Zum Inhalt springen

MKL1888:Fichtenharz

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Fichtenharz“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Fichtenharz“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 6 (1887), Seite 240241
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wikipedia-Logo
Wikipedia: Fichtenharz
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Fichtenharz. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 6, Seite 240–241. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Fichtenharz (Version vom 22.02.2023)

[240] Fichtenharz (gemeines Harz), aus Nadelhölzern freiwillig oder nach dem Anbohren oder Anschneiden ausgeflossenes Harz. Europäische Harzbäume sind: die Fichte (Abies excelsa Lam.) in einigen Gegenden Deutschlands und im Norden, die Tanne (A. pectinata Dec.) im Elsaß, die Strandkiefer (Pinus maritima Lamb.) in Frankreich und Portugal, die Schwarzföhre (P. laricio Poir.) in Niederösterreich und einigen Gegenden Frankreichs, die Weißföhre oder Kiefer (P. sylvestris L.) in Deutschland und Galizien, die Lärche (Larix europaea Dec.) in Südtirol, den französischen und italienischen Alpen. In Nordamerika gewinnt man Harz aus Abies balsamea Mill., Pinus Strobus L., P. resinosa Ait. besonders in Kanada, P. Taeda L. von Virginia bis Florida und besonders aus P. australis Mill. von Carolina bis Florida. Alle diese Bäume liefern Terpentin, welcher teils in der Rinde, teils im jungen Holz entsteht und, wenn er sich zu größern Massen ansammelt, über die Rinde sich ergießt (Kiefer, Fichte, Schwarzföhre) oder in Harzbeulen der Rinde (Weißtanne, kanadische Balsamtanne) oder in Hohlräumen des Holzkörpers (Lärchen Südtirols) sich sammelt. Die Gewinnung des Terpentins, resp. des Harzes ist nach der Baumart und nach Ortsgebrauch verschieden, aber meist sehr unvollkommen. Von der Fichte wird meist nur gesammelt, was freiwillig ausfließt; in Baden werden die Fichten gewöhnlich an vier Stellen angerissen, die Ritzungen laufen der Stammrichtung parallel, sind etwa zollbreit und gehen ca. 8–16 Jahresringe ins Holz hinein. Der ausfließende Terpentin wird in Körben gesammelt. Die Strandkiefer wird nach der französischen Methode im Alter von 20–40 Jahren 20–40 Jahre hindurch, auch wohl noch länger, geharzt. Man macht an einer Seite des Baums, einige Zentimeter über dem Boden, einen der Lange nach gehenden, einige Zentimeter breiten Ausschnitt (Carre), welcher bis ins junge Holz hineinragt. Nach einigen Tagen wird diese Carre nach obenhin verlängert und dies so lange wiederholt, bis die Wunde 0,5–0,8 m lang ist. Im nächsten Jahr harzt man ebenso auf der gegenüberliegenden Seite des Stammes, dann zwischen beiden u. s. f., wobei durch die Vernarbung der ersten Wunden wieder Raum geschafft wird für neue Risse. Zum Auffangen des Terpentins bringt man an der Stelle des jedesmaligen Ausflusses innerhalb der Wunde Thongeschirre an und bedeckt diese mit Brettchen. In Niederösterreich beginnt man die „Schälung“ der Schwarzföhre 10–20 Jahre vor dem beabsichtigten Abtrieb, wenn die Bäume 50–100 Jahre alt sind. Man stemmt etwa 30 cm über dem Boden eine Höhlung (Grandel) aus, welche 0,5–0,66 der Stammbreite einnimmt und zur Ansammlung des Terpentins dient. Über der Höhlung nimmt man Rinde und Splint nach und nach, im ersten Jahr bis zu einer Höhe von 45–47 cm, ab und verlängert die Wunde im nächsten Jahr wieder um 45 cm nach oben. Die Lärche wird in Tirol im Frühjahr etwa 30 cm über dem Boden bis ins Zentrum des Holzkörpers angebohrt und das 3 cm weite Bohrloch verschlossen; im Herbst wird dann der Terpentin herausgenommen. Bei der Weißtanne öffnet man die Harzbeulen und läßt den Terpentin in Gefäße ablaufen. Aus dem Terpentin entsteht das Harz durch Verdunsten und Verharzen des Terpentinöls. Das natürliche F. oder Föhrenharz bildet halbweiche oder harte, gelbliche oder bräunliche, selten rötliche Massen, riecht eigentümlich terpentinartig, schmeckt bitter. In Galizien sammelt man das aus freiwillig ausfließendem Terpentin entstandene Harz (Weißföhrenharz), in Böhmen die schwefelgelben Harzplatten, welche sich [241] zwischen Holz und Rinde dicker Wurzeläste der Fichte ansammeln (Wurzelpech). Hierher gehört auch der Waldweihrauch, der von jungen Fichten- und Kieferzweigen herabtropft, vom Boden aufgelesen wird und mit angenehmem Geruch verbrennt. Die bei weitem größte Menge von F. wird aber durch künstliche Harzung gewonnen, indem ein bedeutender Teil des Terpentins am Stamm erstarrt (deutsches Rohharz, französisches Galipot oder Barras, österreichisches Scharrharz). Aus Terpentin und Rohharz erhält man ferner mannigfache Handelsprodukte. Destilliert man den Terpentin mit Wasser zur Gewinnung von Terpentinöl, so erhält man den gekochten Terpentin, durchscheinende, spröde, mattgelbe Massen, fast geruch- und geschmacklos, oft in Form gedrehter Stangen vorkommend, die einen mattgelben Kern, eine dicke, glänzende, durchscheinende, braune Rinde und eine äußere blaßgelbe Schicht besitzen. Wird der gekochte Terpentin bis zum Klarwerden geschmolzen, so erhält man Kolophonium (s. d.), durch Kochen von Rohharz mit Wasser und andauerndes Umrühren das Weißpech (Wasserharz, Burgunderharz oder Burgunderpech). Dies ist weiß oder blaßgelb, porös, opak und bedeckt sich bei längerm Liegen mit einer dünnen, durchsichtigern, dunkeln Hülle. Bei Anwendung stärkerer Hitze entsteht daraus das gelbe Harz, welches eine zerbrechliche Masse bildet. Das F. ist ein wechselndes Gemenge von kristallisierbarer, gewöhnlich aber amorpher Harzsäure mit Terpentinöl und Wasser. Es dient zur Bereitung von Lacken, Firnissen, Kitten, Pflastern, zum Verpichen von Fässern und Flaschen, zum Leimen des Papiers, zum Appretieren, zu Harzseife und Maschinenschmiere, zu Leuchtgas und Leuchtölen etc.