder Reiher. Das Wildbret des Kranichs war früher sehr geschätzt und gibt besonders eine vortreffliche Suppe. In Asien beizt man die dortigen Arten mit Falken und verfolgt sie namentlich auch der Federn halber. Den Alten war der K. Sinnbild der Wachsamkeit, man schrieb ihm ein Vorgefühl kommender großer Ereignisse zu; an seine laute Stimme knüpfte sich mancherlei Aberglaube, und die Sage berichtet von seinen siegreichen Kämpfen mit den Pygmäen. Den Kalmücken gilt er seines kahlen Schädels halber für heilig; auch die Mongolen verehren ihn, und den Japanern gilt er als Bringer des Glücks und langen Lebens; sie schmücken mit seinem Bilde die Wände der Tempel und der Wohnungen sowie auch Geräte. Die Römer schätzten das Fleisch; im Salischen Gesetz wird der K. unter dem Hausgeflügel aufgezählt. – K. auch s. v. w. Kran.

Kranich, Sternbild der südlichen Hemisphäre, neben dem Phönix und dem Indianer, enthält 13 Sterne bis zur fünften Größe, worunter zwei zweiter, einer dritter Größe; wird in alten Büchern Flamingo genannt.