MKL1888:Bibliographie
[887] Bibliographie (griech.), s. v. w. Bücherbeschreibung, auch Bibliognosie u. Bibliologie („Bücherkunde“) genannt, diejenige Wissenschaft, welche sich mit der Beschreibung und Beurteilung der litterarischen Produkte der verschiedenen Völker und Zeiten beschäftigt, soweit dieselben durch den Druck vervielfältigt sind. Dagegen gehört die Kenntnis der geschriebenen Bücher nicht in das Gebiet der B., sondern bildet das Objekt einer eignen Wissenschaft (vgl. Handschrift). Wie die Handschriftenkunde die geschriebenen Bücher, so hat die B. die Druckerzeugnisse zum Gegenstand. Sie steht in engster Verbindung mit der Litteraturgeschichte, als deren Archiv oder Codex diplomaticus sie sich darstellt, und erscheint als der sicherste Grad- und Höhenmesser der litterarischen Kultur und Thätigkeit. Ihre Form und Behandlungsweise kann verschieden sein, entweder chronologisch, oder alphabetisch, oder systematisch; nur Nomenklatur oder zugleich kritisch und räsonnierend; absolut vollständige Verzeichnung oder wissenschaftliche Auswahl des Vorzüglichsten nach dem innern Werte. Die nach Eberts Vorgang eingeführte Unterscheidung in reine und angewandte B. hat keinen praktischen Wert. Brauchbarer ist die Einteilung in allgemeine, nationale und spezielle B.
Die allgemeine B., welche die Litteratur aller Völker und aller Wissenschaften umfaßt, und damit die B. überhaupt wurde im 16. Jahrh. durch Konrad v. Geßners (s. d.) „Bibliotheca universalis“ (Zür. 1545–55, 4 Bde.) geschaffen. Für die ältere Litteratur ist immer noch von Wert Th. Georgis „Allgemeines[WS 1] europäisches Bücherlexikon“ (Leipz. 1742–1758, 5 Tle. und 3 Supplemente). Unentbehrliche Hauptwerke mit einer Auswahl des Wissenswürdigsten in alphabetischer Folge sind: F. A. Eberts „Allgemeines bibliographisches Lexikon“ (Leipz. 1821–1830, 2 Bde.), J. Ch. Brunets „Manuel du libraire“ [888] (5. Ausg., Par. 1860–80, 6 Bde. und 3 Supplementbände) und Grässes „Trésor de livres rares et précieux“ (Dresd. 1859–69, 7 Tle.). Daneben wird die Kenntnis der wichtigern neuen Erscheinungen der deutschen und ausländischen Litteratur durch die monatlich von F. A. Brockhaus in Leipzig (seit 1856) ausgegebene „Allgemeine B.“ vermittelt. Auf eine bestimmte Zeitperiode beschränkt sich das „Allgemeine Repertorium der Litteratur“ von J. S. Ersch (Jena, dann Weimar 1793–1807, 9 Bde.), welches die gesamte Litteratur von 1785 bis 1800 in systematischer Ordnung und mit alphabetischen Registern zusammenstellt. Als bibliographische Zeitschrift ist Petzholdts „Anzeiger für B. und Bibliothekwissenschaft“ (Dresd., seit 1840; fortgesetzt von Kürschner, Berl. u. Stuttg. 1885) hervorzuheben.
Die nationale B. erstreckt sich auf die litterarischen Erzeugnisse eines bestimmten Landes oder Landesteils. Sie ist teils in lexikalischen Werken über größere Zeiträume, teils in periodisch erscheinenden Schriften niedergelegt. Solche Bücherlexika mit der Tendenz absoluter Vollständigkeit besitzen fast alle bedeutendern Kulturstaaten, mit alleiniger Ausnahme von Italien. Für Deutschland sind in erster Linie zu nennen W. Heinsius’ „Allgemeines Bücherlexikon“, von 1700 bis 1879 reichend (Leipz. 1812–82, 16 Bde.), und Ch. G. Kaysers „Vollständiges Bücherlexikon“, von 1750 bis 1882 (das. 1833–83, 22 Tle. und 1 Bd. Sachregister), neben denen A. Kirchhoffs, dann Hinrichs’ „Fünfjähriger Bücherkatalog“, von 1851 bis 1880 (das. 1856–81, 6 Bde.), bequeme Übersichten gewährt. Die Reihe der periodischen bibliographischen Schriften wird eröffnet durch die sogen. Meßkataloge (s. d.), welche von 1564 bis 1749 in Frankfurt a. M., außerdem seit 1594 in Leipzig herauskamen, bis sie 1860 eingingen. An ihre Stelle traten das Hinrichssche halbjährliche „Verzeichnis der Bücher, Landkarten etc.“ (seit Ostern 1798), ferner die wöchentliche „Allgemeine B. für Deutschland“, ebenfalls von Hinrichs (seit 1842), sowie dessen „Vierteljahrskatalog“ (seit 1846). Wichtig für bibliographische Zwecke ist auch das täglich erscheinende „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“ (seit 1834). Was insbesondere Österreich betrifft, so ist der in Aussicht gestellte „Katalog sämtlicher in der österreichischen Monarchie vom Jahr 1750 bis 1860 erschienenen Bücher“ nicht zu stande gekommen. Nur eine Jahresübersicht mit dem Titel: „Österreichischer Katalog“ (Wien 1861–1871, 11 Jahrg.) haben wir zu verzeichnen, welche seit 1871 unter verändertem Titel als Beilage an die „Österreichische Buchhändlerkorrespondenz“ angeschlossen ward. In der Schweiz erscheint seit 1871 eine „B. und litterarische Chronik der Schweiz“ (Zürich, dann Basel, deutsch und französisch).
Auch in den Niederlanden fand die nationale B. eifrige Pflege. Auf J. van Abkoudes „Naamregister van Nederduitsche Boeken“, von 1600 bis 1761 (Rotterd. 1763), bis 1787 vermehrt durch R. Arrenberg (das. 1788), folgten J. de Jongs, sodann C. L. Brinkmans „Alphabetische Naamlijst van Boeken“, von 1790 bis 1875 (Amsterd. 1835–78, 4 Bde.; nebst einem wissenschaftlichen Register über 1850–1875, das. 1878), und Brinkmans „Catalogus der Boeken-, Plaat- en Kaartwerken 1850–82“ (das. 1883–85). Dazu kommen Brinkmans Jahresübersichten: „Lijst van Boekwerken“ (seit 1837) und „Alphabetische Naamlijst“ (seit 1846) sowie die „Nederlandsche B.“ in monatlichen Nummern (Haag, später Utrecht, seit 1856). Für Belgien sind zu erwähnen die „Bibliotheca belgica. Catalogue général des principales publications belges, 1830–1860“ (Brüss. 1861) und die 1882 begonnene „B. nationale, 1830–80“. Die periodische B. wird durch zwei monatliche Organe vertreten, die „B. de la Belgique“ (Brüss. 1838–68, nach längerer Unterbrechung seit 1875) und die offizielle „B. de Belgique“ (seit 1875), welch letztere unbedingt den Vorzug verdient.
In den skandinavischen Ländern sind auszuzeichnen: für Dänemark F. Fabricius’ „Dansk Bogfortegnelse“ für 1841–58 (Kopenh. 1861), fortgesetzt von J. Vahl für 1859–80 (das. 1871–82, 2 Bde.), u. Bruuns „Bibliotheca danica“ (das. 1872 ff.; nebst der Monatsübersicht: „Dansk Bogfortegnelse“ von G. E. C. Gad, seit 1851); für Schweden „Svensk Bokhandels-Katalog“ (Stockh. 1845–52, die Litteratur von 1800 bis 1851 begreifend), H. Linnströms „Svensk Boklexikon“ für 1830–65 (das. 1869–84, 2 Tle.) und der anonyme „Svensk Bok-Katalog“ für 1866–75 (das. 1878), während die monatliche „Svensk Bibliographi“ (das. 1828–65) eingegangen ist; für Norwegen M. Nissens „Norsk Bog-Fortegnelse“ über 1814–47 (Christiania 1848), mit den Fortsetzungen von Botten-Hansen und Petersen, Böck und Feilberg über 1848–85 (das. 1870, 1877, 1885), sowie „Norsk Bogfortegnelse“, herausgegeben von der Universitäts-Bibliothek in Christiania (seit 1884). Die „Nordisk Boghandlertidende“ (Kopenh., seit 1867), in wöchentlichen Nummern, berücksichtigt außer der dänischen auch die sonstige skandinavische Litteratur. Die altnordische B. ist musterhaft dargestellt in Th. Möbius’ „Catalogus librorum islandicorum et norvegicorum“ (Leipz. 1856; mit Fortsetzung bis 1879 unter deutschem Titel, das. 1880); die finnische Litteratur weist nach „La littérature finnoise 1544–1879“ (Helsingf. 1879, Supplement 1880).
Die englische und amerikanische Litteratur behandelt zusammen S. A. Allibones „A critical dictionary of English literature“ (Philad. u. Lond. 1859–75, 3 Bde.). Für England allein sind bemerkenswert: W. Th. Lowndes’ „The bibliographer’s manual“ (Lond. 1857–65, 11 Tle.), S. Lows „The English catalogue of books“, von 1835–80 (das. 1864–82, 3 Bde.), und dessen Jahreskatalog unter gleichem Titel (seit 1862). Das halbmonatlich erscheinende „The Publishers’ Circular“ und die Monatsschrift „The Bookseller“ geben über die neuen Erscheinungen regelmäßig Auskunft. Für Amerika bietet die neueste und umfassendste Zusammenstellung F. Leypoldts und L. E. Jonas’ „The American Catalogue“ (New York 1878–81, 2 Bde.), bis 1876 reichend; dazu Supplement 1876–84 (das. 1884); die laufenden Erscheinungen verzeichnet Leypoldts „The Publishers’ Weekly“.
Was die romanischen Länder anlangt, so ist die französische B. vorzüglich bearbeitet in J. M. Quérards „La France littéraire“ (Par. 1827–39, 10 Tle.) und „La littérature française contemporaine“, bis 1849 (das. 1840–57, 6 Tle.), welchen Arbeiten sich O. Lorenz’ „Catalogue général de la librairie française“, von 1840–75 (das. 1867–80, 8 Tle., davon 2 Bde. „Table des matières“), anreiht. Das periodische Organ ist die wöchentliche „B. de la France“ (seit 1812). Für die französischen Journale liefert ein erwünschtes Hilfsmittel V. Gébés „Annuaire des journaux“ (6. Ausg., Par. 1884). In Italien fehlt es an einem nationalen Bücherlexikon ganz und gar. In Ermangelung eines solchen sind wir auf den „Catalogo collettivo della libreria italiana“ (2. Ausg., Mail. 1881; Suppl. 1884) angewiesen. Die periodische [889] „Bibliografia Italiana“, von der jetzt monatlich zwei Nummern herausgegeben werden, ward 1867 begründet. Für Spanien und Portugal sind in Betracht zu ziehen: V. Salvas „Catalogue of Spanish and Portuguese books“ (Lond. 1826–29, 2 Tle.); D. Hidalgos „Diccionario general de bibliografia española“ (Madr. 1862–79, 6 Tle.); I. F. da Silvas „Diccionario bibliographico portuguez“ (Lissab. 1858–70, 9 Tle.), welch letzteres auch die brasilische Litteratur betrifft, und das monatliche „Boletin de la libreria“ (Madr., seit 1874). Die rumänische Litteratur wird in Jarcus’ „Bibliografia chronologica romana 1550–1873“ (Bukarest 1873) und seitdem in Degenmanns „Bibliografia romana“ verzeichnet.
Für die slawischen Länder stellen wir zusammen: B. Sopikows „Versuch einer russischen B.“ (Petersb. 1813–21, 5 Bde.); Meschows „Systematischer Katalog russischer Bücher“ (das. 1869); K. Estreichers „Bibliografia polska“ (Krakau 1870–82, 8 Bde.); J. C. Jirečeks „B. de la littérature bulgare moderne“ (Bieha 1872); Novaković’ „Serbische B.“ (Belgrad 1869); Hanus’ „Quellenkunde und B. der böhmischen u. slowenischen Litteraturgeschichte“ (Prag 1868); den von Hovorka seit 1877 in Prag herausgegebenen jährlichen „Catalogue slave bibliographique“. Eine „B. russe et slave“ erscheint wöchentlich in Petersburg.
Die gesamte außereuropäische Litteratur verzeichnet Trübners „American and Oriental literary Record“ (Lond., seit 1865). Über orientalische B. besitzen wir J. Th. Zenkers „Bibliotheca orientalis“ (Leipz. 1846–61, 2 Bde.) und die Jahresübersicht von K. Friederici unter gleichem Titel (das., seit 1876); über die jüdische Litteratur J. Fürsts „Bibliotheca judaica“ (das. 1849–63, 3 Tle.); die B. des Sanskrit stellte J. Gildemeister dar in „Bibliothecae sanscritae specimen“ (Bonn 1847). Für afrikanische und australische B. ist das Hauptwerk „The library of H. E. Sir George Grey“ (Kapstadt 1858–1859, 2 Bde.).
Die spezielle B. endlich beschäftigt sich mit der Litteratur einzelner Wissenschaften und Wissenschaftszweige oder mit bestimmten Gattungen von Büchern. Die zahlreichen bibliographischen Schriften über die einzelnen Wissenschaften und deren Zweige sind daher unter den betreffenden Artikeln namhaft zu machen. Zu der zweiten Kategorie gehören die Werke über Inkunabelnkunde (s. Inkunabeln) und die Verzeichnisse der anonymen und pseudonymen Schriften, letztere für bibliographische Zwecke von besonderer Wichtigkeit (näheres s. Anonym).
Eine ausführliche Zusammenstellung der gesamten bibliographischen Litteratur mit kritischen Bemerkungen, worin auch die Bibliographien der einzelnen Wissenschaften verzeichnet sind, verdanken wir J. Petzholdt in seiner „Bibliotheca bibliographica“ (Leipz. 1866).
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Allge-|gemeines