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MKL1888:Goslar

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Goslar“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 7 (1887), Seite 532533
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Goslar. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 7, Seite 532–533. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Goslar (Version vom 21.03.2022)

[532] Goslar, Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Hildesheim, am Rande des Nordharzes, nahe der braunschweigischen Grenze, am Fuß des Rammelsbergs und an der Gose, einem Nebenfluß der Oker, 260 m ü. M., Knotenpunkt der Linien Vienenburg-G. und Langelsheim-G.-Grauhof, hat mit seinen zahlreichen Kirch- und Befestigungstürmen von außen ein sehr altertümliches Aussehen. Unter diesen Türmen ist der sogen. Zwinger bemerkenswert. Er hat gegen 7 m dicke Mauern, drei Säle übereinander und gewährt einen schönen Blick über Stadt und Umgegend. Die meisten der früher vorhandenen Kirchen und Klöster sind verschwunden oder dienen andern Zwecken, auch der altehrwürdige, vom Kaiser Heinrich III. erbaute Dom wurde 1820 auf Abbruch verkauft. In der noch vorhandenen kleinen Kapelle [533] (einer Vorhalle des Doms aus späterer Zeit) werden Überreste der alten Ausschmückung des Doms aufbewahrt, darunter der sogen. Krodoaltar, ein 1 m langer Kasten aus durchbrochenen Bronzeplatten, getragen von vier knieenden Bronzefiguren, wahrscheinlich

Wappen von Goslar.

Männern des besiegten Wendenvolkes (aus dem 11. Jahrh.; Abbildung s. Altar, Fig. 2). Unter den Kirchen, deren G. 4 evangelische und eine katholische besitzt, sind noch zu nennen: die spätromanische Klosterkirche Neuwerk aus dem Ende des 12. Jahrh., mit vortrefflichen, restaurierten Decken- und Wandgemälden aus dem 13. Jahrh., und die Frankenberger Kirche, eine überwölbte Pfeilerbasilika, 1108 eingeweiht und 1880 restauriert, wobei die alten Wandgemälde wieder aufgefrischt wurden. Auf der dem ehemaligen Dom benachbarten Höhe steht das Kaiserhaus, ebenfalls von Heinrich III. um 1050 gegründet, das bis zur Mitte des 13. Jahrh. von den Kaisern als Wohnung benutzt wurde, die Geburtsstätte Heinrichs IV. ist und 23 Reichsversammlungen gesehen hat. Von 1867 bis 1880 ist das Kaiserhaus in würdiger Weise restauriert und durch Wislicenus aus Düsseldorf mit einer Reihe großartiger Fresken aus der deutschen Sage und Geschichte geziert worden, die (1886) bis auf zwei vollendet sind. Die Ulrichskapelle, einst die kaiserliche Hauskapelle, ist eine merkwürdige Doppelkapelle in zierlich romanischem Stil. Unter den Profanbauten sind bemerkenswert: das Rathaus, 1136 vom Kaiser Lothar gegründet, 1184 von Friedrich Barbarossa vollendet, gegenwärtig durch geschmacklose Anbauten verunstaltet, enthält eine reiche Menge interessanter Altertümer; die Kaiserworth, ein von sieben Bogen getragenes, mit acht Kaiserstatuen geschmücktes Gebäude (ehemals Gildehaus der Gewandschneider, jetzt Gasthof); ferner das Bäckergildehaus, das Geburtshaus des Marschalls Moritz von Sachsen, das Breite Thor von 1447, das sogen. Brusttuch, ein altes Haus mit meisterhaft ausgeführten satirischen Holzschnitzbildern (darunter die „Butterhanne“, ein Wahrzeichen von G.), und auf dem Markte das uralte bronzene Brunnenbecken, an das sich seltsame Sagen knüpfen. Die Bevölkerung beträgt (1885) mit der Garnison (Jägerbataillon Nr. 10) 11,690 Seelen, meist Evangelische. Die Haupterwerbsquelle bildet seit alten Zeiten der Bergbau. Die reichen Erzlager des Rammelsbergs, der, 636 m hoch, im S. der Stadt gelegen, wohl der merkwürdigste Berg des ganzen Harzes ist, werden bereits seit 968 bearbeitet, zuerst durch Franken, welche sich die Peter-Paulskirche bauten, und nach denen noch heute der obere Teil von G. der Frankenberg heißt. Außer Silber und etwas Gold werden Kupfer, Blei, Schwefel, Vitriol, vor allem viel Schwefelsäure gewonnen. Beschäftigt sind dabei über 600 Personen. Berühmt war ehedem die Goslarer Gose, ein ebenso nahrhaftes wie wohlschmeckendes Weizenbier. G. hat eine Synagoge, ein Amtsgericht, eine Handelskammer, ein Gymnasium, ein Realgymnasium und zahlreiche milde Stiftungen.

G. soll von König Heinrich I. um 920 durch Zusammenlegung mehrerer Dörfer am Rammelsberg (Bergdorf, Warsleben, Sudburg) gegründet worden sein. Unter Otto d. Gr. wurden die Schätze des Rammelsbergs entdeckt, was das Emporblühen der Stadt sehr begünstigte. G. wurde ein Lieblingsaufenthalt der sächsischen und noch mehr der salischen Kaiser. 1039 wurde das Domstift St. Simon und Judä, das den Titel Capella imperii führte, von der Harzburg nach G. verlegt und dann von Heinrichs III. Gemahlin Agnes das Stift zum Petersberg gegründet. Ein Rangstreit zwischen dem Bischof Hezilo von Hildesheim, in dessen Sprengel G. lag, und dem Abt Widerad von Fulda, als Erzkanzler der Kaiserin, artete 1063 bei der Anwesenheit Kaiser Heinrichs IV. in der Domkirche in offene Fehde aus und veranlaßte ein Blutbad, wobei selbst der Kaiser fliehen mußte. 1180 schlug G. den Angriff Heinrichs des Löwen ab, wurde aber 1206 von der welfischen Partei erobert und geplündert. Friedrich II. verlieh G. 1219 ein Privilegium, das die Macht der Reichsvögte beschränkte. Der letzte deutsche König, der in G. weilte, war Wilhelm von Holland. Von Rudolf I. mit der Reichsvogtei betraut, trat die Stadt zur Hansa und behauptete sich im Besitz ihrer Freiheit und ihrer Bergwerke gegen die Fürsten ringsum, besonders gegen die Welfen. Aus der Mitte des 14. Jahrh. stammen die goslarischen Statuten, ein Gesetzbuch, das von mehreren Städten angenommen wurde (hrsg. von Göschen, Berl. 1840). Der Reformation wandte sich G. schon 1521 zu, 1528 war sie durchgeführt. Doch folgten der Dom und das Petersstift erst 1566 und 1570. Inzwischen hatte die Stadt 1552 ihre Bergwerke und Forsten an Herzog Heinrich den jüngern von Braunschweig, ihren „Erbschutzherrn“, verloren, und infolge des Dreißigjährigen Kriegs, in welchem sie von den Schweden erobert und gebrandschatzt ward, erblich der Glanz der alten Stadt noch mehr. 1802 verlor G. die Reichsunmittelbarkeit und kam an Preußen; 1807 kam es an Westfalen, 1816 an Hannover und 1866 wieder an Preußen. Vgl. Crusius, Geschichte der vormals kaiserlichen freien Reichsstadt G. (Gosl. 1842–43); „G. am Harz sonst und jetzt“ (anonym, das. 1863); Hotzen, Das Kaiserhaus zu G. (Halle 1872); Mithoff, Kunstdenkmale und Altertümer im Hannöverschen, Bd. 3 (Hannov. 1874); Wolfstieg, Verfassungsgeschichte von G. (Berl. 1885).