MKL1888:Korinth
[90] Korinth (Korinthos), im Altertum berühmte Stadt im Peloponnes, Hauptort der Landschaft Korinthia, welche die nordöstlichste Ecke von Argolis umfaßte und durch den zu ihr gehörigen, 5915 m breiten und 80 m hohen, sehr felsigen Isthmus von K. den Peloponnes mit dem griechischen Festland verband (s. unten). Die Stadt lag unter dem steilen Nordabfall des Bergs, auf dem ihre Burg (Akrokorinth) stand, hatte drei Häfen (Lechäon am Korinthischen Busen, mit K. durch 12 Stadien lange Schenkelmauern verbunden, Kenchreä und Schönos am Saronischen Busen) und war die Pforte zum Peloponnes, daher von großer strategischer Wichtigkeit. An die Phöniker, welche sich hier frühzeitig niedergelassen hatten, erinnerten mannigfache Anklänge in Mythe und Kultus; so wurden hier Melikertes (Melkart) und Aphrodite verehrt, letztere mit ausschweifendem Dienst. Auch Poseidon und andre Meergottheiten standen in der See- und Handelsstadt in besonderm Ansehen. Dieser Götterdienst gab schon in alter Zeit Veranlassung zur Ausübung und Ausbildung mannigfacher Künste, und die Korinther zeichneten sich dabei durch Erfindungsgeist, Schönheitssinn und Kunstfertigkeit aus und suchten einen Ruhm darin, in dem Schmuck ihrer Stadt und ihrer Tempel das übrige Griechenland zu überbieten. Ihre reichsten und geschmücktesten Formen verdankt die Baukunst den Korinthern. Die Kunstweberei und Färberei, die Bearbeitung des Erzes, die Töpferei und Thonplastik standen in K. in besonderer Blüte; in der Malerei werden Korinther, wie Ardikes, Kleophantos, Kleanthes, als die Anfänger und Ausbildner der Kunst genannt. Auch der Dithyrambos fand hier durch Arion seine erste Ausbildung. Später jedoch blieb die geistige Kultur hinter der Ausbildung und Pflege des Materiellen zurück; in der Litteratur hat sich kein Korinther hervorgethan. Dagegen hat K. weise Staatsmänner hervorgebracht, wie Periandros, Phidon, Philolaos, den Gesetzgeber der Thebaner, und Timoleon; auch lebte hier Diogenes. Gewerbthätigkeit, Handel und Schiffahrt nahmen hauptsächlich die Thätigkeit der Korinther in Anspruch. Die Lage zwischen zwei Meeren, die Schwierigkeit, den Peloponnes zu umschiffen, die Leichtigkeit dagegen, Waren über den Isthmus zu schaffen, hatten K. schon sehr früh zu einem großen Markt- und Stapelplatz gemacht; insbesondere war es der Mittelpunkt des gesamten Verkehrs mit griechischen, italienischen, illyrischen und asiatischen Handelsartikeln. Was K. an eignen Produkten ausführte, waren meist Kunsterzeugnisse: Thon- und Erzwaren, Statuen, Gemälde etc. Zur Zeit ihrer höchsten Blüte soll die Stadt 300,000 (?) Einw. gehabt haben; die Zahl ihrer Sklaven, die auf der Flotte und in den überseeischen Kolonien inbegriffen, betrug über eine halbe Million. Doch war nur die herrschende Klasse dorischen Stammes, das weit zahlreichere nichtdorische Volk gab den dort sich aufwerfenden Tyrannen stets eine sichere Stütze ab. Das beste Zeugnis von der frühern Blüte Korinths sind die zahlreichen Kolonien, welche diese Stadt angelegt hat: Syrakus, Molykreia, Solion in Akarnanien, Ambrakia, Anaktorion, Leukas, Kerkyra, Epidamnos, Apollonia und später Potidäa in Chalkidike. Die meisten Heiligtümer und Götterbilder Korinths, von welchen nur dürftige Reste erhalten sind, standen an der Agora; die Mitte derselben nahm eine Erzstatue der Athene ein. Nordwestlich davon war ein römisches Amphitheater. Gegen das sikyonische Thor zu standen ein Apollontempel, das Odeon und das Grabmal der Kinder der Medea; nicht weit davon der Tempel der Athene Chalinitis (von welchem noch sieben dorische Säulen stehen), das Theater und das alte Gymnasium bei der Quelle Lerna, im Cypressenhain Kranion, wo Diogenes meist zu finden war. Zur Burg (Akrokorinth), auf steilem, 575 m hohem Felsen gelegen, führte ein 30 Stadien (51/2 km) langer Weg, dessen Seiten mehrere Tempel, Altäre und Bildsäulen schmückten. Oben auf ihr glänzte der Tempel der Aphrodite mit der Bildsäule der Göttin. Akrokorinth, durch die Quelle Pirene reichlich mit Wasser versorgt, ist wegen der hohen, schwer zugänglichen Lage bis in die Neuzeit eine wichtige Festung gewesen, befindet sich gegenwärtig aber im Verfall. Am Fuß des Bergs liegt die kleine Paulskirche, an der Stelle erbaut, wo der Apostel das Christentum gepredigt haben soll.
Die Geschichte Korinths verliert sich in die Sagenwelt. Schon um 1350 v. Chr. soll die Stadt (Ephyra) durch den Äoliden Sisyphos gegründet worden sein, dessen Nachkommen das Land beherrschten, bis der Heraklide Aletes mit den Doriern K. einnahm und die Herrschaft der Äolier stürzte (1074). Die eingewanderten Dorier bildeten nun auch hier den Adel des neuen Staats, und unter demselben nahmen die Bakchiaden, die Nachkommen des Königs Bakchis, die vornehmste Stelle ein und begründeten auch nach dem Sturz des Königtums 748 eine oligarchische Herrschaft von 200 Familien, aus denen jedes Jahr ein Prytan erwählt wurde. Diese Oligarchie wurde 657 von Kypselos gestürzt, dem 629 sein Sohn Periandros (629–585) folgte. Beide haben viel zu Korinths Glanz und Größe beigetragen. Der Handel der günstig an zwei Meeren gelegenen Stadt hob sich; Kerkyra wurde kolonisiert und unterworfen, der Bau von Trieren begonnen, die Töpferscheibe erfunden, Gewerbe und Kunsthandwerk eifrig gepflegt und zu hoher Blüte gebracht. 582 wurden Periandros’ Neffe Psammetich gestürzt, und nun wurde die alte dorische Verfassung wiederhergestellt. In frühern Zeiten mit Athen verbündet und befreundet, hielt sich K. nach den Perserkriegen, eifersüchtig auf Athens aufblühenden Handel und gewaltige Seemacht, zu dem Bündnis der dorischen Staaten. Nachdem es bereits 458 einen erfolglosen Krieg gegen Athen begonnen, hetzte es, gereizt durch die Einmischung der Athener in seine Beziehungen zu seinen Kolonien, die Peloponnesier 431 zu dem Beginn des großen Kriegs, der mit der Besiegung Athens endete, K. aber nicht den gehofften Gewinn brachte, der erste Seestaat von Hellas zu sein. Es verband sich daher 395 mit Athen, Theben und Argos zu einer Schilderhebung gegen die spartanische Gewaltherrschaft, und es entspann sich daraus der sogen. Korinthische Krieg (s. d.), welcher besonders in der Nähe von K. spielte. Aber auch dieser verschaffte K. nicht die gewünschte unabhängige Macht. 366 bemächtigte sich Timophanes der Alleinherrschaft, wurde aber von seinem Bruder Timoleon gestürzt und ermordet. In K. wurden 338 und 336 die Versammlungen der Hellenen abgehalten, auf denen die Könige Philipp und Alexander zu Heerführern gegen Persien ernannt wurden. Unter der makedonischen Herrschaft war K. und seine Burg, eine der Fesseln Griechenlands, stets von einer starken Garnison besetzt. 243 schloß sich K. [91] nach Vertreibung der Makedonier an den Achäischen Bund an und blieb bei demselben bis 146, in welchem Jahr es von den Römern unter Mummius eingenommen und gänzlich zerstört wurde. Der Untergang Korinths bezeichnet zugleich in der Geschichte das völlige Aufhören der griechischen Freiheit und Selbständigkeit (s. Griechenland, S. 695). Nach der Zerstörung Korinths fiel der größte Teil des Gebiets den Sikyoniern zu, und der Handel zog sich nach Delos. Ein ganzes Jahrhundert lag die Stätte, wo einst K. geglänzt, öde; nur einige Tempel und die Burg waren erhalten. Erst 46 ließ C. Julius Cäsar die Stadt wieder neu erstehen und mit Veteranen und Abkömmlingen von Freigelassenen bevölkern, und von nun an führte sie auf Inschriften den Namen Colonia Julia Corinthus. Hatte die alte Stadt, da sie den Burgfelsen in sich schloß, einen Umfang von 85 Stadien, so war dagegen die neue in einem regelmäßigen Viereck von 40 Stadien an der Nordseite der Burg angelegt, so daß nur drei Seiten mit einer Mauer umgeben waren, während die vierte Seite sich an die Akropolis anlehnte. Zerstörte Tempel und andre öffentliche Gebäude waren wieder aufgebaut worden. Aber bereits am Ende des 3. Jahrh. wurde K. wieder von gotischen Scharen verwüstet, 396 von
Kärtchen des Isthmus von Korinth. | |
Alarich, im 8. Jahrh. von den Slawen. 1205 wurde es von den Franken erobert; später fiel es wieder an das griechische Kaiserreich und wurde an Prinzen aus dem Paläologischen Haus verliehen, denen es 1459 die Türken entrissen. Noch einmal fiel es 1699 den Venezianern zu, die es bis 1715 behaupteten. Unter türkischer Herrschaft sank K. zu einem elenden Flecken herab; der Handel zog sich ganz nach Patras. 1822 wurde es von der türkischen Herrschaft frei und fing seit 1830 an, wieder langsam aufzublühen.
Ein Erdbeben zerstörte aber 21. Febr. 1858 von neuem die Stadt, welche seitdem an einer andern Stelle, 5 km nordöstlich am Golf von Lutrake, sehr regelmäßig wieder aufgebaut ist. Dieses neue K. (Nea-Korinthos) ist die Hauptstadt einer Eparchie des griechischen Nomos Argolis und K., Sitz eines Erzbischofs, eines Zollamtes, eines Gymnasiums etc., zählt aber (1885) erst 3000 Einw. An der alten Stelle hat sich nur ein elendes Dorf mit einigen Altertümern erhalten. 21/2 km in ostnordöstlicher Richtung von Neukorinth mündet der Kanal, welcher gegenwärtig über den Isthmus (s. d.) geführt wird und eine Verbindung des Meerbusens von K. mit dem von Ägina herstellen soll (s. Kärtchen). Dadurch wird die Fahrt um das im Winter gefährliche Kap Matapan vermieden, und den aus dem Adriatischen Meer kommenden Schiffen erwächst ein Zeitgewinn von 24 Stunden. Wiederholt (zuletzt unter Nero) versuchte man im Altertum einen Kanal durch die Landenge zu graben, aber immer vergeblich; 1881 erhielt General Türr von der griechischen Regierung die Konzession zur Anlage eines Kanals von 8 m Tiefe und 22 m Breite und wählte zu diesem Zweck die Neronische Linie. Der Kanal wird nur eine Länge von 6,3 km haben und Ende 1891 vollendet sein. An seiner östlichen Mündung ist die neue Stadt Isthmia, an der westlichen Posidonia angelegt worden. Vgl. Dimitsas, Der Isthmus von K. (Athen 1884).