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MKL1888:Karsten

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Karsten“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 9 (1887), Seite 563564
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Karsten. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 9, Seite 563–564. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Karsten (Version vom 11.04.2021)

[563] Karsten, 1) Wenzeslaus Johann Gustav, Mathematiker, geb. 15. Dez. 1732 zu Neubrandenburg, ward Professor der Philosophie in Rostock, 1760 der Mathematik zu Bützow und 1778 in Halle, wo er 17. April 1787 starb. Seine Lehrbücher standen ihrer Zeit in hohem Ansehen.

2) Franz Christian Lorenz, Agronom, Bruder des vorigen, geb. 1751 zu Pohnsdorf in Mecklenburg, wurde 1780 Professor der Kameralwissenschaften zu Bützow, später zu Rostock, errichtete die erste deutsche landwirtschaftliche Lehranstalt zu Neuenwerder bei Rostock, woselbst er 28. Febr. 1829 starb.

3) Karl Johann Bernhard, Mineralog, Berg- und Hüttenmann, Neffe von K. 1), geb. 26. Nov. 1782 zu Bützow, studierte in Rostock die Rechte, wandte sich aber dann der Medizin und seit 1801 der Metallurgie und Bergbaukunde zu. Er arbeitete bis 1803 auf den Eisenhütten der Mark, dann in Schlesien, errichtete 1806 die Zinkhütte Lidognia, in der man zuerst aus Galmei Zink darstellte, wurde 1811 Oberhüttenrat und Oberhüttenverwalter für Schlesien und hielt später auch Vorlesungen zu Breslau, bis er 1819 als Geheimer Oberbergrat in das Ministerium des Innern nach Berlin berufen wurde. Er gehörte 1850–51 der Ersten Kammer an, trat 1851 in den Ruhestand und starb 22. Aug. 1853 in Berlin. K. zählte zu den ersten Repräsentanten der Metallurgie und hat auf die Entwickelung des Bergbaues und Hüttenwesens in Deutschland großen Einfluß geübt. Er schrieb: „Handbuch der Eisenhüttenkunde“ (Halle 1816, 2 Bde.; 3. Aufl., Berl. 1841, 5 Bde.); „Grundriß der Metallurgie und der metallurgischen Hüttenkunde“ (Bresl. 1818); „Metallurgische Reise durch einen Teil von Bayern und Österreich“ (Halle 1821); „Über die kohligen Substanzen des Mineralreichs“ (Berl. 1826); „Das erzführende Kalksteingebirge von Tarnowitz“ (das. 1826); „Grundriß der deutschen Bergrechtslehre“ (das. 1828); „System der Metallurgie“ (das. 1831, 5 Bde.); „Lehrbuch der Salinenkunde“ (das. 1846–47, 2 Bde.); „Philosophie der Chemie“ (das. 1843) und gab das „Archiv für Bergbau und Hüttenwesen“ (das. 1818–28, 20 Bde.), fortgesetzt als „Archiv für Mineralogie, Geognosie, Bergbau und Hüttenkunde“ (1829–54, 26 Bde.) heraus.

4) Hermann, Physiker, Sohn des vorigen, geb. 3. Sept. 1809 zu Breslau, studierte Mathematik und Naturwissenschaft in Bonn und Berlin, arbeitete 1829 in Königsberg bei Bessel, habilitierte sich 1830 in Rostock und ward 1836 ordentlicher Professor der Mathematik und Physik daselbst, 1862 auch Direktor der Navigationsschule. Er starb 26. Aug. 1877 zu Bad Reinerz in Schlesien. K. schrieb: „Kleiner astronomischer Almanach, vorzüglich für Seeleute“ (Rostock 1840–49); „Beitrag zur Berichtigung der Sterblichkeitstafeln“ (das. 1845); „Lehrbuch der Kristallographie“ (Leipz. 1861); auch veröffentlichte er mehrere astronomische, meteorologische und mineralogische Beobachtungen.

5) Hermann, Naturforscher und Reisender, Vetter des vorigen, geb. 6. Nov. 1817 zu Stralsund, studierte in Rostock und Berlin, bereiste 1843–47 und, nachdem er sich an der Berliner Universität für Botanik habilitiert hatte, 1848–56 Venezuela, Neugranada und Ecuador. Nach seiner Heimkehr lehrte er in Berlin Botanik, übernahm als Professor die Leitung des von ihm begründeten physiologischen Laboratoriums daselbst, folgte 1868 einem Ruf als Professor der Botanik nach Wien, wo er ebenfalls ein Laboratorium gründete, trat aber 1872 von seinem Amt zurück und lebt seitdem in der Schweiz. K. leitete aus seinen anatomischen Untersuchungen der Tropenvegetation die allen Gewächsen zu Grunde liegende Einheitlichkeit des Baues ab, er gelangte zu dem Resultat, daß nicht die chemischen Verwandtschaftskräfte der im Zellsaft gelösten Substanzen, sondern vielmehr die der Zellmembran innewohnende chemisch-physiologische Thätigkeit die organischen Verbindungen erzeuge. Die Kontagienzellen sind nach seiner Ansicht nicht Pilze oder Algen, sondern pathologische Entwickelungsstufen normaler Zellen. Er schrieb: „Die Vegetationsorgane der Palmen“ (Berl. 1847); „Auswahl neuer und schön blühender Gewächse Venezuelas“ (das. 1848, mit 12 kolorierten Tafeln); „Die geognostischen Verhältnisse Neugranadas“ (Wien 1856; Berl. 1858); „Florae Columbiae terrarumque adjacentium specimina selecta in peregrinatione duodecim annorum observata“ (Berl. 1857–69, 2 Bde., mit 200 kolorierten Tafeln); „Die medizinischen Chinarinden Neugranadas“ (das. 1858); „Das Geschlechtsleben der Pflanzen und die Parthenogenesis“ (das. 1860), „Histologische Untersuchungen“ (das. 1862); „Entwickelungserscheinungen der organischen Zelle“ (Leipz. 1863); „Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Sandflohs“ (1864); „Gesammelte Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Pflanzen“ (Berl. 1865); „Chemismus der Pflanzenzelle“ (Wien 1869); „Zur Geschichte der Botanik“ (Berl. 1870); „Fäulnis und Ansteckung“ (im Anhang die „Darstellung meiner Erlebnisse an der Wiener Universität“, Schaffh. 1872); „Studie der Urgeschichte des Menschen in einer Höhle des Schaffhauser Jura“ (Zürich 1874); „Deutsche Flora, pharmazeutisch-medizinische Botanik“ (Berl. 1883); „Géologie de la Colombie“ (das. 1886). Auch redigierte er die „Botanischen Untersuchungen aus dem physiologischen Laboratorium in Berlin“ (Berl. 1865–67, 6 Hefte).

[564] 6) Gustav, Physiker, Bruder von K. 4), geb. 24. Nov. 1820 zu Berlin, studierte Mathematik und Naturwissenschaft, habilitierte sich 1845 in Berlin, folgte 1848 einem Ruf als Professor der Physik nach Kiel, wurde 1859 Direktor des Eichungswesens für die Elbherzogtümer und 1869 Mitglied der Normaleichungskommission des Deutschen Reichs. Er schrieb: „Lehrgang der mechanischen Naturlehre“ (Kiel 1851–53, 3 Tle.), „Denkschrift über den großen norddeutschen Kanal“ (das. 1865). 1856 begann er die Herausgabe der auf 21 Bände berechneten „Encyklopädie der Physik“, für welche er mit Harms und Weyer die „Einleitung in die Physik“ (Leipz. 1870) bearbeitete; auch redigierte er die „Fortschritte der Physik“ (Berl. 1847 bis 1853) und veröffentlichte außer mehreren Arbeiten in den Berichten der Ministerialkommission zur Untersuchung der deutschen Meere: „Untersuchungen über das Verhalten der Auflösungen des reinen Kochsalzes in Wasser“ (1846) und „Hygrometrische Tabelle zur Anwendung bei Gebläsen und Gradierwerken“ (1847); „Beiträge zur Landeskunde der Herzogtümer Schleswig und Holstein“ (Kiel 1869–72, 2 Tle.). 1878–81 gehörte K. als Mitglied der Fortschrittspartei dem deutschen Reichstag an.