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MKL1888:Gregorovĭus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Gregorovĭus“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Gregorovĭus“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 7 (1887), Seite 658
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Gregorovĭus. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 658. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Gregorov%C4%ADus (Version vom 14.08.2023)

[658] Gregorovĭus, Ferdinand, namhafter deutscher Geschichtschreiber und Dichter, geb. 19. Jan. 1821 zu Neidenburg in Ostpreußen, widmete sich, auf dem Gymnasium zu Gumbinnen vorgebildet, auf der Universität Königsberg dem Studium der Theologie und Philosophie, nach Ablauf seines akademischen Trienniums aber, seiner Neigung folgend, poetischen und historischen Studien. Nachdem er seit 1841 mehrere belletristische Produkte, unter andern „Werdomar und Wladislaw, aus der Wüste Romantik“ (Königsb. 1845, 2 Tle.), veröffentlicht hatte, gab er eine bedeutendere Arbeit: „Goethes Wilhelm Meister in seinen sozialistischen Elementen“ (das. 1849), heraus, welches Werk ein tiefes Verständnis des Dichters bekundete. Kleinere Arbeiten, aber voll Tiefe und Wärme der Empfindung, waren: „Die Idee des Polentums“ (Königsberg 1848) und „Die Polen- und Magyarenlieder“ (das. 1849). Die Frucht gründlicher historischer Studien waren die Tragödie „Der Tod des Tiberius“ (Hamb. 1851) und die „Geschichte des römischen Kaisers Hadrian und seiner Zeit“ (das. 1851, 3. Aufl. 1884). Im Frühjahr 1852 begab sich G. nach Italien, das er seitdem vielfach durchwanderte, und wo er sich nun längere Zeit aufhielt. Interessante Ergebnisse seiner dortigen Beobachtungen und Studien enthalten das treffliche Werk über „Corsica“ (Stuttg. 1854, 2 Bde.; 3. Aufl. 1878; auch ins Englische übersetzt) und die unter dem Titel: „Wanderjahre in Italien“ (5 Bde.) gesammelten, in wiederholten Auflagen erschienenen Schriften: „Figuren. Geschichte, Leben und Szenerie aus Italien“ (Leipz. 1856), „Siciliana, Wanderungen in Neapel und Sicilien“ (1860), „Lateinische Sommer“ (1863), „Von Ravenna bis Mentana“ (1871), und „Apulische Landschaften“ (1877), worin er nicht nur die südliche Natur in ihren Reizen zu schildern, sondern auch die ernste Schönheit der antiken Kunstwerke einsichtsvoll zu würdigen und die zahlreichen geschichtlichen Erinnerungen mit Sachkenntnis und Geschmack einzuflechten weiß. Daran schloß sich „Die Insel Capri“ (Leipz. 1868, mit Bildern von K. Lindemann-Frommel). Auch sein idyllisches Epos „Euphorion“ (Leipz. 1858, 2. Aufl. 1872; von Th. Grosse illustriert, 1872) atmet südliche Luft und klassischen Geist. Er lieferte auch eine gelungene Übersetzung der „Lieder des Giovanni Meli von Palermo“ (Leipz. 1856, 2. Aufl. 1886). Welche gründlichen historischen Studien, namentlich über die Geschichte Roms, er aber während seines Aufenthalts in Italien gemacht, beweisen seine Schriften: „Die Grabmäler der römischen Päpste“ (Leipz. 1857, 2. Aufl. 1881) und die „Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter“ (Stuttg. 1859–73, 8 Bde.; 4. Aufl., das. 1886 ff.), ein Werk, das die Geschichte der Ewigen Stadt als Residenz der Päpste und als Mittelpunkt der mittelalterigen Geschichte mit weitem historischen Überblick und eingehender Kenntnis der Bau- und Kunstdenkmäler behandelt und nach Form und Inhalt zu den besten Leistungen der neuern deutschen Geschichtschreibung gehört. Das Munizipium der Stadt Rom beschloß in Würdigung der hohen Bedeutung des Werkes dessen Übersetzung ins Italienische („Storia della città di Roma nel medio evo“, Vened. 1874–76, 8 Bde.) und ernannte G. zum Bürger Roms. Neuere Werke G.’ sind: „Lucrezia Borgia“ (Stuttg. 1874, 3. Aufl. 1877; franz., Par. 1876), worin er eine Ehrenrettung der berüchtigten Frau versuchte; „Urban VIII. im Widerspruch zu Spanien und dem Kaiser“ (Stuttg. 1880); „Athenais, Geschichte einer byzantinischen Kaiserin“ (Leipz. 1882) und „Korfu, eine ionische Idylle“ (das. 1882), die Frucht einer 1880 unternommenen Reise nach Griechenland. Auch gab er die „Briefe Alexanders v. Humboldt an seinen Bruder Wilhelm“ (Stuttg. 1880) und einen von ihm aufgefundenen Stadtplan Roms („Una pianta di Roma delineata da Leonardo da Besozzo Milanese“, Rom 1883) heraus. G. lebt neuerdings abwechselnd in Rom und in München, wo er Mitglied der Akademie ist.