MKL1888:Hydraulische Presse
[835] Hydraulische Presse. Nach dem hydrostatischen Grundgesetz pflanzt sich ein Druck von gegebener Größe in dem Wasser nach jeder Richtung mit gleicher Stärke fort und kann folglich, wenn er gegen eine bewegliche Wand wirksam ist, durch bloße Vergrößerung dieser
Fig. 1. | |
Hydraulische Presse (Durchschnitt). | |
Wand zu jeder beliebigen Größe vervielfacht werden. Die h. P., die nach ihrem Erfinder auch Bramahsche Presse genannt wird, ist eine Anwendung dieses Gesetzes, um den mittels des Kolbens einer Pumpe ausgeübten Druck zu vervielfachen. Dieselbe besteht aus einer Saug- und Druckpumpe, welche den Druck ausübt, und einem Kolben, welcher den Druck empfängt, um ihn auf den zu pressenden Körper zu übertragen. Nebenstehende Fig. 1 zeigt eine h. P. im Durchschnitt: rechts die Pumpe, links die Presse. Durch einen Hebel wird der Pumpenkolben s gehoben, das Wasser des Behälters bb dringt durch das Sieb r, hebt das Ventil i und gelangt so unter den Kolben s. Wenn man den Hebel niederdrückt, so geht auch der Kolben s nieder, das zurückgetriebene Wasser schließt das Ventil i, hebt das Ventil d und gelangt durch die Röhre t in den Cylinder cc der Presse; hier drückt es nun gegen den Kolben pp, den es mit der Platte nn hebt, und so wird der zu pressende Körper zwischen nn und der festen Platte e zusammengedrückt. Wenn der Kolben s durch irgend eine Kraft niedergedrückt wird, so hat jeder Flächenteil der Gefäßwände, welcher dem Querschnitt des Kolbens gleich ist, einen gleichen Druck auszuhalten. Nun kann man aber die Unterfläche des Kolbens p als einen Teil der Gefäßwand betrachten; so vielmal also der Querschnitt des Kolbens p größer ist als der Querschnitt des Kolbens s, so vielmal wird auch die Kraft, mit welcher der Kolben p gehoben wird, größer sein als die Kraft, mit welcher der kleine Kolben niedergedrückt wird. Wenn der Querschnitt des Kolbens s ein Hundertstel des Querschnitts von p ist, so wird p mit einer Kraft von 50 kg gehoben, wenn s durch eine Kraft von 0,5 kg niedergedrückt wird. Wird der Hebel mit einer Kraft von 50 kg niedergedrückt, so ist, wenn z. B. die Hebelarme von Kraft und Widerstand sich wie 6:1 verhalten, die Wirkung dieselbe, als ob auf den Kolben s direkt eine Kraft von 300 kg wirkte; der Kolben p wird also mit einer Kraft von 30,000 kg gehoben. Von der Kraft, welche am Hebel angewandt wird, geht ein Teil durch Reibungswiderstand verloren, bevor sie sich bis zum Kolben p fortpflanzt; deshalb wird der Effekt stets geringer sein, als er nach der obigen Berechnung sein sollte. Eine nicht unwesentliche Verbesserung erfuhr die erste h. P. durch Anwendung einer eigentümlichen Dichtung (Liderung) des großen Kolbens p (Fig. 1), welche Henry Maudsley in London, von andern Benjamin Hick in Bolton, zugeschrieben wird. Dieselbe besteht aus einem umgestülpten Sohllederring, welcher die Gestalt eines umgekehrten U () hat und an beiden Enden zugeschärft ist. Dieser Kranz liegt in einer Vertiefung des Cylinders und wird durch das Wasser gegen den Kolben und Cylinder gepreßt. Zur Erhaltung der Form des Lederringes dient ein aus zwei Teilen zusammengesetzter Metallring (Fig. 1). In Deutschland und Frankreich scheint die h. P. erst nach dem zweiten Pariser Frieden Beachtung gefunden zu haben. So gibt Gilbert („Annalen der Physik“, Bd. 60, 1819[WS 1]) an, daß zu Anfang des Jahrs 1818 der Mechaniker Neubauer in der Maschinenfabrik von Nathusius in Hundisburg bei Magdeburg eine h. P. zu stande gebracht habe, welche, durch zwei Menschen in Bewegung gesetzt, einen Druck von 150,000 kg erzeugte und namentlich zum Auspressen des Rübensafts, des Öls aus den Samen etc. empfohlen ward. In Frankreich soll der Mechaniker Montgolfier einer der ersten gewesen sein, welcher die h. P. mit Erfolg zum Ölpressen benutzt hat, und eine solche Presse befand sich auf der Pariser Industrieausstellung von 1819. Seitdem Joseph Bramah in London die von ihm (1795) erfundene Presse als [836] Packpresse für Heu, Flachs und Baumwolle, überhaupt zum Ersatz der Schraubenpressen in Manufakturen und Fabriken, sowie zum Heben von Lasten statt der Kräne, als Erzeuger großen Druckes bei der Schießpulverfabrikation und seltsam genug als Metallhobel- und Bohrmaschine verwandte, hat sich diese Maschine ein derartiges weites Feld der Verwendung gewonnen, daß dasselbe heute fast unübersehbar genannt werden kann. Im allgemeinen benutzt man sie überall da, wo es sich darum handelt, auf ein verhältnismäßig größeres Stück Weg von ca. 30–90 cm einen sehr starken Druck nachhaltig und gleichmäßig auf einen Stoff zu dessen Zusammenpressen einwirken zu lassen. Außer ihrer Benutzung zur Prüfung der Festigkeit von Konstruktionsmaterialien (Stäben, Ketten, Seilen, Steinen) hat man die h. P. bei der Rübenzucker-, Stearinlicht-, Öl- und Gummifabrikation mit entschiedenem Erfolg angewandt, ebenso zum Pressen von Röhren aus Blei und Zinn (s. Röhren), ferner beim Heben großer Lasten (als Aufzug), zur Bewegung des Steuers großer Schiffe etc.; auch dient sie zum Auf- und Abziehen der Eisenbahnwagenräder auf und von den Achsen und zum Pressen der Klauen bei der Vorbereitung für die Knopffabrikation. Sehr wichtig sind diese Maschinen auch als Appreturmaschinen für verschiedene Gewebe, und endlich dienen sie gegenwärtig noch mehr denn früher als Packpressen, um Stoffe, die einen großen Raum einnehmen und schwer zu transportieren wären (z. B. Heu), in einen kleinen Raum zusammenzudrängen. Durch die Anwendung des Prinzips der hydraulischen Presse in und ohne Verbindung mit dem 1843 von Armstrong erfundenen Akkumulator (s. d.) ist eine ganz neue Kategorie von Werkzeugen und Werkzeugmaschinen (hydraulische Werkzeuge) entstanden. Haswell benutzte die h. P. zuerst beim Schmieden der Metalle und eröffnete damit ein weites Feld neuer Arbeitsoperationen (z. B. ausgedehntere Verwendung von Hohlformen oder Matrizen zum Schmieden). Die Hauptschwierigkeit, welche hierbei zu überwinden war, lag in der langsamen Bewegung des Preßkolbens, während welcher sich jedes Arbeitsstück so weit abkühlen mußte, daß der dann erfolgende Druck nur eine höchst ungenügende Wirkung haben konnte. Haswells Maschine, welche von diesem Übelstand frei ist, gewährt andern Schmiedeapparaten gegenüber den Vorteil, daß man den Druck beliebig regulieren kann, der nun gleichmäßig auch auf die innern Teile des Eisens wirkt, allmählich gesteigert wird und die vollständige Ausfüllung der Formen ohne Erschütterungen herbeiführt. An Tangyes Schere (Fig. 2) ist a der Cylinder, b das feste und d das mit dem Kolben c zugleich bewegliche Scherenblatt. g ist die Druckpumpe, h der Hebel zur Kolbenbewegung und f das Gefäß, woraus die Druckpumpe die Druckflüssigkeit (Wasser, Glycerin etc.) saugt. Eiserne Stäbe von 75 mm Seitenlänge im Quadrat sollen sich, wenn am Hebel h ein Mann arbeitet, in ca. 2¼ Minuten durchschneiden lassen. Man benutzt diese Scheren überall da mit Erfolg, wo nur wenige Arbeiter zur Disposition stehen. Ähnlich ist die Lochmaschine konstruiert, indem der Drücker oder Lochstempel am beweglichen Kolben der Presse befestigt ist. Mit einer derartigen Maschine ist ein Mann im stande, in ca. ½ Minute ein Loch von 25 mm Durchmesser in einer 21,5 mm dicken Eisenplatte auszupressen. Auch hydraulische Nietmaschinen und Winden werden nach diesem System gebaut und zeichnen sich, wie die Lochmaschinen, durch große Leistungsfähigkeit bei genügender Leichtigkeit und Transportierbarkeit aus. Dabei ist freilich nicht zu verschweigen, daß die Maschinen der Natur der Wasserwirkung nach sehr langsam arbeiten.
Neue Konstruktionen der hydraulischen Presse (appareils sterhydrauliques) sind die von Desgoffe und Ollivier. Bei diesen wird die Druckpumpe ersetzt entweder durch einen mehr oder weniger dünnen Kolben, dem man durch eine Schraube eine gleichzeitig fortschreitende u. drehende Bewegung erteilen kann, so daß er durch sein Eindringen in den Raum des Preßcylinders die Druckfortpflanzungsflüssigkeit verdrängt und zur Bewegung des Preßkolbens u. der Preßplatte zwingt, oder durch einen Apparat,
Fig. 2. | |
Hydraulische Schere. | |
welcher Darmsaite von einer außerhalb des Cylinders befindlichen Rolle ab- und auf eine im Cylinder angebrachte Rolle aufwickelt. Letztere wird hierbei von außen durch eine Kurbel gedreht. Die in den Cylinder tretende Darmsaite verdrängt wieder Flüssigkeit und zwingt den Preßkolben, eine der Dicke der Darmsaite entsprechende mehr oder weniger langsame Bewegung anzunehmen.