Zum Inhalt springen

MKL1888:Hamann

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Hamann“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Hamann“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 8 (1887), Seite 3536
Mehr zum Thema bei
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Hamann. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 8, Seite 35–36. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Hamann (Version vom 07.01.2023)

[35] Hamann, Johann Georg, deutscher Schriftsteller, gemeinhin der Magus aus Norden genannt, geb. 27. Aug. 1730 zu Königsberg i. Pr., widmete sich seit 1746 daselbst dem Studium der Philosophie, sodann dem der Theologie und endlich dem der Rechte, beschäftigte [36] sich aber vorzugsweise mit Sprachen, Philosophie und Kritik. Nach Beendigung seiner Studien führte er ein unstetes Leben, bald als Hauslehrer bei der Baronin v. Budberg zu Grünhof (1752), bald ohne Beschäftigung an verschiedenen Orten. Dann fand er zu Riga in einer Kaufmannsfamilie Aufnahme und suchte sich hier mit den Handlungswissenschaften vertraut zu machen. Darauf wurde er wieder Hauslehrer, hielt aber auch in dieser Stellung nicht lange aus und nahm wieder seine Zuflucht zu seinen Freunden in Riga. In Angelegenheiten derselben unternahm er eine Reise nach England über Berlin, wo er Moses Mendelssohn, Ramler und Sulzer kennen lernte, Hamburg, Lübeck und durch Holland. In London blieb er über ein Jahr und ergab sich aus Mißmut über den ungünstigen Erfolg der ihm übertragenen Geschäfte Ausschweifungen, aus denen ihn endlich das Lesen der Bibel rettete. 1758 war er wieder in Riga, bis ihn 1759 sein Vater nach Königsberg zurückrief. Hier lebte er in glücklicher Muße dem Studium der alten Litteratur und der orientalischen Sprachen, sah sich aber endlich genötigt, einen Erwerb zu suchen, und ward zuerst Kopist bei dem Königsberger Magistrat, dann Kanzlist bei der Domänenkammer, entsagte aber 1764 auch diesen Geschäften, machte eine Reise nach Deutschland und der Schweiz und ward 1765 abermals Hauslehrer in Mitau. Später erhielt er durch Kants Empfehlung die Stelle eines Schreibers und Übersetzers bei der Provinzialaccise und Zolldirektion und 1777 die eines Packhofsverwalters. Nachdem er 1782 einen Teil seiner Einkünfte verloren, lebte er mit seiner Familie in dürftigen Umständen, bis ihm 1784 ein ihm damals unbekannter Wohlthäter (Buchholz in Münster) durch ein ansehnliches Geldgeschenk aus der Not half. H. nahm 1787 seinen Abschied und lebte von da an abwechselnd zu Düsseldorf und Münster im vertrauten Umgang mit Jacobi und der Fürstin Galizyn, die ihm auch zu Münster, wo er 21. Juni 1788 starb, ein Denkmal setzen ließ. Als Schriftsteller wurde H. von seinen Zeitgenossen wenig beachtet, da die eigentümliche Einkleidung seiner oft sehr tiefsinnigen Gedanken und seine Vorliebe für biblische und symbolische Darstellung seine Schriften der großen Menge unzugänglich machten. Seine im Druck erschienenen Schriften aus den drei Zeiträumen: 1759–63, 1772 bis 1776 und 1779–84 sind zahlreich, aber die meisten nicht über zwei Bogen stark. Alle waren Gelegenheitsschriften voll persönlicher und örtlicher Beziehungen, zugleich aber auch voll Anspielungen auf die Bücherwelt, in der er lebte und gelebt hatte. Da sie überdies der damals herrschenden Aufklärungsbildung schnurstracks widersprachen, so wurden sie nur von wenigen, einem Herder, Goethe, Jacobi, Jean Paul u. a., mit Achtung aufgenommen. Die meisten dieser Schriften polemisieren gegen Materialismus und Freigeisterei sowie gegen die Verehrung des Fremden. Alle Gedankenauslassungen Hamanns wurzeln in der Tiefe eines religiösen Gemüts und behandeln, doch stets mehr in begeistert aphoristischer Weise als in zusammenhängender Betrachtung, die wichtigsten sozialen und religiös-sittlichen Fragen des Menschenlebens. Fragmente aus Hamanns Schriften gab Cramer heraus unter dem Titel: „Sibyllinische Blätter des Magus aus Norden“ (Leipz. 1819), seine „Sämtlichen Schriften“ Fr. Roth (Berl. 1821–43, 8 Bde.). Vgl. „Biographische Erinnerungen an H.“ (von C. Carvacchi, Münst. 1855); Gildemeister, J. G. Hamanns, des Magus im Norden, Leben und Schriften (Gotha 1857–68, 5 Bde.; Bd. 6: „Hamann-Studien“, 1873); „J. G. Hamanns Schriften und Briefe“, erläutert und herausgegeben von Moritz Petri (Hannov. 1872–74, 4 Bde.); Poel, J. G. H., der Magus im Norden; sein Leben und Mitteilungen aus seinen Schriften (Hamb. 1874–76, 2 Tle.); „Hamanns Leben und Werke in geordnetem gemeinfaßlichen Auszug“, herausgegeben von Claassen (Gütersl. 1885); Minor, J. G. H. in seiner Bedeutung für die Sturm- und Drangperiode (Frankf. 1881).