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MKL1888:Granville

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Granville“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 622
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Granville. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 622. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Granville (Version vom 30.04.2021)

[622] Granville (spr. grangwil), befestigte Seestadt im franz. Departement Manche, Arrondissement Avranches, auf einem felsigen Vorgebirge am Kanal und an der Mündung des Bosq, Endstation der Eisenbahnlinie Paris-G., Kriegsplatz zweiter Klasse mit Befestigungen, die meist aus dem 18. Jahrh. stammen, und einer Kirche auf dem Gipfel des Vorgebirges, aus dem 15.–16. Jahrh. Unter den Kasernen ziehen sich vom Meer gehöhlte Grotten hin. Der Hafen ist durch einen alten Damm und einen neuen Molo geschützt, hat zwei Bassins und zwei Leuchttürme. Die Flut erreicht hier die größte Höhe (14 m). Mit Jersey und Guernsey steht G. in regelmäßiger Dampfschiffsverbindung. Die Zahl der Einwohner beträgt (1876) 12,372. Die Stadt treibt ansehnlichen Schiffbau, starken Stockfisch- und Austernfang (Austernparke auf dem Felsen Cancale), Fabrikation von Branntwein, Chemikalien und Leberthran, hat besuchte Seebäder, eine Mineralquelle, Granitbrüche (auf der Insel La Chaussey), Eisenwerkstätten und Gerbereien. Die Ausfuhr besteht besonders in Austern, Fischen, bearbeiteten Steinen; die Einfuhr in Salz, Dungstoffen, Getreide und Mehl. 1884 sind in G. 603 beladene Schiffe mit 66,731 Ton. eingelaufen. G. hat eine hydrographische Schule, ein Handelsgericht und eine Handelskammer und ist Sitz zahlreicher auswärtiger Konsulate. – Die Stadt wurde zu Anfang des 15. Jahrh. von den Engländern angelegt, 1450 von den Franzosen genommen und 1695 von den Engländern belagert und verbrannt, 1793 vergeblich von den Vendéern und 1803 von den Engländern belagert.

Granville (spr. grä́nnwĭl), 1) Leveson-Gower, Graf, engl. Diplomat, Sohn des Marquis G. von Stafford, geb. 12. Okt. 1773, trat 1795 für Lichfield ins Parlament und ward von Pitt 1800 zum Lord des Schatzes ernannt, von welchem Posten er 1802 zugleich mit jenem zurücktrat. Als Pitt 1804 wieder Minister wurde, ging G. als Gesandter nach Rußland, um den Vertrag abzuschließen, welcher den Feldzug von 1805 herbeiführte. 1813 wurde er nach dem Haag gesandt, 1815 zum Viscount und Peer erhoben und als Botschafter nach Paris geschickt, von wo er erst 1828 von Wellington abberufen wurde. Grey sandte ihn 1830 wieder nach Paris, wo er das gute Einvernehmen mit der Juliregierung unterhielt. 1833 zum Baron Leveson und Grafen G. erhoben, ward er 1841 in Paris durch Lord Cowley ersetzt; er starb 7. Jan. 1846 in London.

2) George Leveson-Gower, Graf, Sohn des vorigen, geb. 11. Mai 1815, verbrachte seine Kindheit zu Paris, studierte in Oxford und ward darauf seinem Vater als Attaché beigegeben. 1836 trat er ins Parlament und war von 1840 bis 1841 Unterstaatssekretär im Ministerium des Auswärtigen. Als die Whigs 1846 wieder ans Ruder kamen, erhielt G., inzwischen durch den Tod seines Vaters in das Oberhaus berufen, die Stelle eines Oberjägermeisters, die er im Mai 1848 mit der eines Vizepräsidenten des Handelsamtes vertauschte. In der Kommission für die Weltausstellung von 1851 führte er den Vorsitz, ward darauf im Dezember 1851 Palmerstons Nachfolger als Minister des Auswärtigen, als welcher er namentlich das Asylrecht der politischen Flüchtlinge in England gegen die Kontinentalmächte verteidigte, nahm aber schon 22. Febr. 1852 beim Fall des Whigministeriums seine Entlassung. Nachdem aber noch vor Ende des Jahrs auch Derbys Ministerium gestürzt war, übernahm G. in dem neuen Koalitionskabinett das Präsidium des Geheimen Rats. 1854 gab er dieses Amt an Russell ab und blieb als Kanzler des Herzogtums Lancaster im Ministerium, bis er im Februar 1855 von neuem Präsident des Geheimen Rats wurde. 1856 ging er als außerordentlicher Gesandter zur Kaiserkrönung nach Moskau. In dem neuen Ministerium Palmerston-Russell, welches 1859 an das Ruder kam, übernahm er abermals die Stelle des Geheimeratspräsidenten und ward im Oberhaus der Hauptvertreter des Kabinetts, mit welchem er 1866 zurücktrat. 1862 war er Präsident der Kommission für die zweite Weltausstellung. In das im Dezember 1868 gebildete Kabinett Gladstones trat G. anfangs als Minister der Kolonien ein und wurde im Juni 1870 nach Clarendons Tod wiederum Minister des Auswärtigen. Ob er bei energischerer Haltung gegenüber dem französischen Ministerium den Ausbruch des deutsch-französischen Kriegs hätte verhindern können, muß dahingestellt bleiben; während des Kampfes beobachtete er strenge Neutralität, hinderte aber nicht, daß englische Kaufleute Frankreichs Flotte mit Kohlen und seine Heere mit Waffen versorgten. Als sich 1874 das Ministerium Gladstone auflöste, trat G. wieder in die Opposition zurück, deren Führer er im Oberhaus wurde, und übernahm im April 1880 abermals unter Gladstone das auswärtige Ministerium, dessen Politik jedoch mehr durch den Chef des Kabinetts als durch G. bestimmt wurde. G. verhinderte die Fehler nicht, durch die England in Ägypten und Afghanistan in eine schwierige Lage geriet und von Europa sich gänzlich isolierte. Er trat im Juni 1885 mit Gladstone vom Ministerium zurück, übernahm sodann in Gladstones neuer Regierung vom Januar 1886 statt des Auswärtigen Amtes, das an Lord Roseberry überging, das Ministerium der Kolonien und behielt dasselbe bis zu den Neuwahlen vom Juli 1886, infolge deren er mit Gladstone seine Entlassung nahm.