MKL1888:Handelsgeographische Gesellschaften
[82] Handelsgeographische Gesellschaften, in neuester Zeit entstandene Vereinigungen, welche gleich den Geographischen Gesellschaften die Erweiterung und Verbreitung geographischer Kenntnisse anstreben, aber dabei praktische Ziele verfolgen, indem sie den Export zu heben, die Auswanderung in geeignete Gebiete zu lenken und die Kolonisation zu fördern suchen. Die erste derartige Gesellschaft wurde in Frankreich und zwar 1873 zu Paris gegründet, welcher schon im nächsten Jahr eine zweite zu Bordeaux folgte. In der neuesten Zeit schlossen sich Nantes (1882) und Havre (1884) an. In Deutschland hatte zwar bereits 1873 die damals gegründete Geographische Gesellschaft in Hamburg die Erweiterung des Handels als eine ihrer Aufgaben hingestellt; deutlicher ausgesprochen und bestimmter begrenzt war indes das Programm, mit welchem 1878 der Zentralverein für Handelsgeographie vor die Öffentlichkeit trat. Derselbe wollte einen regen Verkehr zwischen den im Ausland lebenden Deutschen und dem Mutterland anbahnen sowie über die natürlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Länder, wo Deutsche angesiedelt sind, Aufklärung verbreiten. Die Auswanderung sollte nach solchen Ländern gefördert werden, welche der Ansiedelung Deutscher günstig sind, und in welchen das deutsche Volksbewußtsein sich zu erhalten vermag. Auf diese Weise dachte der Verein die Anlage von Handels- und Schiffahrtsstationen und die Begründung deutscher Kolonien bewirken zu können. Der Verein besitzt jetzt Zweigvereine in Leipzig, Jena, Barmen, Stuttgart und in Brasilien (8), von denen die zu Barmen und Leipzig sich eine selbständigere Stellung bewahrt haben. Sein Organ ist die Wochenschrift „Export“; auch erschienen in zwanglosen Heften die „Geographischen Nachrichten für Welthandel und Volkswirtschaft“. Ähnliche Zwecke verfolgt der am 6. Dez. 1882 zu Frankfurt a. M. begründete, später nach Berlin übergesiedelte Deutsche Kolonialverein, welchem eine große Zahl von Sektionen in allen Teilen Deutschlands angehören. Sein Organ ist die „Deutsche Kolonialzeitung“. In Österreich besteht seit 1874 das Orientalische Museum in Wien, welches sein Augenmerk vornehmlich auf den Orient richtet und außer der „Österreichischen Monatsschrift für den Orient“ seit Februar 1886 auch eine Wochenschrift: „Das Handels-Museum“, herausgibt. In der Schweiz bestehen die Ostschweizerische Geographisch-kommerzielle Gesellschaft zu St. Gallen (1878) und die Mittelschweizerische Geographisch-kommerzielle Gesellschaft zu Aarau (1884), in Italien die Società d’esplorazione commerciale in Africa zu Mailand (1879), in Spanien die Sociedad española de geografia comercial zu Madrid (1885) und in Portugal die Sociedade de geografia comercial zu Porto (1880). Sie geben fast sämtlich Jahresberichte mit Abhandlungen heraus.