MKL1888:Jordanis
[263] Jordanis (got. Jornandes, „eberkühn“), Geschichtschreiber des 6. Jahrh., geboren um 500, alanischer Abkunft, aber aus einem den Amalern verschwägerten Geschlecht, war erst Notar am königlichen Hof, trat dann zum Katholizismus und in den geistlichen Stand über und war zuletzt wahrscheinlich Bischof von Kroton. Sein erstes Werk: „De origine actibusque Getarum“ (d. h. der Goten), ist ein aus der Erinnerung niedergeschriebener Auszug aus Cassiodorus (s. d.) mit Zusätzen aus den Annalen des Marcellinus Comes und eigner Kenntnis der alten Überlieferungen. Es ist 551 in Konstantinopel oder Chalcedon abgefaßt, wohin J. den Papst Vigilius 547 begleitet hatte. Obwohl sich selbst zu den Goten zählend, war J. eifriger Katholik und Verehrer des römischen Weltreichs, wie die Amaler nach Theoderich, und deshalb mit dem Kampf seines Volkes unter Totilas gegen die Römer nicht einverstanden; er sah allein in der friedlichen Einfügung desselben in das Weltreich unter der Herrschaft der Nachkommen Theoderichs sein Heil. Das zweite Werk: „De breviatione chronicorum“ oder „De regnorum successione“, ebenfalls 551 abgefaßt und dem Vigilius gewidmet, ist nur eine ungeschickte Kompilation, meist aus Florus, über die Weltgeschichte von Erschaffung der Welt bis 552 n. Chr. und daher ohne Wert, während die Geschichte der Goten durch den Verlust des Cassiodorischen Originals eine wichtige Quelle geworden ist. Neuere Ausgaben besorgten C. A. Cloß (Stuttg. 1861), Holder (Freib. i. Br. 1882) und Mommsen in „Monumenta Germaniae historica, Auct. ant.“, Bd. 5, eine Übersetzung der „Gotengeschichte“ Martens (Leipz. 1884). Vgl. Sybel, De fontibus libri Jordanis de origine actuque Getarum (Berl. 1838); Jak. Grimm, Über J. und die Geschichten, in den „Kleinen Schriften“, Bd. 3 (das. 1866); Stahlberg, J. (Mülh. a. Rh. 1854).