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MKL1888:Korrespondenzblatt zum zehnten Band

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Korrespondenzblatt zum zehnten Band“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 10 (1888), Seite 10411044
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Korrespondenzblatt zum zehnten Band. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 10, Seite 1041–1044. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Korrespondenzblatt_zum_zehnten_Band (Version vom 13.08.2021)
[1041]
Korrespondenzblatt zum zehnten Band.
Geschlossen am 20. Januar 1888.

K. Schmidt in Zörbig. Eine für Ihre Orientierung wohl hinreichende Karte der Azoren (und außerdem noch 19 Tafeln) finden Sie in dem angeführten Buch von G. Hartung: „Die Azoren in ihrer äußern Erscheinung und nach ihrer geognostischen Natur geschildert“ (Leipz. 1860, Verlag von W. Engelmann).

M. G. in Innsbruck. Ihre Bemängelung der Ziffer für das Gebiet des Schwarzen und Asowschen Meers im Artikel „Europa“, Bd. 5, S. 926, beruht auf einem Mißverständnis. Es handelt sich dort nicht, wie Sie seltsamerweise glauben, um den Flächeninhalt beider Meere, sondern um das Gebiet der Wasserläufe, welche denselben zuströmen. Dieselbe Bewandtnis hat es mit den übrigen dort aufgezählten Meeren; eine Aufzählung des Flächeninhalts der einzelnen Europa umgebenden Meere würde gar nicht in den Rahmen jenes Artikels passen.

Rudolf S. in Dresden. Die im Artikel „Aussteuerversicherung“ (Bd. 2, S. 137) genannte Anstalt für Militärdienstversicherung (Deutsche Militärdienst-Versicherungsanstalt) hatte allerdings früher ihren Sitz in Hamburg, wo sie 1878 vom Direktor H. Marwede, von dem auch der Gedanke zur Errichtung ausgegangen war, eröffnet wurde. 1883 erhielt die Anstalt die Konzession für Preußen und verlegte hierauf ihren Sitz nach Hannover. Ende 1878 waren 1175 Policen in Kraft, die versicherte Summe belief sich auf 1,139,850 Mk., der Reservefonds auf 20,668 Mk. Von da ab hatte die Anstalt von Jahr zu Jahr eine Ausdehnung ihres Geschäftsumfangs um 40–60 Proz. der jeweilig versicherten Summe aufzuweisen. Außer der genannten Anstalt befassen sich noch einige andre mit der Militärdienstversicherung: die Bremer Lebensversicherungsbank (seit 1881), die Reichsversicherungsbank in Bremen (seit 1881), die Hannovera (seit 1885), der Stuttgarter Allgemeine Deutsche Versicherungsverein (seit 1880).

P. K. in Budapest. Unsre Geburtsdaten über Kossuth machen Anspruch auf Richtigkeit; die wiederholt citierten Angaben: geb. 21. April (27. April, 16. April) 1802 zu Monok oder 1805 zu Tapio Bicske, sind irrig. Genauere Ermittelungen haben übrigens ergeben, daß der Tag der Geburt Kossuth selbst unbekannt war oder noch ist.

Wilhelm Brandt in Chemnitz. Das Projekt, den vom Flusse San Juan gebildeten Durchbruch der zentralamerikanischen Kordilleren und den Nicaraguasee zur Herstellung eines interozeanischen Kanals zu verwerten, wurde bereits 1781 von Don Manuel Galisteo im Auftrag der spanischen Regierung untersucht. Seitdem ist man ihm wiederholt näher getreten, und 1849 wurde von Oberst Chields behufs Ausführung des Kanals eine „Atlantic and Pacific Ship Canal Company“ gegründet, die sich aber bald wieder auflöste. Das jüngste Projekt ist 1885 vom amerikanischen Ingenieur A. G. Menocal ausgearbeitet worden (vgl. „Petermanns Mitteilungen“ 1887). Die von Ozean zu Ozean herzustellende Verbindung beträgt demnach 273 km, wovon indes nur 64,8 km auf den eigentlichen Kanal kommen. Von Brito am Stillen Ozean ausgehend, führt der Kanal über die Landhöhe (46,1 m) 27,8 km weit zur Mündung des Rio Lajas in den Nicaraguasee. Auf diese Strecke kämen vier Schleusen. Von da ginge die Fahrt über den See (91 km), den bei Ochoa durch einen Damm aufgestauten San Juan hinab (104 km) und den Nebenfluß desselben, San Francisco, hinauf (19 km), von wo aus bis zu dem noch 31,2 km entfernten Greytown ein Kanal mit drei Schleusen zu führen wäre. Die Wassertiefe ist auf 8,5 und 9,1 m berechnet, und Schiffe sollen binnen 30 Stunden den Kanal passieren können. Die Anlagekosten berechnete man auf 51 Mill. Dollar, später auf 64 Mill. Doll. erhöht. Die Aussichten auf Verwirklichung dieses Projekts sind vorderhand gering.

Paul M. in Leipzig. Die Gesetzesvorlage (Februar 1886), wonach der nördlich vom 46.° Br. gelegene Teil des amerikanischen Territoriums Dakota künftig den Namen Lincoln erhalten sollte, während dessen südlicher Teil unter dem jetzigen Namen als Staat in die Union aufgenommen werden sollte, wurde vom Kongreß verworfen.

W. Brunner in Gera. Die von mehreren Zeitungen gebrachte Nachricht, als hätte im Jahr 1886 eine Volkszählung in der Schweiz stattgefunden, beruht auf einem Irrtum. Die letzte eidgenössische Volkszählung (auf welcher die Angaben des Konversations-Lexikons begründet sind) fand im Dezember 1880 statt, und die nächste wird im Dezember 1888 vor sich gehen.

Über die mit der Zählung im Deutschen Reich 1. Dezember 1885 vorgenommenen Erhebungen hinsichtlich der Konfessionen liegen bisher nur Mitteilungen aus einzelnen Staaten vor. Das Gesamtresultat wird vielleicht im 1888er Jahrgang des „Statistischen Jahrbuchs“, jedenfalls aber in einem die Gesamtergebnisse der 1885er Volkszählung umfassenden, gegenwärtig vom kaiserlichen Statistischen Amt vorbereiteten Band – etwa im Juni d. J. – erscheinen.

E. Wagner in Reichenberg. Die meisten und größten amerikanischen Zeitungen erscheinen allerdings zu New York. Täglich erscheinende größere Blätter gibt es daselbst nicht weniger als 23. Die bedeutendsten derselben sind: „Herald“ (mit einer Auflage von ca. 190,000 Exemplaren), „Daily News“ (160,000), „World“ (150,000), „Times“ (150,000), „Morning Journal“ (100,000), „Sun“ (100,000), „Evening Telegram“ (ein Ableger des „Herald“, 80,000), „Tribune“ (50,000), „Evening Post“, „Mail“, „Express“, „Star“, „Commercial Advertiser“, „Illustrated Daily Graphic“ haben Auflagen von 5000–15,000. In Jersey City und Brooklyn, die als Vorstädte von New York gelten können, mit resp. 130,000 und 600,000 Einw., erscheinen 10 Abendblätter. Die Zeitungspresse der übrigen großen Städte der Union steht der New Yorker im Verhältnis zur Einwohnerzahl nicht nach. So hat Philadelphia 19 täglich erscheinende Zeitungen, deren bedeutendste („Public Ledger“ und „Record“) jede in mehr als 100,000 Exemplaren verbreitet ist; Boston hat 11 Tagesblätter, die eine Gesamtauflage von angeblich 275,000 Exemplaren besitzen; Chicago 17 mit einer Gesamtauflage von über 200,000; San Francisco 13; St. Louis 9, von denen 2 je 30,000 Exemplare drucken. Die nur 10 km von New York entfernte Stadt Newark (136,000 Einwohner) besitzt 4 Morgen- und 3 Abendblätter. Diese Zahlen lassen [1042] erkennen, daß die Entwickelung der nordamerikanischen Zeitungspresse nach unsern Begriffen außerordentliche Dimensionen erlangt hat. Es dürfte in der ganzen Union keine Stadt von 20,000 Einwohner geben, die nicht ihre 2–3 täglich erscheinenden Morgen- und ebenso viele Abendblätter hätte. Die meisten derselben werden in palastartigen Gebäuden hergestellt, die oft die Hauptsehenswürdigkeit der betreffenden Städte bilden und in der Regel mustergültige Einrichtungen besitzen. Beispielsweise braucht die kaum 50 Jahre alte Stadt Grand Rapids in Michigan 5 täglich ein- bis zweimal erscheinende Zeitungen, um den Lesehunger ihrer 40,000 Einw. zu stillen. Nach einer Statistik von 1885 gab es in den Vereinigten Staaten bei einer Bevölkerung von rund 55 Mill. Seelen 1183 täglich, 10,082 wöchentlich einmal, 139 wöchentlich zweimal und 39 wöchentlich dreimal erscheinende Organe; seltener als wöchentlich einmal erschienen 2051; macht alles in allem 13,494 periodische Druckschriften oder eine auf je etwa 4000 Seelen (1860 erst 5253 oder eine auf 6000 Seelen).

G. B. in Pillnitz. Die Ansicht der Burg Fleckenstein bei Weißenburg im Elsaß auf unsrer Tafel „Burgen“, Fig. 1 (Bd. 3), geht nicht, wie Sie schreiben, auf Merians „Topographie“, sondern auf Specklins „Architektura von Vestungen“ zurück. Wenn J. Naeher in seiner Schrift „Die deutsche Burg, ihre Entstehung und ihr Wesen, insbesondere in Süddeutschland“ (Berl. 1885) behauptet, daß die Specklinsche Abbildung ein „phantastisches Zerrbild“ sei, so scheint ihm der gegenwärtige Zustand des Felsens, auf dem die Burg gestanden, recht zu geben. Aber die von ihm gebotene Ansicht, welche nichts als die Felsen zeigt, wäre für unsre Absicht, mittelalterliche Burgen zu veranschaulichen, nicht verwendbar gewesen. Nach Woltmanns Urteil („Geschichte der deutschen Kunst im Elsaß“, S. 200) hat Specklin allerdings die „Verhältnisse des Effekts wegen etwas steiler dargestellt“, womit er nur einer Geschmacksrichtung der Zeit folgte. Nach Woltmann hätte die Höhe des Felsens 140 Fuß betragen; Naeher gibt dagegen nur 30 m an. Doch fügt er hinzu, daß die Südseite des „Klotzes stark ausgewaschen“ ist, und auch Woltmann spricht von starker Verwüstung. Unter diesen Umständen wird sich schwerlich entscheiden lassen, ob die Burg jemals wirklich so ausgesehen, oder ob sich Specklin eine willkürliche Restauration erlaubt hat.

E. Brett in Nürnberg. Dem Andenken des Botanikers und Amerikareisenden Thaddäus Hänke, über welchen Sie eine Notiz im Konversations-Lexikon finden, hat der Oberlehrer Gustav Kny anläßlich der Enthüllungsfeier der vom deutsch-politischen Fortbildungsverein zu Kreibnitz gestifteten Gedenktafel 1885 eine kleine Schrift gewidmet, welche im Selbstverlag des genannten Vereins erschienen ist. Über Art, Ort und Zeit von Hänkes Tod herrscht noch ein eigentümliches Dunkel. Was von seinen nach Böhmen geschickten Sammlungen zu gebrauchen war, befindet sich jetzt in der Naturaliensammlung des Böhmischen Museums zu Prag. Letzteres hat 1825 eine Schrift darüber veröffentlicht. Seine in der Provinz Cochabamba gesammelten Erfahrungen legte Hänke nieder in dem Werk: „Einführung in die Naturgeschichte der Provinz Cochabamba 1798“, welches von dem Spanier Don Felix Azara in dessen Reisewerk aufgenommen und ohne Hänkes Vorwissen in französischer Sprache gedruckt erschien. In spanischer Sprache schrieb Hänke: „Bemerkungen über die schiffbaren Flüsse, welche in den Kordilleren Perus entspringen und in den Maranon münden“ (1799). Außerdem hat er früher „Beobachtungen auf Reisen durch das Riesengebirge“ geschrieben und die achte Bearbeitung des großen Linnéschen Werkes „Genera plantarum“ (Wien 1791) besorgt.

P. in Karlsruhe. Der Gesetzentwurf über den Verkehr mit Wein, welcher dem Reichstag vorgelegt worden ist, bezweckt nicht ein Verbot des sogen. Kunstweins. Er verbietet auch keineswegs alle Zusätze, sondern er beschränkt sich lediglich darauf, diejenigen Stoffe zu bezeichnen, welche unter allen Umständen von der Weinbereitung ausgeschlossen sein sollen. Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit einer von diesen beiden Strafen wird derjenige bedroht, welcher vorsätzlich folgende Stoffe dem Wein bei oder nach der Herstellung zusetzt: Baryumverbindungen, metallisches Blei oder Bleiverbindungen, Glycerin, Kermesbeeren, Magnesiumverbindungen, Salicylsäure, unreinen (freien Amylalkohol enthaltenden) Sprit, unkristallisierten Stärkezucker, Teerfarbstoffe. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher dem Wein einen Zusatz von Schwefelsäure gibt, der in einem Liter Flüssigkeit mehr beträgt, als sich in 2 g neutralen schwefelsauren Kaliums vorfindet. Ebenso ist das Feilhalten und Verkaufen solcher Weine verboten. Bei fahrlässigem Zuwiderhandeln tritt Geldstrafe bis zu 150 Mark oder Haft bis zu sechs Wochen ein.

Oberlehrer Nörpel in Scheinfeld. Der Plan des Konversations-Lexikons schließt eine spezielle Berücksichtigung so untergeordneter Sprachen aus.

K. Zeil in St. Petersburg. Die Umarbeitung des Kugler-Eastlakeschen „Handbook of painting. The Italian schools“, die vor kurzem in London erschien, stammt aus der Feder des als Assyriolog und Diplomat weltbekannten Sir Henry Layard, dessen Autorität auch auf kunsthistorischem Gebiet (Layard ist einflußreichster Trustee der Nationalgalerie) eine längst anerkannte ist. Sir Henry Layard ist selbst Sammler, und seine Gemäldesammlung im Palazzo Capello am Canal Grande in Venedig zählt jetzt zu den gewähltesten unter den Privatsammlungen Italiens. Durch seine Reisen ist er mit den Gemäldegalerien Europas wohlvertraut. Als Schriftsteller auf dem Gebiet der italienischen Malerei hatte er sich früher bereits durch Abhandlungen bekannt gemacht, z. B. in Textbeilagen zu den Publikationen der Arundel-Gesellschaft und neuerdings (Oktober 1886) in einem interessanten Aufsatz über die geschichtliche Entwickelung der englischen Nationalgalerie in der „Quarterly Review“. Noch ein zweites Werk des berühmten Forschers erschien in jüngster Zeit, ebenfalls lange nach dem Druck unsers biographischen Artikels: „Early adventures in Persia, Susiana and Babylonia“ in 2 Bänden.

v. M. in Arco. Über die Wirkungen des Tabaksgenusses herrschen keineswegs übereinstimmende Anschauungen, und Bennett hat daher den vielfach behandelten Gegenstand einer erneuten Untersuchung unterworfen. Auf Grund einer großen Anzahl von Beobachtungen kommt er zu dem Schluß, daß die Wirkungen des Tabaks nur quantitativ verschieden sind je nach der täglich verbrauchten Menge; freilich ist die Empfindlichkeit des Individuums rücksichtlich dieser Wirkungen eine verschieden große je nach Konstitution, Kräftezustand etc., so daß die Bezeichnungen „mäßiger“ und „unmäßiger“ Tabaksgenuß relativ aufzufassen sind. Der Tabak regt in mäßigen Dosen bei den an seinen Genuß gewöhnten Personen die Thätigkeit des Geistes an und wirkt der Schlafneigung [1043] entgegen; er vermehrt den Gedankenfluß und die Klarheit der geistigen Vorstellungen, beruhigt, aber heitert nicht auf, eine Wirkung, die besonders bei geistiger Depression oder Angst beobachtet wird. Er verursacht immer leichte Muskelschwäche und vermindert die Erregbarkeit der Bewegungsnerven, während die Gefühlsempfindungen durch ihn nicht alteriert werden. Die Thätigkeit des Herzens wird durch den Tabak verlangsamt, aber energischer. Er verhindert die Ermüdung nicht, macht aber durch seine beruhigenden Eigenschaften die Effekte größerer Anstrengungen weniger fühlbar. Er vermehrt die Absonderung des Mundspeichels und beeinflußt dadurch in günstiger Weise die Verdauung; der Genuß einer guten Zigarre oder einer Pfeife ist daher besonders nach der Mahlzeit zu empfehlen. Er vermehrt die Absonderung des Urins und regt die peristaltische Bewegung des Darms an. Der Tabaksgenuß ist daher zu empfehlen bei gewissen Formen geistiger Erkrankung, besonders bei der Melancholie, indem durch Anregung des Gedankenflusses der Geist von der fixen traurigen Idee, die ihn hauptsächlich beschäftigt, abgezogen wird; in ähnlicher Weise kann er bei der akuten Manie den Ausbruch eines Tobsuchtsanfalls verhindern. Der Tabak wirkt ferner günstig bei Vergrößerung des Herzens, wenn dies Organ zu stark arbeitet, bei habitueller Verstopfung, in gewissen Fällen von Asthma und bei einigen Formen von Verdauungsstörungen, bei denen die genossenen Speisen unverdaut, wie Blei, im Magen liegen.

Übermäßiger Tabaksgenuß reizt die Schleimhäute des Mundes, der Nase, des Halses und des Kehlkopfes und erzeugt chronischen Katarrh derselben. Der in großer Menge abgesonderte Speichel nimmt saure Beschaffenheit an; dadurch wird die Ablagerung des Zahnsteins begünstigt, und die Zähne selbst werden angegriffen. Diese üble Wirkung des Tabaks auf die Zähne kann man auch bei mäßigem Genuß beobachten. Die Schleimhaut des Magens wird in gleicher Weise affiziert wie die des Mundes, daher verminderter Appetit und gestörte Verdauung. Auf das Auge wirkt Tabak ähnlich, wenn auch nicht so stark wie Belladonna; er erweitert die Pupille und vermindert ihre Reaktionsfähigkeit gegen das Licht. Da infolgedessen die Pupille starker Raucher weiter ist als normal, so fällt mehr Licht auf die Netzhaut, und diese wird einem kontinuierlichen übermäßigen Reiz ausgesetzt. Auch noch in andrer Weise wirkt das Rauchen schädlich auf die Augen. Besonders bei Leuten, die während des Rauchens lesen oder schreiben, reizt der Rauch fortwährend die Bindehäute des Auges, und dies gibt zu Störungen in der Blutzirkulation in denselben sowie in den unterliegenden Teilen des Auges Veranlassung. Die Wirkungen des übermäßigen Tabaksgenusses auf das Muskel- und Nervensystem sowie auf das Gehirn sind von den oben erwähnten beim mäßigen Rauchen beobachteten nur quantitativ verschieden. Die Schwäche in den Muskeln ist stärker ausgesprochen. Schwäche in den Knieen ist eine gewöhnliche Klage aller starken Raucher, mögen sie sich auch sonst guter Gesundheit erfreuen. Das Rückenmark scheint in leichter Weise affiziert; die wirkliche, vom Bewußtsein unabhängige Reflexerregbarkeit ist herabgesetzt, während Zittern und Ungeschicklichkeit bei Ausführung kleinerer Hantierungen, also die Zeichen von Störungen in der zweckmäßigen Zusammenordnung der Bewegungen, bestehen. Auf gewisse Funktionen des Geistes übt übermäßiges Rauchen einen lähmenden Einfluß aus, während die Reizbarkeit des Gehirns im allgemeinen gesteigert ist. Willkürliche Bewegungen werden weniger prompt ausgeführt, da leichte Lähmung der Bewegungsnerven besteht. Die spezifischen Sinnesnerven übermitteln dagegen ihre Eindrücke leichter als gewöhnlich, und es kommt dadurch zu häufigen vom Willen unabhängigen oder gegen den Willen stattfindenden Bewegungen. So kann ein leichtes Geräusch, z. B. der Ton einer entfernten Pfeife, plötzliches Auffahren oder eine Bewegung der Hand nach dem Ohr verursachen, die der Betreffende nicht willkürlich unterdrücken kann. Obwohl die Schärfe der Perzeption nicht materiell verändert erscheint und äußere Eindrücke leicht aufgenommen werden, so fehlt es doch an der geistigen Verarbeitung derselben. Die Eindrücke sind transitorisch, und neue Ideen drängen sich an die Stelle der eben erst den Geist beschäftigenden. In gewissen Krankheiten ist das Rauchen überhaupt schädlich, so bei allen Formen des chronischen Katarrhs der verschiedenen Schleimhäute, selbst beim Blasenkatarrh. Bei Eiterungen des Mittelohrs ist das Rauchen besonders schädlich. Nicht zu empfehlen ist es ferner bei Schlaflosigkeit infolge von geistiger Überanstrengung, bei Herzschwäche und gewissen mit Schwächezuständen verbundenen Neuralgien.

In der Société de Médecine publique in Paris gelangte man bei Gelegenheit eines Austausches zahlreicher Beobachtungen über die schädlichen Wirkungen des Tabakrauchens zu dem Ergebnis, daß schwere Störungen der Herzthätigkeit weit häufiger aus der Gewohnheit starken Rauchens entstehen, als bisher angenommen wurde. Die von Vallin mitgeteilten Erkrankungsfälle beweisen, daß nach länger fortgesetzten Rauchexzessen sich eine solche Empfindlichkeit gegen die Nikotinwirkungen auszubilden vermag, daß auch der mäßigste Weitergenuß, ja sogar der Aufenthalt in geschlossenen Räumen, in welchen andre stark rauchen, zur Wiederhervorrufung und Unterhaltung beunruhigender Herzstörungen genügt. Völlige Enthaltung vom Rauchen und Fernhaltung von der Gesellschaft andrer Raucher brachten in allen Fällen die Krankheitserscheinungen zum völligen Schwinden.

Emmerich Schmidt in Hamburg. Sie meinen das Werk von G. Uhlhorn: „Die christliche Liebesthätigkeit in der alten Kirche“, das 1882–84 zu Stuttgart in zwei Bänden erschienen ist. – Die Ergebnisse der für das Jahr 1885 angestellten Erhebung über die Wirksamkeit der öffentlichen Armenpflege im Deutschen Reich sind jetzt vom Kaiserlichen Statistischen Amt in den vom Bundesrat vorgeschriebenen Übersichten veröffentlicht worden. Die Nachweisungen betreffen die Zahl und Bevölkerung der Armenverbände, die von denselben unterstützten Personen und zwar der Selbst- und der Mitunterstützten, die Unterstützungsform der geschlossenen (Anstalts-) und der offenen (Wohnungs-) Pflege, die Ursachen der Unterstützungsbedürftigkeit, die Ausgaben zu Zwecken der öffentlichen Armenpflege, das Erstattungswesen in Armensachen und die Armenstreitsachen. In territorialer Hinsicht werden die Nachweise eingehend bis auf die Verwaltungseinheiten (Kreise, Bezirksämter etc.) gebracht und überdies für jeden Kreis etc. die Kategorien der Städte, Landgemeinden, Gutsbezirke und gemischten Armenverbände unterschieden. Als Einleitung ist eine Darstellung der Armengesetzgebung und der Organisation der öffentlichen Armenpflege, eine Schilderung des Verfahrens bei der armenstatistischen Erhebung und eine Besprechung der Hauptresultate derselben gegeben, die sich auf alle Gegenstände der Aufnahme erstreckt. Beigefügt sind dem Band zwei kartographische Darstellungen, welche die [1044] Wirksamkeit der öffentlichen Armenpflege nach der Zahl der Unterstützten und die Höhe des Aufwandes zur Anschauung bringen.

Nach den Aufnahme-Ergebnissen sind im Jahr 1885 im Deutschen Reich 1,592,386 Personen (oder 3,40 Proz. der Bevölkerung) durch die öffentliche Armenpflege unterstützt worden, nämlich 886,571 Selbstunterstützte (Familienvorstände und Einzelnstehende) und 705,815 Mitunterstützte (mit den Familienvorständen zusammenlebende Ehefrauen u. noch nicht 14 Jahre alte Kinder oder Kindeskinder derselben). Was die Ursachen der Hilfsbedürftigkeit anlangt, so verteilen sich die Unterstützten auf dieselben in folgender Weise:

Tod des Ernährers nicht durch Unfall 273939 = 17,2%
Krankheit des Unterstützten oder in dessen Familie 444498 = 27,9%
Körperliche od. geistige Gebrechen 197092 = 12,4%
Eigne Verletzung durch Unfall 32495 = 2,1%
Verletzung des Ernährers 5144 = 0,3%
Tod des Ernährers 14913 = 0,9%
Altersschwäche 234952 = 14,8%
Große Kinderzahl 115146 = 7,2%
Arbeitslosigkeit 95468 = 6,0%
Trunk 32424 = 2,0%
Arbeitsscheu 22528 = 1,4%
Andre bestimmt angegebene Ursachen 122214 = 7,7%
Nicht angegebene Ursachen 1573 = 0,1%
Zusammen: 1592386 = 100 %

Die Ausgaben für die öffentliche Armenpflege erreichten im Jahr 1885 den Betrag von 92,452,517 Mk. oder von 1,97 Mk. auf den Kopf der Bevölkerung.

A. Laforest in Wien. Jules Grévy ist in der That im August 1807 geboren. Im „Vapereau“ und in andern bekannten Nachschlagbüchern ist allerdings 1813 als Geburtsjahr angegeben, diese Angabe ist jedoch falsch. Solange Grévy der erste Beamte des französischen Staats war, hat man sich viel mit seiner Person und seiner Geschichte beschäftigt, jedenfalls weit mehr, als ihm angenehm sein konnte. Man hat nicht bloß amtliche Urkunden (Geburtszeugnis, Protokoll seiner Aufnahme in das Pariser Barreau etc.) beigebracht, welche feststellen, daß er 1807 geboren ist, man hat auch nachgewiesen, daß er gar nicht Jules, sondern Judith François heißt, jedoch eigenmächtig den Namen „Judith“ gegen „Jules“ vertauscht hat. Mit solchen Dingen nimmt man es in Frankreich weit leichter als in Deutschland, wo man mit standesamtlichen Angaben nicht spaßen darf.

J. M., Mitglied des Hoftheaters in Mannheim. Hermann Goedsche, als Romanschriftsteller unter dem Pseudonym Sir John Retcliffe bekannt, wurde 12. Febr. 1815 zu Trachenberg in Schlesien geboren, besuchte das Gymnasium in Breslau und widmete sich 1833 dem Postdienst, in welchem er seit 1838 in Berlin angestellt war. Seine Verwickelung in den bekannten Waldeckschen Prozeß veranlaßte ihn 1849, den Dienst zu quittieren und sich von nun ab ausschließlich litterarischer und journalistischer Thätigkeit zu widmen, zu welcher er von Jugend auf hingeneigt hatte. Im besondern widmete er der feudalen „Neuen Preußischen (Kreuz-) Zeitung“ seine Feder; auch redigierte er mehrere Jahre den „Kalender für den preußischen Volksverein“. 1874 siedelte er nach Warmbrunn über, wo er der Leitung des von ihm mitbegründeten Militärkurhauses vorstand. In Warmbrunn ist Goedsche 8. Nov. 1878 auch gestorben. Während er seine ersten novellistischen Arbeiten, welche im romantischen Sinn historische Gegenstände behandelten, unter dem Schriftstellernamen Armin herausgab, wählte er für seine größern Sensationsromane, in denen er seit 1856 eine außerordentliche Betriebsamkeit entwickelte, den oben genannten, etwas nach Reklame schmeckenden englischen Namen als Aushängeschild. Diese, welche in bändereicher Kette die weltgeschichtlichen Ereignisse seit dem Krimkrieg nicht ohne journalistisches Geschick und historische Kenntnisse in Romanform zur Darstellung zu bringen strebten, nehmen ihrem Wert nach eine zweifelhafte Stellung weit unter dem echten historischen Roman, jedoch auch über dem niedern Kolportageroman ein. Auf Kunstwert können sie keinen Anspruch machen und thun dies wohl auch kaum, dagegen ist dem Autor das Talent, seine Leser – freilich oft nicht durch die reinsten Mittel – in Spannung zu halten, nicht abzustreiten. Dieser Vorzug und das Sensationelle ihrer Gegenstände hat die „historisch-politischen Romane der Gegenwart“: „Sebastopol“, „Nena Sahib“, „Villafranca“, „Puebla“, „Biarritz“ etc., mit zu dem beliebtesten Lesefutter des gewöhnlichen, nicht Kunstgenuß, sondern möglichst wohlfeile Unterhaltung suchenden Publikums unsrer Leihbibliotheken gemacht. Im Konversations-Lexikon ist aber für Vertreter dieser Litteraturgattung kein Raum.

J. S. in München. Die beiden Anträge, welche im Reichstag eingebracht, und die beide auf die Wiedereinführung der Berufung in den landgerichtlichen Strafsachen gerichtet sind, decken sich nicht vollständig. 1) Der Antrag des klerikalen Abgeordneten Reichensperger will das Rechtsmittel der Berufung in gleicher Weise dem Staatsanwalt wie dem Beschuldigten geben, während der Antrag „Munckel“ die Staatsanwaltschaft in dem Recht zur Berufung beschränkt wissen will. Die von der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Beschuldigten gegen ein Urteil der Strafkammer eingelegte Berufung soll nämlich nach Munckels Vorschlag nur durch Anführung neuer Thatsachen oder Beweismittel gerechtfertigt werden können, eine Beschränkung, die für das von dem Angeklagten eingewendete Rechtsmittel der Berufung nicht gelten soll. 2) Reichensperger will bei gleichzeitiger Einführung der Berufung gegen die Urteile der Strafkammer der Landgerichte die gegenwärtige Besetzung der letztern ändern. Jetzt müssen nach dem Gerichtsverfassungsgesetz die Strafkammern in der Hauptverhandlung mit fünf Richtern besetzt sein. Reichensperger will mit der Einführung der Berufung an eine zweite Instanz die Zahl der erstinstanzlichen Richter auf drei reduzieren, während Munckel die gegenwärtige Zahl von fünf Richtern beibehalten will. 3) Der hauptsächlichste Unterschied aber ist folgender: Munckel will die Berufung gegen das Urteil der Strafkammer an den mit fünf Richtern besetzten Strafsenat des Oberlandesgerichts gehen lassen. Reichensperger läßt dagegen die Berufung nicht an ein höheres Gericht gehen. Er will bei den Landgerichten Strafberufungskammern eingerichtet haben. Diese sollen über die Berufung gegen die erstinstanzlichen Urteile der Strafkammern entscheiden; auch sollen sie nach Reichenspergers Vorschlag für die Schöffengerichte die Berufungsinstanz bilden. Die übrigen Differenzpunkte sind von untergeordneter Bedeutung.




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