MKL1888:Ebenbild Gottes
[276] Ebenbild Gottes, eine zunächst biblische, dann dogmatische Vorstellung, welche, den emphatisch hohen Begriff vom Menschen im Gegensatz zu dem Menschen als Naturwesen ausdrückend, in das allgemeine religiös-sittliche Bewußtsein übergegangen ist und eine folgenreiche Bedeutung in der Kulturgeschichte erlangt hat. Nach der sogen. jehovistischen Erzählung besteht die Gottähnlichkeit des Menschen in Erkenntnis und Unsterblichkeit (1. Mos. 3, 5. 22), ist ihm aber nur in erster Beziehung und zwar unrechtmäßig zu teil geworden; der eigentliche Urheber vom E. ist aber der Elohist in den berühmten Worten 1. Mos. 1, 26. 27, wonach die Gottebenbildlichkeit des Menschen in seiner Fähigkeit besteht, über die vernunftlose Kreatur zu herrschen, also Gottes Regiment teil- und beziehungsweise zu vertreten; in diesem Sinn vererbt daher Adam das E. (1. Mos. 5, 3) und ist letzteres unverlierbar (1. Mos. 9, 6; Jak. 3, 9), dem männlichen Geschlecht unmittelbarer eignend als dem weiblichen (1. Kor. 11, 7). Von beiden Erzählungen der Genesis hat Paulus Anlaß genommen zu seiner Lehre von Christus als dem vorweltlichen und einzig vollkommenen E. (2. Kor. 4, 4), in dessen Bilde die natürlichen Nachkommen Adams verklärt werden müssen, um das E. auch ihrerseits darzustellen (2. Kor. 3, 18; Kol. 3, 10; Eph. 4, 23). Die Kirchenlehre hat sich auf keinem dieser drei Wege gehalten, indem sie in ihrer Darstellung vom Urstand (s. d.) die Gottebenbildlichkeit als zeitlichen Anfang der Menschengeschichte faßt, so daß der Mensch, was er sein soll, E., von Anfang an war und Ideal und Wirklichkeit zusammenfielen, wobei jedoch der Unterschied besteht, daß nach der katholischen Lehre das einfache E. nur in der natürlichen Ausstattung des Menschen als vernünftiger, freier Persönlichkeit, die positive Gottähnlichkeit aber in der noch darüber hinaus verliehenen wirklichen Vollkommenheit (s. Donum superadditum) besteht, welche durch den Sündenfall verloren ging, während die protestantische Lehre „Bild“ und „Ähnlichkeit“, die 1. Mos. 1, 26 in der Weise des hebräischen Parallelismus unterschiedenen Ausdrücke, als sachlich gleichbedeutend faßt und das E. bis auf wenige kümmerliche Reste durch den Sündenfall verloren gehen läßt.