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MKL1888:Initiatīve

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Initiatīve“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Initiatīve“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 8 (1887), Seite 957
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Initiatīve. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 957. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Initiat%C4%ABve (Version vom 13.01.2023)

[957] Initiatīve (neulat.), die Eröffnung oder Inangriffnahme einer Handlung, auch das Recht oder Vorrecht dazu. Unter I. der Gesetzgebung (Initiativrecht) versteht man das Recht, Gesetzentwürfe einzubringen. Dies Recht war auch in der konstitutionellen Monarchie nach den ältern Verfassungsurkunden dem Monarchen vorbehalten; dem Landtag war es nur gestattet, im Weg der Petition an das Staatsoberhaupt sich mit Gesetzvorschlägen zu befassen. Die neuern deutschen Verfassungsurkunden dagegen enthalten regelmäßig das Recht der Volksvertretung zu Gesetzvorschlägen (parlamentarische I.). In manchen Staaten ist dasselbe nachträglich in besondern Verfassungsgesetzen anerkannt worden. So bildet das Initiativrecht des Landtags und zwar in den Staaten mit Zweikammersystem einer jeden von beiden Kammern nunmehr die Regel. Nur ausnahmsweise (Hessen, Altenburg, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß ältere Linie) ist die I. ein Vorrecht des Monarchen; doch sind in einzelnen Staaten gewisse Angelegenheiten, so in Bayern bestimmte Titel der Verfassung, in Württemberg Steuern, Aufnahme von Anleihen, Feststellung des Staatshaushaltsetats und außerordentliche, im Etat nicht vorgesehene Ausgaben, der landständischen I. entzogen. Selbstverständlich muß zu einem in der Kammer oder auch von beiden Kammern angenommenen Gesetzvorschlag, welcher aus dem Schoß derselben hervorgegangen, die landesherrliche Zustimmung hinzutreten, wenn anders derselbe wirklich zum Gesetz erhoben werden soll. Im Deutschen Reich entstehen die Reichsgesetze durch übereinstimmenden Mehrheitsbeschluß des Reichstags einer- und des Bundesrats anderseits. Jede von beiden Körperschaften hat das Recht der I. Dagegen steht dem Kaiser als solchem ein Initiativrecht nicht zu. Anträge von Reichstagsmitgliedern, welche Gesetzentwürfe enthalten (Initiativanträge), müssen von mindestens 15 Mitgliedern unterzeichnet sein und bedürfen nach der Geschäftsordnung einer dreimaligen Beratung (Lesung). Auch in den außerdeutschen Staaten bildet das Initiativrecht der Kammern die Regel. In England, woselbst die Minister zugleich Mitglieder des Parlaments sind, besteht der Brauch, daß die Gesetzentwürfe von ihnen in dieser letztern Eigenschaft im Parlament eingebracht werden.