MKL1888:Kartell
[564] Kartell (franz. Cartel, von carte, „Schriftstück“), ursprünglich die bei den Turnierspielen zu beobachtende Kampfordnung; dann eine schriftliche Aufforderung zum Zweikampf, daher der Überbringer einer Herausforderung Kartellträger genannt wird. Das deutsche Strafgesetzbuch (§ 203) bedroht einen solchen mit Festungshaft bis zu sechs Monaten. K. (Kartellkonvention) ist ferner eine Bezeichnung für Verträge oder Verabredungen, die besonders da angewandt wird, wo es sich um Verträge handelt, durch welche nicht neue Rechtsverhältnisse begründet werden sollen, sondern für einen voraussichtlich ohne das Zuthun beider Teile eintretenden Fall Vorsorge getroffen wird. Auch die Bedeutung liegt in dem Worte, daß Parteien, die sonst Konkurrenten sind, für den einzelnen Fall Vorsorge treffen, um ihre gemeinsamen Interessen gegenüber Dritten zu wahren. Eisenbahngesellschaften schließen ein K. über Tariffeststellung, über gegenseitige Benutzung ihrer Wagen u. dgl. (s. Eisenbahnkartelle); Versicherungsgesellschaften schließen ein K., um einander Auskunft über die [565] Qualität von Agenten und Policesuchern zu erteilen; Lieferanten setzen durch Kartelle Preisminima fest, unter welche der einzelne bei Vermeidung von Konventionalstrafe nicht heruntergehen darf. Auch bei dem Verkehr zwischen Staaten kennt man Kartelle, wie Auslieferungs-, Zollkartelle etc. Ein Zollkartell ist ein Vertrag, durch welchen zwei Staaten verabreden, daß ihre Zollbehörden einander innerhalb gewisser Schranken Beistand gewähren sollen. Es ist zu unterscheiden von dem Zollvertrag, in welchem über Höhe und Art der Zölle materielle Verabredungen getroffen werden. Ein solches Zollkartell, wie es z. B. zwischen dem Deutschen Reich und Österreich besteht (23. Mai 1881), bildet der Regel nach das Annexum eines Handelsvertrags. K. ist auch ein zwischen kriegführenden Mächten abgeschlossener Vertrag, welcher die Art der Kriegführung, namentlich auch die Auswechselung der Gefangenen, betrifft; auch ein zwischen zwei Mächten im Frieden in betreff der Auslieferung der Schmuggler, Deserteure und flüchtigen Militärpflichtigen abgeschlossener Vertrag. In letzterer Hinsicht bestand früher zwischen den zum Deutschen Bund gehörigen Staaten ein Kartellvertrag vom 10. Febr. 1831 über die wechselseitige Auslieferung von Militärpflichtigen und Deserteuren. Nur die eignen Unterthanen wurden, wofern sie aus dem fremden Kriegsdienst desertierten, nicht ausgeliefert. Dies K. ist zwischen Österreich und Preußen durch den Prager Frieden ausdrücklich aufrecht erhalten; für die zum nunmehrigen Deutschen Reich gehörigen Staaten und für deren wechselseitige Beziehungen ist es bei der Einheitlichkeit der Heeresverfassung und der Rechtshilfe gegenstandslos.