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MKL1888:Eisenbahnberufskrankheiten

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Eisenbahnberufskrankheiten“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Eisenbahnberufskrankheiten“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 5 (1886), Seite 458
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Eisenbahnberufskrankheiten. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 5, Seite 458. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Eisenbahnberufskrankheiten (Version vom 20.05.2021)

[458] Eisenbahnberufskrankheiten, die das Personal der Eisenbahnen infolge ihrer dienstlichen Thätigkeit betreffenden Krankheiten. Man hat seit Einführung der Eisenbahnen angenommen, daß der häufige und starke Temperaturwechsel, übermäßige Anstrengung im Dienste, das Einatmen schädlicher Gase und Staubteilchen, namentlich aber die beständigen Erschütterungen nachteilig auf das Personal einwirken, und in England hat man als Folge dieser mechanischen Erschütterungen des Nervensystems und des Rückenmarks eine besondere Affektion des Rückenmarks, railway-spine, zu erkennen geglaubt. Von andrer Seite erfuhren diese Angaben Widerspruch, und erst die statistischen Erhebungen des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen seit 1868 haben sichere Unterlagen für die Beurteilung der ganzen Angelegenheit geschaffen. Es zeigte sich, daß die Sterblichkeit und Invalidität beim Fahrpersonal diejenige bei sämtlichen Beamten um folgende Prozentsätze überstieg:

Sterblichkeit Invalidität
Beim Lebensalter von 30 Jahren 11 Proz. 74 Proz.
40 22 76
50 24 56
60 05 43
70 06 56

Hinsichtlich der Erkrankungen hat das Reichsgesundheitsamt Erhebungen bei 15 meist norddeutschen Eisenbahnverwaltungen vorgenommen und dabei folgende Resultate erhalten: Auf 100 Beamte des Fahrpersonals kamen im Jahr 98 Erkrankungsfälle, auf 100 Personen der übrigen Dienstkategorien nur 35 bis 48. Die Zahl der Krankheitstage im Jahr betrug pro Kopf des Fahrpersonals 10,7, des übrigen Personals 6,5. Dabei ist das Lokomotivpersonal erheblich mehr gefährdet als Zugführer, Schaffner und Packmeister. Am häufigsten sind Erkrankungen der Verdauungsorgane (infolge der Unregelmäßigkeiten), Rheumatismen und Erkrankungen der Atmungsorgane, die beiden letztern und ganz besonders die Rheumatismen vorzugsweise beim Fahrpersonal. Dabei zeigt sich aber hinsichtlich der Erkrankungen der Atmungsorgane beim Fahrpersonal, daß keineswegs die chronischen Formen vorwiegend ausgebildet werden; im Gegenteil ist das Fahrpersonal in Bezug auf diese dem übrigen Personal gegenüber eher begünstigt. Auffallend häufig sind beim Lokomotivpersonal Neuralgien (Gesichtsschmerz, Hüftschmerz), während sich für Rückenmarksaffektionen überall normale Zahlen ergeben. Von größtem Belang für die Sicherheit des Dienstes ist das Auftreten der Farbenblindheit, und es sind daher über die Häufigkeit derselben umfassende Untersuchungen angestellt worden, welche ergeben haben, daß die Farbenblindheit nicht durch den Dienst erworben wird. Die Lokomotivführer sind auf Farbenblindheit und auf die Beschaffenheit ihrer Augen überhaupt beim Eintritt in den Dienst zu prüfen, und nur in besondern Fällen sind spezielle Nachprüfungen vorzunehmen. Ähnliches gilt für Ohrenleiden, hinsichtlich welcher die hervorragendsten Ohrenärzte übereinstimmend aussagen, daß keine Berufsklasse zu den chronischen Leiden (katarrhalische, rheumatische, nervöse) ein höheres Kontingent stelle als das Lokomotivpersonal. Übrigens läßt sich konstatieren, daß seit den 60er Jahren dank den fast allgemein getroffenen Schutzmaßregeln die Gesamthäufigkeit der Erkrankungen einigermaßen abgenommen hat (nur bei den Lokomotivführern ist keine Abnahme zu bemerken). Diese Abnahme betrifft besonders die Erkrankungen der Atmungsorgane und die Rheumatismen, so daß gegenwärtig Krankheiten der Verdauungsorgane am häufigsten vorkommen. Vgl. Weber, Gefährdung des Personals beim Maschinen- und Fahrdienst (Leipz. 1862); Rigler, Über die Folgen der Verletzungen auf Eisenbahnen (Berl. 1879); Derselbe, Die im Eisenbahndienst vorkommenden Berufskrankheiten (das. 1880); Behm, Statistik der Mortalitäts-, Invaliditäts- und Morbiditätsverhältnisse bei dem Beamtenpersonal der deutschen Eisenbahnverwaltungen (das. 1876, mit Nachträgen); Finkelnburg, Ergebnisse der Erkrankungsstatistik bei 15 deutschen Eisenbahnverwaltungen (das. 1878); die vom Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen jährlich veröffentlichten „Statistischen Nachrichten über die Erkrankungsverhältnisse der Beamten etc.“