MKL1888:Drontheim
[155] Drontheim (norweg. Trondhjem), eins der sechs Stifter des Königreichs Norwegen, früher weit größer und den ganzen nördlichen Teil von Norwegen umfassend, jetzt aber, seitdem das Stift Tromsö davon abgeschieden ist, auf die Ämter Nord- (Nordre) und Süddrontheim (Söndre Trondhjem) sowie auf die beiden nördlichen Vogteien des Amtes Romsdal (Nordmöre und Romsdal) eingeschränkt. Es liegt an der Nordsee, zu Lande vom Amt Nordland, Schweden und den Stiftern Bergen und Hamar eingeschlossen, und umfaßt 50,632 qkm (919,5 QM.) mit (1876) 271,575 Einw., wovon auf die Ämter Süddrontheim 18,921 qkm (343 QM.) mit 116,804 Einw. und Norddrontheim 23,115 qkm (419,8 QM.) mit 82,271 Einw. entfallen. Es ist größtenteils Felsen- und Gebirgsland. Im S. zieht sich das Dovrefjeld mit seinen Nebenketten hin, größere Thalebenen finden sich nur am Drontheimsfjord. Das Gestade ist zum größten Teil zerrissen, und die zahllosen Schären treten kahl und nackt aus den Wellen hervor. Unter den Fjorden, die tief ins Land einschneiden, sind auszuzeichnen: der Molde- oder Romsdals-, der Thingvold-, der Halse-, Vinje-, Hevne-, Drontheim-, Namsen-, Folden- und Bindalsfjord. Das Land wird von vielen Seen und der Rauma, Driva, Orkla, Gula [156] oder Gulelv, Tya- oder Nea-, Stördals-, Vaeradals-, Snaasen- und Namsenelv reichlich bewässert. Die kurzen und engen Thäler lassen nur wenig Acker-, mehr Gemüsebau zu; daneben treibt man Viehzucht, Jagd (auf Bären), Vogelfang, Fischerei und Bergbau (auf Schwefelkies, Kupfer und Eisen). Bedeutend ist der Handel teils zur See, teils zu Lande mit Schweden, wohin man Holzwaren, Pferde, Fische, Thran und Viehprodukte absetzt. Unmittelbar an der Küste ist Holzmangel, tiefer landeinwärts aber sind große Fichten- und Tannenwälder. Das Stift enthält 12 Propsteien, 66 Pastorate, 150 Kirchspiele und 8 Kapellengemeinden. Charakteristisch für die Bewohner des Amtes Süddrontheim ist die brennendrote Zipfelmütze, die als wesentlicher Teil ihres Anzugs bis weit in die Gebirge hinein allgemein getragen wird.
Die gleichnamige Hauptstadt des Stifts und einzige Stadt des Amtes Süddrontheim, an Größe und Wichtigkeit die dritte in Norwegen, liegt am Südgestade des gleichnamigen, hier fast 8 km breiten Fjords, an der Mündung der Nea- oder Nidelv, an Hügeln malerisch hingestreckt und ist mit Christiania und dem nördlichen Schweden (Wester-Norrland) durch Eisenbahnen verbunden. Sie besteht aus der Stadt und den Vorstädten Baklandet und Ilen. Der Hafen, in welchem ein Teil der Marine stationiert ist, ist geräumig, tief und sicher, hat auch guten Ankergrund, aber eine beschwerliche Einfahrt. Auf einer Klippe mitten im Hafen steht das verfallene Fort Munkholm (ehemals Staatsgefängnis) und auf einer Anhöhe neben der Stadt das Kastell Christianstén. Die Stadt hat in ihrer Mitte einen großen, viereckigen Platz und breite Straßen, die sich meist rechtwinkelig schneiden. Königs- und Mönchsstraße durchziehen sie in ihrer ganzen Länge und Breite. Die Häuser sind zweistöckig und fast ausschließlich Holzbauten. Sie ruhen auf hohen Fundamenten, so daß man zu den Thüren nur mittels einer Treppe gelangt, und unter den meisten Häusern befinden sich, der häufigen Feuersbrünste wegen, tiefe, gewölbte Kellerräume. Durch ein neueres Gesetz ist, wie in Christiania, die weitere Errichtung von hölzernen Häusern verboten worden. Das eigentümlichste Gepräge hat die sogen. Seestraße, an der Ostseite der Stadt, wo den großen und stattlichen Kaufmannshäusern ebenso viele hölzerne, auf 5–6,5 m hohen Pfählen ruhende Pack- und Warenhäuser gegenüberstehen, die mit der Hinterseite an die unmittelbar vorbeifließende Neaelv stoßen, wodurch das Laden wie das Löschen der Schiffe mit großer Leichtigkeit geschieht. Eine Brücke über den Fluß führt in die Vorstadt Baklandet. Die ehrwürdigste Ruine einer großen Vergangenheit und das interessanteste Kirchengebäude Skandinaviens ist der Dom, der, in seinen Kreuzarmen aus dem 13. Jahrh. ein Nachbild der englisch-normännischen Bauten, nach dem Brand von 1530 fast nur noch das glänzende, reichverzierte spätgotische Chor enthält, welches, in der seltenen Form eines Oktogons mit niedrigem Umgang, ehemals den silbernen Sarg des Königs Olaf (1017–29), des Schutzpatrons von Norwegen, in sich schloß. In den letzten Jahren hat man begonnen, die Kirche in alter Schönheit wiederherzustellen. Vgl. v. Minutoli, Der Dom zu D. (Berl. 1853). In der Nähe stand der sogen. Königsstuhl, ein hoher gemauerter Turm mit Treppen, auf welchem die norwegischen Könige gekrönt wurden. Auch jetzt wieder (seit 1818) sind die norwegischen Könige in der Chorkirche gekrönt worden. Unweit des Doms befand sich die Residenz des Erzbischofs, deren Überreste noch in dem sogen. Kongsgaard („Königshof“) vorhanden sind. Außer dem Dom hat die Stadt 3 evang. Kirchen und eine kath. Kapelle. Am Markt stehen mehrere öffentliche Gebäude, sämtlich von mächtigen Holzmassen aufgeführt; unter diesen dient der riesige Stiftshof dem Stiftsamtmann als Wohnung. D. wird durch eine Wasserleitung reichlich mit Wasser versehen. Die Zahl der Einwohner beträgt (1876) 22,544. Fischerei, Schiffahrt und Handel sind bedeutend. Da die Stadt ein weites und reiches Binnenland mit ausländischen Produkten und Fabrikaten zu versehen hat, so ist die Einfuhr sehr bedeutend und hat sich in neuester Zeit noch gehoben. Es kamen vom Ausland 1878 an 260 Schiffe von 66,263 Ton. Tragfähigkeit. Zu den Hauptartikeln der Ausfuhr gehören: Garkupfer (1879: 347,190 kg), Fische (1879: 416,340 kg), Heringe (11,832 hl), Thran (2380 hl) und Holz (5945 Ton.). Wert der gesamten Ein- und Ausfuhr:
Einfuhr: | Ausfuhr: | ||
1879: | 11041000 | 2621300 | Kronen |
1882: | 10153400 | 3289200 | „ |
Die Zolleinnahmen beliefen sich 1882 auf 1,707,935 Kronen. 1878 besaß D. 55 Segelfahrzeuge von 6320 Ton. Tragfähigkeit und 21 Dampfer von 4201 T. Nicht nur mit den Ortschaften an dem Fjord steht D. in lebhafter Dampfschiffsverbindung, sondern auch mit den sämtlichen Häfen längs der ganzen norwegischen Küste sowohl gegen S., als auch im N. bis Wadsö, ja von dort bis Archangel und bis Sibirien. D. ist Sitz eines Bischofs und eines Bergamts sowie eines deutschen Konsuls, hat eine Domschule, eine Nordische Gesellschaft der Wissenschaften, ein Museum, eine Bibliothek, ein Theater, Zuchthaus und viele Fabriken; auch die norwegische Reichsbank (seit 1816) hat hier ihren Sitz.
D. wurde 996 von Olav Trygvesen angelegt, der sich eine für jene Zeit glänzende Königsburg erbaute, die jedoch ganz aus Holz bestand. Es hieß damals Nidaros („Mündungsstadt der Nid“, lat. Nidarosia). Von Jarl Svend verbrannt, ward die Stadt von Olaf II., dem Heiligen, wieder aufgebaut. Als Residenz der Könige und eines 1152 gegründeten Erzbistums ward sie ein bedeutender Ort, der im Mittelalter 14 Kirchen und 5 Klöster nebst andern ansehnlichen Gebäuden (Haus des Erzbischofs, Spitäler, Gildehäuser etc.) besaß. Das Erzstift wurde in der Reformation aufgehoben, und Könige residierten schon längst nicht mehr im alten Nidaros. 1658 wurde die Stadt von den Schweden, denen sie im Roeskilder Frieden zugesprochen worden war, erobert, ihnen aber schon 21. Dez. d. J. nach 21/4monatlicher Belagerung von den Norwegern wieder abgenommen, denen sie im Kopenhagener Frieden 1660 verblieb. Wiederholt litt D. durch Brände großen Schaden; überhaupt brannte es während der letzten 500 Jahre 15mal gänzlich oder zum größten Teil ab, zuletzt 1827, 1841, 1842 und 1846.
Der Fjord von Drontheim, einer der größten und schönsten an der Westküste Norwegens, gegen 150 km lang, erstreckt sich von dem Meer (Trondhjems Led) erst östlich, dann nördlich in das Land hinein und steht durch den schmalen Beitstadsund in Verbindung mit seinem innern Teil, dem Beitstadfjord. Er unterscheidet sich von den übrigen Fjorden des westlichen und nördlichen Norwegen, die von schroffen und steilen Felsenwänden umgeben sind, dadurch, daß er an seinen Ufern bedeutende und wohlangebaute Ebenen hat, welche sanft ansteigen und schöne, fruchtbare Gegenden sowie auch bedeutende Waldungen enthalten.