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MKL1888:Camerun

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Camerun“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 757759
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Camerun. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 757–759. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Camerun (Version vom 14.04.2021)

[757] Camerun, deutsche Kolonie an der Westküste Afrikas, in der Tiefe des Golfs von Guinea, erstreckt sich von den Ethiopekatarakten des Croß River unter 9° 8′ östl. L. v. Gr. bis zur Mündung des Rio del Rey und von da südwärts bis über den 3.° nördl. Br. hinaus; nach dem Innern, das bis auf kurze Entfernungen von der Küste noch ganz unbekannt ist, sind die Grenzen völlig unbestimmt (s. Karte). Die Küste selbst hat größere Einschnitte nur durch die Flußmündungen; an der Straße, welche die spanische Insel Fernando Po vom Festland trennt, öffnet sich die Ambasbai mit den vorliegenden Inseln Ambas (Ndami) und Mandaleh, daneben die enge Man of War-Bai. Dahinter hebt sich, fast unmittelbar vom Strand in nördlicher Richtung noch über 4° 35′ hinausstreichend, das Camerungebirge, ein gewaltiger Gebirgsstock, dessen vulkanische Massen eine weithin sichtbare Landmarke abgeben. Es steigt in seinem südlichsten Gipfel, dem Mongo ma Etindeh, zu 1933, im Mount Helen zu 2810, im Mongo ma Lobah (Götterberg) zu 4190 m auf. Der letzte ist ein mächtiger Bergriese, an dessen weitem Krater sich zwei Kegel (Albert und Victoria) erheben. Lavaeruptionen sind seit Menschengedenken nicht vorgekommen, aber erkaltete Lavaströme verschiedenen Alters ziehen sich an den Seiten herab, und rauchende Solfataren in der Nähe der höchsten Gipfel zeigen an, daß die innere Glut noch nicht erloschen ist. Auf dem Gipfel fanden Burton und Mann 29. und 30. Jan. 1862 als höchste Temperatur 12,5° C., als niedrigste −2° C. bei starkem Reif; Schnee liegt zuweilen auf den höchsten Punkten. Unter der Region der Felsen- und Alpenkräuter bekleidet bis zu 2100 m Höhe eine überaus reiche und mannigfaltige Vegetation die Bergseiten und geht an der Basis in die üppigste tropische Pflanzenwelt über. Der Mongo ma Lobah wurde zuerst im Dezember 1861 und im Januar 1862 von Burton und dem deutschen Botaniker Mann, dann 1877 von Comber, 1879 von Flegel und im Dezember 1884 von Zöller und Rogozinski erstiegen. Von seinen Seiten fließen zahlreiche Gewässer dem Meer im W. und dem Mungo im O. zu. Der Mungo entspringt nördlich vom 5.° nördl. Br., [758] bildet in seinem obern Lauf den 20 m hohen Mungofall, dann die Elikistromschnellen, ist darauf aber selbst für Dampfer befahrbar, nimmt rechts den Peteh oder Kleinen Mungo mit dem Abfluß des Sees Balombi ba Kotta auf und mündet in zahlreichen Armen, ein Gewirr sumpfiger Inseln bildend, in den Camerunfluß. Ein westlicher Arm fließt als Bimbia direkt dem Meer zu. Ganz nahe dem Oberlauf des Mungo entsteht aus zahlreichen kleinen Bergströmen der Yabiang oder Abo, welcher in vielfachen Krümmungen

Karte von Camerun.

südwärts fließt, um unter 4° 12′ nördl. Br. mit dem von NO. aus noch völlig unbekannten Gebiet herzuströmenden Madiba ma Dualla, der weiter aufwärts die große Insel Wuri und andre kleinere umschließt, und dessen Schiffbarkeit etwas nördlich von 4° 30′ nördl. Br. gleichfalls durch Stromschnellen behindert wird, sich zu vereinigen und, ebenso Inseln bildend, sich in den Camerunfluß zu ergießen, dem von O. und S. noch der Lungasi, der Donga und der Quaqua zugehen. Den Lungasi kennen wir nur eine kurze Strecke aufwärts bis zu den Katarakten von Ebong; der Donga ist vielleicht nur ein breites Ästuarium, an das zahlreiche kleinere Flüsse ihre Gewässer abgeben; der Quaqua ist ein nach N. sich abzweigender Mündungsarm des wasser- und inselreichen Edea, der sich in zwei breiten Mündungen, Borno und Barea, welche die Insel Malimba einschließen, direkt in die Bucht von Biafra ergießt. Aus diesen Flüssen: Mungo, Madiba ma Dualla, Lungasi, Donga und Quaqua entsteht der mächtige Camerunfluß (Madiba di Dualla), welcher schon in seinem obern Teil eine Breite von 1–1½ km hat und weiter dem Meer zu weniger einem Fluß als einem beträchtlichen Meeresarm gleicht, dessen Gegenwart schon weit in die See hinaus an der schmutziggelben Farbe des Wassers erkennbar ist, eine Folge der mitgerissenen Sand- und Schlammmassen, welche mit Hilfe der verschiedenen Strömungen der Gezeiten und des Flusses an der Mündung Barren bilden und somit das Fahrwasser für tiefer gehende Schiffe auf das äußerste beschränken. Zur Zeit des Hochwassers hat der Strom eine Geschwindigkeit von 6½–8 km pro Stunde, dann sieht man riesige Baumstämme und mit Strauchwerk bewachsene Inselchen den Strom hinabtreiben. Durch beständige Ablagerungen hat der Strom an seiner Mündung große, sumpfige, von Kanälen durchzogene Inseln gebildet, welche, gleichwie die Ufer, dunkle Mangrovenwälder bedecken. Westlich vom obern [759] Mungo, nur durch ein schmales Bergland von ihm getrennt, und von 9° 30′ östl. L. v. Gr. liegt, anscheinend von keinem größern Gewässer gespeist, der Elefantensee (Balombi ma Mbu); etwas westlich von ihm entspringt der sich bald seeartig erweiternde Strom, welcher, in seinem untern Lauf Rio del Rey genannt, die Westgrenze des deutschen Besitzes bildet.

Man unterscheidet zwei Jahreszeiten: eine kühle oder Regenzeit von Mitte Juni bis Ausgang September, mit einer Durchschnittstemperatur von 25,9° C., und eine heiße oder trockne Zeit. Das Klima ist für Europäer in hohem Grad gefährlich; diese ziehen es daher vor, auf den im Strom verankerten abgetakelten Schiffen (Hulks), welche als Lagerräume dienen, zu wohnen, weil sie dort sowohl vom Landwind als von der Seebrise erreicht werden. Infolge der Feuchtigkeit und Wärme zeigt der fruchtbare Boden eine wunderbare Üppigkeit der Vegetation, Urwälder von ungeheurer Ausdehnung, und die wertvollsten Bäume und Pflanzen (Eben- und Rotholz, Öl- und Kokospalmen, den Baumwollbaum, die Kautschukliane) enthaltend, bedecken weite Striche und besäumen die Ufer der Flüsse, an denen dicht gedrängt die Negerdörfer liegen, umgeben von ihren Feldern, auf denen Maniok, Bananen, Yams, Erdnüsse, Bohnen, Erbsen u. a. gebaut werden, während Tomaten, Kürbisse, Guajaven, Limonen, Kakao u. a. scheinbar wild wachsen. Große Herden von Elefanten und Antilopen, zahlreiche Gorillas, Babus, Leoparden, Panther u. a. bevölkern die dichten Urwälder.

Die Bewohner dieses Gebiets gehören zur großen Völkergruppe der Bantu; am Camerunfluß wohnen die Dualla (Diwalla), unter den übrigen zahlreichen Stämmen sind die nördlichen Balung und Bakundu und die Bamboko im NW. die nennenswertesten. Die Dualla, deren Zahl auf 20,000 geschätzt wird, wohnen an beiden Ufern des Camerunflusses, etwa 3–4 geogr. Meilen von seiner Mündung, wo die Ufer 10–12 m hoch aufsteigen. Hier folgen einander am linken Ufer aufwärts die großen Dörfer: König Bells Stadt, König Aquas Stadt und Didos Stadt, welche, in der Nähe der europäischen Faktoreien zusammenliegend, auch als der Ort C. bezeichnet werden. Eine jede dieser „Städte“ besteht aus zahlreichen und ansehnlichen Hütten mit Wänden aus Matten von Palmblättern und saubern, gleichfalls aus Palmblättern geformten Dächern. Von europäischen Handelshäusern gibt es hier außer zwei deutschen noch sieben englische, meist kleinere Firmen, auf dem Land selbst aber nur drei deutsche und zwei englische Faktoreien sowie zwei Missionsstationen der englischen Baptisten. Handelsobjekte sind Palmöl, Palmkerne und Elfenbein, welche von den Camerunleuten als Zwischenhändlern von den landeinwärts wohnenden Stämmen eingehandelt und an die Weißen verkauft werden. Es besteht hier durchaus Tauschhandel, von europäischen Waren sind vornehmlich Zeuge, Gewehre, Pulver, Salz, Spirituosen, Tabak, Eisentöpfe, Messingpfannen, Koffer, Beile, Perlen, Knöpfe, Nadeln, Klingeln, Kindertrompeten, Mundharmoniken, Glas- und Porzellanwaren, Lampen u. a. begehrt. Die Werteinheit ist der Kru, welcher den Negern als 1 Pfd. Sterl. angerechnet und in 4 Keg oder 8 Piggen oder 20 Bar geteilt wird. Dem Kru entsprechen 10 Gallons oder 45 Lit. Palmöl. Die Camerunneger beschäftigen sich ausschließlich mit Handel, den Anbau von Früchten überlassen sie ihren Sklaven und ihren Weibern, welche beide mit den Kanoes den Hauptreichtum eines Negers ausmachen; die Könige Bell und Aqua haben jeder gegen 60 Frauen. Die Könige sind die Haupthändler und beziehen auch von den europäischen Kaufleuten ansehnliche Jahresgelder, wofür sie dieselben gegen Übergriffe ihrer Unterthanen schützen, Forderungen an dieselben eintreiben u. a. Dagegen setzen sie einem direkten Verkehr zwischen den Faktoreien und den Bewohnern der Hinterländer einen entschiedenen Widerstand entgegen, wodurch die letztern endlich in eine so feindselige Stimmung versetzt wurden, daß sie Anfang 1884 eine äußerst drohende Haltung gegen die Dualla annahmen. Diese wandten sich, nachdem ein an England gerichtetes Gesuch um Übernahme des Protektorats unberücksichtigt geblieben war, an den deutschen Kaiser. Demzufolge wurde trotz der lebhaften Gegenagitation der hier ansässigen Engländer am 14. Juli 1884 von dem als Reichskommissar abgesandten Generalkonsul Nachtigal die deutsche Flagge in C. geheißt und diese Zeremonie am 21. in Bimbia und später an andern Plätzen wiederholt. Damit war das ganze Gebiet unter deutschen Reichsschutz gestellt. Die an der Ambasbai gelegene Missionsstation Victoria, 1858 gegründet von englischen Baptisten, welche aus Fernando Po ausgewiesen wurden, blieb nebst einem kleinen umliegenden Terrain britischer Besitz. Ein im Dezember entstandene Aufstand der Duallaneger wurde durch die deutschen Kriegsschiffe Bismarck und Olga schnell unterdrückt und durch Abkommen mit England als nördliche Grenze der Rio del Rey bis zu seiner Quelle bestimmt und von dort eine gerade Linie, welche den Croßfluß überschreitet und unter 9° 8′ östl. L. endigt, als Südgrenze bis zur endgültigen Auseinandersetzung mit Frankreich und Spanien der Behuwe Creek (Criby), etwas südlich vom 3.° nördl. Br., angenommen. Für die Verwaltung der Kolonie wurde ein Gouverneur ernannt, dem auch die übrigen Besitzungen an der Westküste von Äquatorialafrika unterstellt sind. Vgl. R. Burton, Abeokuta and the Camaroons Mountains (Lond. 1863, 2 Bde.), Buchholz, Reisen in Westafrika (Leipz. 1880); Reichenow, Die deutsche Kolonie C. (Berl. 1884); Jung, Deutsche Kolonien (2. Aufl., Leipz. 1885).