Zum Inhalt springen

MKL1888:Hut

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Hut“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Hut“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 8 (1887), Seite 821823
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wiktionary-Logo
Wiktionary: Hut
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Hut. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 821–823. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Hut (Version vom 24.03.2023)

[821] Hut, Kopfbedeckung für Männer und Frauen, wird aus den verschiedensten Materialien gefertigt, weshalb auch die Hutfabrikation mehrere Industriezweige [822] bildet. Am ausgedehntesten ist die Fabrikation der Filzhüte aus den Haaren von Kaninchen, Hasen, Ziegen, Kamelen, Vicunnas, Waschbären, Bisamratten, Affen, Fischottern und Bibern. Die natürliche Rauhigkeit der Wolle und andrer Säugetierhaare bewirkt, daß die Wollhaare, wenn sie wirr durcheinander liegen und einem mit schiebender Bewegung verbundenen Druck unterworfen werden, besonders unter Mitwirkung von Wärme und Feuchtigkeit (welche die Haare weicher und gefügiger machen) sich äußerst fest verschlingen. Wo die natürliche Beschaffenheit der Haare für diesen Zweck weniger geeignet ist, gibt man zunächst eine Beize mit einer Lösung von Arsenik und Sublimat. Das Haar wird dann zuerst „gefacht“, d. h. auf eine aus dünnen Leisten bestehende Horde gebracht und mit dem Fachbogen, einer 1,9 bis 2 m langen, krummen Stange, deren Enden mittels einer Darmsaite verbunden sind, dadurch bearbeitet, daß man die Saite mit dem sogen. Knopfholz in Vibration setzt und gegen die Haare führt, wodurch diese kräftig auseinander geschnellt werden. Hierauf teilt man das Haar in zwei Teile, bearbeitet jedes „Fach“ nochmals mit dem Fachbogen und formt daraus eine lockere, gleichmäßige Schicht von regelmäßig dreieckiger Form mit ausgebauchten Seiten. Diese wird mit dem Fachsieb bearbeitet, indem man dasselbe behutsam auf das gefachte Haar stellt und nach allen Seiten hin sanft drückt und reibt; dann schichtet man etwa 2–3 Paar Fache mit gut geleimtem Papier (Filzkern) übereinander, schlägt das Ganze in befeuchtete Leinwand und bearbeitet es durch Drücken und Reiben mit den Händen. Hat man die Fache umgelegt und die Operation wiederholt, so werden je zwei Fache durch Umschlagen der Kanten so miteinander vereinigt, daß sie eine große, kegelförmige Mütze bilden, und hierauf wird mittels Filzen und Walken eine bedeutende Verdichtung des Stoffes herbeigeführt. Dann formt man den H., indem man den Rand aufwärts biegt und die Spitze des Kegels so oft ein- und auswärts stülpt, bis sie als ein flaches, kreisförmiges Stück erscheint, welches von einer Anzahl konzentrischer Ringe oder Falten umgeben ist. Der so „in den Kranz geschlagene“ H. wird wiederholt gewalkt, bis eine kreisrunde, völlig ebene Fläche, dem Boden des Hutes entsprechend, gebildet ist. Dann wird die Krempe gebildet und der fertige H. gewaschen, gefärbt, mit Schellacklösung gesteift und appretiert. Häufig plattiert (überzieht) man schlechteres Haar mit feinerm. In neuerer Zeit benutzt man eine Haarblasmaschine zur Reinigung des Rohmaterials, außerdem Fachmaschinen und Walkmaschinen und erzielt mit denselben befriedigende Resultate. Man hat auch anstatt der Bildung der einzelnen Hutfache durch den Fachbogen das Material, meist Schafwolle, als bandförmiges Vlies von einem Krempelcylinder unter ein Walzensystem gebracht, bei welchem ein Doppelkegel, auf vier konischen Walzen ruhend, sich um seine horizontale Achse dreht. Während des Drehens wickelt sich das Band in sich kreuzenden Lagen und der an den verschiedenen Stellen verlangten Filzdicke entsprechend auf den Doppelkegel und bildet, indem es denselben einhüllt, ein flockiges Gewirr und nach dem Durchschneiden in der Mitte zwei Fache, die nun auf Drahtgestelle gelegt werden und unter kupfernen Deckeln zum Filzen gelangen. Die cylinderförmigen seidenen Hüte bestehen aus einem Gestell von Filz, Pappe, Holzspänen etc., welches mit seidenem Felbel überzogen wird. An die Felbelhüte schließen sich die Fabrikate aus Tuch- und andern Woll- oder Baumwollstoffen an. Die mechanischen oder Gibushüte werden aus einem feinen schwarzen, dichten Tibetstoff oder Atlas gefertigt und so mit einem Mechanismus versehen, daß sie sich platt zusammenklappen und durch einen Druck wieder ausspannen lassen, ohne dabei Falten zu bekommen. Nächst den Filz- und Seidenhüten finden die Strohhüte die ausgedehnteste Anwendung. Die echten Panamahüte kommen aus Granada und Ecuador und werden aus den Blätterrippen der dort heimischen palmenähnlichen Carludovica palmata geflochten. Die Blätter werden zu diesem Zweck vor der Entfaltung von Rippen und gröbern Fasern befreit, einen Tag lang der Sonne ausgesetzt und in kochendes Wasser getaucht, bis sie weiß werden. Dann läßt man sie an einem schattigen Orte trocknen, wobei sie noch vollständiger bleichen und zum Spalten und Flechten geeigneter werden. Diese Panamahüte zeichnen sich durch große Elastizität und Haltbarkeit aus, kommen indes jetzt nur noch wenig in den Handel, seitdem man auf dem Schwarzwald aus den importierten Blättern der Carludovica Hüte billiger und von gefälligerer Form als die aus Costarica fertigt. Es finden sich übrigens im Handel auch Panamahüte, sogen. Manilahüte, die mit Seide genäht, aber viel weniger haltbar als die echten Panamahüte sind. Die Maracaibo-, Chile- und die amerikanischen Palmhüte sind ebenfalls wenig haltbar. Weiteres s. Strohflechterei. Strohhüte, welche aus Strohbändern zusammengenäht werden, glättete man früher nur mit einem Bügeleisen; später preßte man den H. mit einem sechsteiligen Kegel mittels Keile in eine Form, jetzt aber wendet man hierzu Wasserdruck von 8–10 Atmosphären an. Man bringt den H. in eine entsprechend gearbeitete Zinnform, legt in denselben einen Kautschukbeutel von entsprechender Größe und bedeckt dann die Form mit einer schweren Platte, durch welche das Wasser in den Beutel tritt. Das Einpressen des Wassers geschieht unter Benutzung eines Akkumulators. Auf diese Weise wird ein H. in 11/2 Minute fertig, während bei Handarbeit dazu 20 Minuten und mehr erforderlich waren. Hüte von Fischbein, im Schwarzwald gefertigt, sind von außerordentlicher Dauerhaftigkeit und elegant. Holz- oder Basthüte werden in Böhmen und im Schwarzwald aus Linden-, Pappel- und Weidenholz und Bast gefertigt, welchen man in feine Fäden zerschneidet. Zu den teuersten und feinsten Geflechten gehört das sogen. Paille de riz, wozu in Modena das Material mit besonderer Sorgfalt ausgewählt wird. Eine geringere Sorte Basthüte fertigt man in Paggio bei Mantua und versendet sie ohne Appretur und Pressung, welche ihnen in Paris oder Wien gegeben wird. Hüte aus Stroh, Seide und Pferdehaar werden auf dem Webstuhl besonders im Kanton Aargau, solche aus Pferdehaar und Manilahanf (mit Baumwolle und Seide) in Luzern, Aargau und Zürich auf dem französischen Lacetstuhl angefertigt. Wasserdichte Hüte werden durch Tränken gewöhnlicher Hüte mit Schellack oder Guttapercha erhalten; für Schiffer fertigt man solche Hüte aus geölter Leinwand (Südwester).

Kulturgeschichtliches.

Die Sitte, den Kopf zu bedecken, findet sich schon im Altertum. Die Griechen trugen, jedoch nur bei einem längern Aufenthalt im Freien, Hüte oder Kappen, die sich auf drei Formen reduzieren lassen: 1) eine Kappe von Fell oder von Rindsleder, halbkugelförmig, vielleicht unter dem Kinn mit Riemen befestigt; 2) der mehr halbeiförmige oder konische Pilos (lat. pileus, Fig. 1), ein nur mit schmaler Krempe versehener H., z. B. der Schiffer und Handwerker, [823] und die in der Form damit verwandte phrygische Mütze (Fig. 2) mit nach vorn umgelegter Spitze, ursprünglich in Asien heimisch und noch jetzt von den Schiffern und Strandbewohnern des Adriatischen Meers getragen; 3) der thessalische H. (Petasos, Fig. 3), die Tracht der griechischen Epheben, ähnlich dem jetzigen flachen Filzhut, mit einem Sturmriemen versehen, woran er (auf Abbildungen) häufig im Nacken herabhängt; bisweilen hatte die Krempe dieses Hutes vier bogenförmige Ausschnitte. Die Frauen trugen zum Schutz gegen die Sonne in spätern Zeiten flache, aus Stroh oder Binsen geflochtene Hüte (s. Tafel „Kostüme I“, Fig. 5). Auch die Römer gingen gewöhnlich barhaupt

Fig. 1.
Pilos.
Fig. 3. Fig. 2.
Petasos. Phrygische Mütze.

oder trugen den Pileus oder den Petasus u. hatten außerdem auch die ihnen eigentümliche, an ihrem Mantel befestigte Kapuze (cucullus, vgl. Gugel). Der Pileus, besonders im Gebrauch bei öffentlichen Festen, galt als Zeichen der Freiheit, und der Sklave erhielt bei der Freilassung einen H. (pileatus servus). Brutus und Cassius ließen nach der Ermordung Cäsars Münzen schlagen, auf welchen ein H. als Freiheitszeichen zwischen zwei Schwertern stand. Ähnliche Münzen prägte später die Republik der vereinigten Niederlande nach ihrer Befreiung vom spanischen Joch. Auch in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters war das Tragen einer Kopfbedeckung durchaus nicht gewöhnlich, doch findet sich jene phrygische Mütze, die ihre Nachahmung auch in den ältesten Formen des Helms hatte, auf Bildern aus der Zeit Karls d. Gr. Das 10. Jahrh. kannte bereits den Strohhut und den Lodenhut aus grober Wolle. Das 11. Jahrh. scheint den Filzhut von der Form eines abgerundeten Kegels hervorgebracht zu haben, der in der Folge mit einem ringsum aufgekrempten Rand getragen, mehrfach gefärbt und an der Krempe auch wohl mit Pelz besetzt oder mit Pfauenfedern belegt wurde und mannigfache Formveränderungen erfuhr. Um die Mitte des 14. Jahrh. eine Zeitlang durch die Gugel (s. d.) verdrängt, kam er bald in Verbindung mit ihr als Gugelhut wieder auf und erhielt sich bei Jägern und Reisenden bis ins 16. Jahrh., während daneben auch die frühern Formen in Gebrauch blieben und manche andre hinzukamen. Im Anfang des 16. Jahrh. herrschte zwar das Barett, aber schon um 1550 kam der H. wieder zu Ehren, zuerst als hoher, gesteifter spanischer H., dann als niederländischer, später sogen. Rubenshut und bald nach Beginn des 17. Jahrh. als breitkrempiger schwedischer Schlapphut (s. Tafel „Kostüme III“, Fig. 3 u. 5). Unter Ludwig XIV. wurden die Hüte auch hinten aufgeschlagen und auf der andern Seite, der Symmetrie wegen, ebenfalls hinaufgebogen, woraus die zweispitzigen (bicornes) und dreieckigen Hüte (Dreimaster) entstanden, welche bald mit höhern, bald mit kürzern Krempen fast 100 Jahre hindurch überall getragen wurden und sich noch bis auf die Gegenwart bei gewissen Uniformen, Hof- und Amtstrachten, Schützengilden, Leichenbestattern u. dgl. erhalten haben (s. Tafel „Kostüme III“, Fig. 7 u. 10). Auf die dreieckigen Hüte folgten die Chapeaux bas. Kurz vor der französischen Revolution kamen zuerst in England, dann auch in Frankreich die runden Hüte (Cylinder) auf. Die dreieckigen Hüte herrschten aber noch, besonders in Deutschland, bis zu Ende des vorigen Jahrhunderts vor. In Frankreich kamen noch nach 1796 dreieckige Hüte, die Bonapartes oder Incroyables (s. d. und Tafel „Kostüme III“, Fig. 12), mit ungeheuer großen Krempen auf; sie wurden von den französischen Elegants getragen, hielten sich aber nicht lange in der Mode. Gegenwärtig tragen Zivilpersonen den dreieckigen H. (Klapphut, Patenthut, claque) nur bei höchster Gala, bei Hof u. dgl. Der gegenwärtig unter den Namen Chapeau claque bekannte H. ist ein seidener Cylinder, der durch einen Mechanismus flach zusammengelegt werden kann. Die bei den revolutionären Bewegungen der jüngsten Vergangenheit aufgekommenen breitkrempigen und niedrigen, weißen oder hellen, anfangs als Karbonari-, Hecker-, Turner- und Demokratenhüte mißliebigen Hüte sind mit mannigfachen Modifikationen in Form und Farbe wegen ihrer Zweckmäßigkeit in allgemeinen Gebrauch gekommen. Sogenannte geweihte Hüte verschenkte der Papst an Fürsten und Feldherren, die sich um den katholischen Glauben verdient gemacht hatten; sie waren von violetter Seide oder mit Hermelin gefüttert, mit einer goldenen Schnur und Juwelen geschmückt. Veranlassung dazu gab das Traumgesicht des Judas Makkabäus (2. Makk. 15). Den letzten erhielt General Daun nach dem Überfall bei Hochkirch 1758. Grüne und gelbe Hüte pflegte man, erstere in Frankreich, letztere in manchen Städten Deutschlands, den Bankrottierern aufzusetzen, wenn sie öffentlich ausgestellt wurden. Vgl. Judenhut, Kardinalshut, Inful, Mitra, Fürstenhut, Turban. In der Heraldik sind die Hüte entweder Helmkleinodien oder Standeszeichen. Im ersten Fall unterscheiden sie sich von den Mützen bald durch die breitere, bald durch die höhere Gestalt (Spitzhüte); sie erscheinen mannigfach gestaltet, gezipfelt und besteckt und werden oft als Träger andrer Figuren benutzt. Zu den Standeszeichen gehören die breiten Hüte der geistlichen Würden (Kardinals-, Erzbischofs-, Bischofs- und Protonotarienhut), dann die anders geformten weltlicher Personen (Fürstenhut, Markgrafenhut, Herzogshut etc.).

Hut, im Bergbau der oberste, aus besonderer Ausfüllungsmasse bestehende Teil mancher Gänge nahe der Gebirgsoberfläche an ihrem Ausgehenden, mit besonderer Beziehung eiserner H. genannt, welcher von den Bergleuten als Anzeichen guter Bauwürdigkeit in der Tiefe gedeutet wird.