MKL1888:Gassendi
[943] Gassendi (spr. -ssängdi oder -ssangdi), Petrus (eigentlich Pierre Gassend), ausgezeichneter franz. Physiker, Mathematiker und Philosoph, geb. 22. Jan. 1592 zu Chartansier in der Provence, erhielt schon in seinem 16. Jahr einen Lehrstuhl der Rhetorik, 1613 einen solchen der Theologie zu Aix, gab aber 1623 diese Stelle auf, um sich in Dijon, wo er ein Kanonikat besaß, dem Studium der Philosophie der Alten und daneben der Naturwissenschaften, besonders der Astronomie und Anatomie, zu widmen. Als Schriftsteller trat er mit seinen „Excercitationes paradoxicae adversus Aristoteleos“ (1. Buch, Grenoble 1624; 2. Buch, Haag 1659) auf, die außerordentliches Aufsehen machten, deren weitere fünf Bücher aber von ihm selbst unterdrückt wurden. Nachdem er mehrere wissenschaftliche Reisen in die spanischen Niederlande und nach Holland gemacht, erhielt er 1645 die Professur der Mathematik am Collège royal zu Paris, wo er mit außerordentlichem Beifall lehrte, aber schon 24. Okt. 1655 starb. Seines Scharfsinns und seiner Polyhistorie wegen ist G. von Bayle der größte Gelehrte unter den (damaligen) Philosophen und der größte Philosoph unter den Gelehrten genannt worden. Wie in der oben genannten Schrift die Aristotelische, so bestritt er in seinen „Objectiones ad meditationes Cartesii“ die Cartesianische Philosophie, welchen beiden er seinerseits ein neues, auf der Atomenlehre Epikurs beruhendes System entgegenstellte, weswegen er mit Recht als der Erneuerer des Atomismus und Vorläufer der neuen physikalischen Grundanschauung bezeichnet worden ist. Die Darstellung und Kritik des Epikureismus in seinen Schriften: „De vita, moribus et doctrina Epicuri“ (Lyon 1647, Amsterd. 1684) und „Syntagma philosophiae Epicuri“ (Lyon 1649, Haag 1656) gehört zu den vollständigsten und unbefangensten und hat sowohl auf die Physik als auf die Moral der spätern Encyklopädisten großen Einfluß geübt. Seine Schüler, die sich Gassendisten nannten, setzten seine Polemik gegen die Cartesianer, aber auch (namentlich der Arzt Bernier zu Montpellier) gegen die Jesuiten fort, welche Gassendis Philosophie für unverträglich mit der Transsubstantiationslehre erklärt hatten. Von seinen astronomischen Schriften sind besonders zu nennen seine „Institutio astronomica“ (Par. 1647) und „Tychonis Brahaei, Copernici, Peurbachii et Regiomontani vitae“ (das. 1654), worin er auch eine vollständige Geschichte der Astronomie bis auf seine Zeit gegeben hat. Seine sämtlichen Werke wurden gesammelt und herausgegeben von Montmort und Sorbier (Leid. 1658, 6 Bde.) und von Averrani (Flor. 1728, 6 Bde.). Vgl. Bernier, Abrégé de la philosophie de G. (Par. 1678); Martin, Histoire de la vie et des écrits de Pierre G. (1853).
[363] Gassendi, Petrus, Philosoph. Vgl. Thomas, La philosophie de G. (Par. 1889).