MKL1888:Bergbahnen
[92] Bergbahnen, Eisenbahnen zur Ersteigung größerer Höhen bei geringer Länge, also mit außergewöhnlich steiler Neigung; meist kurze Linien, welche auf der erstiegenen Höhe endigen und nur oder doch ganz vorwiegend dem Personenverkehr, vornehmlich demjenigen der Vergnügungsreisenden dienen, deshalb in der Regel nur in den Sommermonaten befahren werden und in der Mehrzahl besondere Betriebsarten aufweisen. Längere Schienenwege zur Überschreitung höherer Wasserscheiden mit ein- oder beiderseitigem unmittelbaren Anschluß an ein allgemeines Eisenbahnnetz und mit ständigem Durchgangsverkehr [93] werden als Gebirgsbahnen bezeichnet, auch wenn dabei ausnahmsweise einzelne Strecken mit besondern Betriebssystemen vorkommen sollten.
Fig. 1. Höhentafel verschiedener Berg- und Gebirgsbahnen. | |
Zur Vergleichung sind in Fig. 1 einige Höhen von bekanntern Gebirgs- und Bergbahnen unter Angabe der größten Steigungen und etwaiger besonderer Betriebsarten graphisch dargestellt. Man erkennt daraus, daß, abgesehen von der provisorischen Mont Cenis-Bahn, die großen Alpenbahnen in Europa nicht über 1370 m Meereshöhe und 32 pro Mille Steigung hinausgehen und nur die mit 1 m Spur erbaute Schmalspurbahn Landquart-Davos (1890) mit 45 pro Mille bis auf 1634 m ohne besonderes Hilfsmittel ansteigt. Dem gegenüber finden sich Höhen bis 2350 m
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[94] und Steigungen bis zu 480 pro Mille (48 Proz.) bei Zahnrad- und bis 600 pro Mille (60 Proz.) bei Seilbetrieb. Der Entwurf einer Zahnradbahn zum Gorner Grat bei Zermatt, dessen baldige Ausführung nicht unwahrscheinlich ist, zeigt eine Endhöhe von 3120 m, und die kühnen Projekte von Schienenwegen zum Gipfel der Jungfrau und des Matterhorns versteigen sich sogar bis zu Höhen von 4130, bez. 4485 m unter Anwendung von Steigungen bis 980 und 800 pro Mille. Bei den bisher zur Ausführung gelangten Arten der B. sind zu unterscheiden: Bahnen mit Lokomotivbetrieb, wobei als Triebkraft Dampf, Preßluft oder Elektrizität gedacht werden kann, letztere von Akkumulatoren oder von Leitungen entnommen, und Bahnen mit Seilbetrieb, welcher entweder ein unmittelbarer (bleibende oder lösbare Befestigung des Wagens am Zugseil) oder ein mittelbarer (s. unten) sein kann.
A. Der Lokomotivbetrieb kann auf dreierlei Art erfolgen: 1) mit einfacher Adhäsion wie bei den gewöhnlichen Eisenbahnen (Ütliberg bei Zürich
Fig. 2. Zahnstangeneinfahrt. | |
[1875], 399 m Hebung und 70 pro Mille Steigung; Rigi-Scheideck [1874], 166 m Hebung und 50 pro Mille Steigung); ferner 2) mit vermehrter Adhäsion durch Zuhilfenahme von wagerechten Klemmrädern an einer Mittelschiene (System Fell; provisor. Mont Cenis-Bahn 83,5 pro Mille; je eine kurze Linie in Brasilien 83 pro Mille und in Neuseeland 89 pro Mille); endlich 3) mit Anwendung von Zahnrad und Zahnstange, welche meist in der Mitte zwischen den Fahrschienen liegt, und zwar für die ganze oder nur für einen Teil der Triebkraft. Im letztern Fall kann die Zahnstange auf besonders steile Strecken beschränkt werden (gemischter Betrieb), wo dann die Bewegung der Zahnräder, durch einen besondern, unabhängigen Antrieb veranlaßt, hinzutritt. An dem Anfang jeder Zahnstrecke ist alsdann eine sogen. Zahnstangeneinfahrt erforderlich: ein etwa 3–4,5 m langer Teil der Zahnstange, welcher auf Federn ruht, also etwas beweglich, dabei vorn niedergebogen und flacher gezahnt ist, somit den richtigen Eingriff der Zahnräder sicher und bei guter Anordnung (System Abt) ohne Stoß herbeiführt (Fig. 2). Solche Bahnen gemischten Systems können auch für größere Gebirgslinien Verwendung finden, um Länge und Baukosten erheblich zu ermäßigen. Erste größere Anwendung derart 1885: Blankenburg-Tanne im Harz, 27 km, davon 6,6 km in 11 Zahnstrecken mit Steigungen von 35 bis 60 pro Mille, System Abt. Die Lokomotiven sind alsdann so zu gestalten, daß sie mit Hilfe des Zahnantriebes auf den steilen Strecken mit verminderter Geschwindigkeit die gleiche Zuglast hinaufziehen, wie ohne jenen auf den flachern Adhäsionsstrecken. Die Steigung der letztern pflegt nicht über 25 pro Mille, diejenige der Zahnstrecken nicht über 120–125 pro Mille zu betragen. Bei so starken Steigungen müssen indessen auch die Wagen oder doch ein Teil derselben mit Zahnradbremsen versehen sein, was bei der bezeichneten Harzbahn nicht nötig ist.
Unter den bezeichneten drei Arten des Lokomotivbetriebes ist die erste von der mit dem Wetter wechselnden Größe der Reibung oder Adhäsion der Triebräder auf den Schienen abhängig und deshalb bei Steigungen, welche über 45–50 pro Mille hinausgehen, für größern Verkehr nicht mehr hinreichend sicher und leistungsfähig. Die zweite Art, mit Klemmrädern, ist nur in vereinzelten Fällen ausgeführt, und zwar mit Erfolg, kommt aber zur Zeit kaum noch in Frage, weil die dritte Art, der bereits 1811 vom Engländer Blenkinsop vergebens versuchte Zahnradbetrieb, bei seiner jetzt erlangten Ausbildung eine weit höhere Sicherheit und Leistungsfähigkeit gewährt, da er von der Adhäsion unabhängig ist und sich sehr verschiedenartigen Verhältnissen gut anpassen läßt, demgemäß sich auch einer immer wachsenden Verbreitung erfreut. Es genügt deshalb, den letztern eingehender zu besprechen.
Die erste Zahnradbahn bleibender Art war diejenige zum Mount Washington bei Philadelphia, 1867 eröffnet, 1590 m hoch steigend, mit Neigungen
Fig. 3. Riggenbachsches Zahnrad. a Querschnitt. | |
bis 1 : 3 (333 pro Mille) von Marsh; aber schon 1862 hatte Riggenbach in der Schweiz ein Patent auf seine Zahnradlokomotive, welche dann bei der Vitznau-Rigibahn 1870 und bald darauf auch bei der Arth-Rigibahn zur Anwendung gelangte, beide Bahnen mit Hebungen von über 1300 m und mit Steigungen bis 250 und 210 pro Mille, denen bald andre derartige Anlagen reiner Zahnradbahnen folgten, so unter anderm Rorschach-Heiden (1875), 384 m hoch; zum Gaisberg bei Salzburg (1887), 846 m hoch. Die Zahnräder dieser Riggenbachschen Bauart sind senkrecht gestellt, und die Zahnstange ist eine sogen. Leiterschiene, gebildet durch trapezförmige, zwischen zwei ]-Eisen eingenietete Sprossen (Fig. 3) oder Zähne. In verbesserter Weise, ohne Vernietung (die mancherlei Übelstände veranlaßt), hat Bissinger dieselbe Bauart bei der mit gemischtem Betrieb erbauten Höllenthalbahn in Baden 1887 angewendet, welche 7 km Zahnstrecken mit der verhältnismäßig geringen Steigung von 55 pro Mille aufweist. Ähnliche Anordnung (von Klose) zeigt die erste Anwendung des gemischten Betriebes auf eine Straßenbahn bei der 1889 eröffneten 14 km langen Bahn St. Gallen-Gais. Die Leiterschiene ist unter anderm auch bei den (gemischten) Bahnen über den Brünigpaß (1888) sowie von Interlaken nach Grindelwald und Lauterbrunnen (1890) mit Steigungen von 25 pro Mille auf den Adhäsions- und 40–120 pro Mille auf den [95] Zahnstrecken eingeführt, ebenso bei den Grubenbahnen von Wasseralfingen in Württemberg (1876) und Friedrichsegen bei Oberlahnstein (1880).
Eine wesentliche Verbesserung erfuhr die Anordnung durch Roman Abts zwei- und dreiteilige Zahnstange. Dieselbe besteht aus zwei (Fig. 4a u. b) oder aus drei (Fig. 5a u. b) Flacheisen, welche mittels eiserner Stühle mitten zwischen den Schienen auf den eisernen Querschwellen befestigt sind, und deren jedes eine (durch Ausfräsen hergestellte) Zahnstange bildet. Die Zähne der einzelnen Flacheisen liegen jedoch
Fig. 4. Abts zweiteilige Zahnstange. a Ansicht mit Eingriff des Zahnrades. – b Querschnitt mit Befestigung auf eiserner Querschwelle. | |
nicht nebeneinander, sondern sind in der Längsrichtung um die Hälfte, bez. ein Drittel der Zahnteilung gegeneinander verschoben. Die einzelnen Flacheisen sind aus bestem Thomas-Flußeisen hergestellt und mit Zwischenräumen derart befestigt, daß sie leicht von Schnee und Schmutz zu säubern sind. Die Zahnräder der Lokomotive bestehen der Breite nach aus zwei, bez. drei nebeneinander gelegten Zahnscheiben, jede etwa doppelt so dick wie die entsprechenden Flacheisen, in welche sie eingreifen. Somit sind auch die Zähne der Räder um ebensoviel gegeneinander versetzt wie diejenigen der Zahnstange. Hierdurch ist erreicht, daß die einzelnen Zähne in ganz kurzen Zwischenräumen nacheinander eingreifen und daß stets mehrere Zähne gleichzeitig an der Druckübertragung teilnehmen, daß mithin die Bewegung eine ganz sanfte und stoßfreie wird, zumal da die einzelnen Zahnscheiben eines Triebrades eine ganz kleine federnde Bewegung gegeneinander gestatten, um etwaige Ungenauigkeiten der Zahnteilung auszugleichen. Zudem gibt Abt seinen Lokomotiven stets zwei (oder mehr) Zahntriebräder, deren Zahnstellung gegeneinander wiederum versetzt ist. Fig. 4 zeigt eine solche zweiteilige Zahnstange und zwar Fig. 4a die Längenansicht mit Eingriff des Zahnrades, Fig. 4b den Querschnitt der Zahnstange mit einer Befestigungsart, wie sie bei Seilbahnen (s. unten) vorkommt, um in der Mitte Platz für einen am Wagen befestigten, champignonförmigen Anker zu lassen, der mit seinem Kopfe unter die Zahnstange greift, um ein Abheben des Wagens sicher zu verhindern. Fig. 5a, und b zeigt eine dreiteilige Zahnstange in Ansicht und Querschnitt, wie sie auf der Bahn Blankenburg-Tanne zur Verwendung gelangt ist. Hierbei beträgt die Zahnteilung 120 mm, es erfolgt also bei jedem Zahntriebrad nach je 40 mm, im ganzen bei zwei Triebrädern nach je 20 mm ein Eingriff. Diese Anordnung hat in den letzten Jahren ausgedehnte Anwendung innerhalb und außerhalb Europas gefunden, namentlich in Verbindung mit dem erwähnten, ebenfalls vorwiegend durch Abt ausgebildeten System gemischten Betriebes, so außer dem genannten Beispiel von Blankenburg-Tanne (s. oben) unter anderm: Lehesten-Örtelsbruch in Thüringen (1885); Visp-Zermatt in der Schweiz (1891; 35 km, davon 7,15 km in 6 Zahnstrecken, 125 pro Mille); Eisenerz-Vordernberg in Steiermark (1891); sodann mehrere Linien in Venezuela und die im Bau befindliche Überschienung des Uspallatapasses in den Anden zwischen Argentinien und Chile. Als Beispiele reiner Zahnradbahnen Abtschen Systems mögen genannt werden: Monte Generoso am Luganersee (1890) mit 1368 m Hebung und 220 pro Mille Steigung; Brienzer Rothorn (1892) mit 1682 m und 250 pro Mille, beide mit 80 cm Spurweite; Pike’s Peak in Nordamerika (1890) mit 2316 m und 76–250 pro Mille, Gipfelpunkt 4328 m ü. M.
Eine andre Anordnung des Zahneingriffes, ebenfalls in senkrechter Richtung, also mit wagerechter Achse des Zahnrades, welche auch gegenüber derjenigen von Riggenbach ein stetiges und sanfteres Einfassen der Zähne anstrebte, ist von Wetli 1876 bei der Bahn von Wädenswyl nach Einsiedeln in der Schweiz zur Ausführung gebracht. Dabei waren die Zähne zu beiden Seiten der Mittellinie des Geleises in schräger Richtung (also nach der Mitte hin keilförmig zusammenlaufend) angebracht, und die Zahntrommel
Fig. 5. Abts dreiteilige Zahnstange. a Ansicht mit Befestigung auf eiserner Querschwelle. – b Querschnitt; desgl. | |
der Lokomotive enthielt die entsprechenden, spiralförmig erscheinenden Zahngänge. Infolge eines bei den Probefahrten eingetretenen schweren Unglücksfalles
Fig. 6. Wagerechte Verzahnung. | |
ist dieses System, vielleicht mit Unrecht, ganz aufgegeben worden, und die genannte Bahn wird nach entsprechendem Umbau seitdem, obwohl mit 50 pro Mille Steigung, als einfache Adhäsionsbahn mit gutem Erfolg betrieben.
Eingriff mit wagerechter Verzahnung, also senkrechter Achse der Zahnräder, und zwar beiderseits der Zahnstange (Fig. 6), somit eine weitere Ausbildung der Fellschen Klemmräder (s. oben) durch Anwendung der Verzahnung statt der einfachen Reibung ist zuerst, soweit bekannt, bei einer von Agudio mit indirektem Seilbetrieb (s. unten) ausgestatteten, 2,3 km langen Versuchsstrecke bei Lang le Bourg am Mont [96] Cenis auf Steigungen bis 385 pro Mille zur Anwendung gelangt (vgl. Uhlands „Praktischen Maschinen-Konstrukteur“, 1876), hat jedoch wenig Beachtung gefunden. In neuester Zeit hat Locher bei der Pilatusbahn in der Schweiz (1889) den gleichen Grundgedanken, jedoch mit Dampf-Lokomotivbetrieb, zur Ersteigung von Neigungen bis 480 pro Mille verwendet. Es leuchtet indessen ein, daß auf so gewaltigen Steigungen (fast 1 : 2) der Lokomotivbetrieb sich wegen der mitzuschleppenden toten Eigenlast der Maschine und des Kessels ökonomisch ungünstig gestaltet, und insofern besser dem Seilbetrieb oder andern Mitteln das Feld räumt. Bei der Pilatusbahn ist das Gewicht der Lokomotive und des damit verbundenen Wagens auf das äußerste beschränkt, infolgedessen aber auch sehr fühlbaren Erschütterungen unterworfen. Diese Bahn (s. Tafel, Fig. 4) von 4,27 km Länge und 1625 m Hebung hat, wie diejenige zum Monte Generoso und zum Rothorn, 80 cm Spurweite. Sie ist zum Teil an äußerst steilen, ganz nackten Felswänden, mehrfach im Tunnel angelegt und muß als eine der kühnsten derartigen Bauten bezeichnet werden. Zur Sicherung gegen die Gefahr zu rascher Thalfahrt führen die Fahrzeuge außer den sonst üblichen noch eine besondere selbstthätige Bremsvorrichtung, welche bei Überschreitung einer gewissen Geschwindigkeitsgrenze (1,3 m in der Sekunde) sofort auf die Zahnräder wirkt. Die Sicherung der Wagen gegen Umsturz durch Seitenkräfte (wie Sturmwind) geschieht durch Vorrichtungen an den Wagen, welche die Schienenköpfe klammerartig umfassen. Die Fahrt auf den beiden andern genannten B. ist wegen der viel flachern Neigung (220 und 250 pro Mille) und der mehrteiligen Zahnstange ungleich sanfter und angenehmer.
B. Der Seilbetrieb hat in neuerer Zeit besondere Bedeutung gewonnen, seitdem nach dem
Fig. 7. Mittelstation am Monte San Salvatore. | |
Vorgange der Gießbachbahn (s. Tafel, Fig. 3) durch Hinzufügung einer Zahnstange mit entsprechenden Zahnrädern an den Fahrzeugen eine verhältnismäßig sichere Bremsung ermöglicht ist und somit die Anwendung von Steigungen bis 600 pro Mille und mehr zulässig erscheint. Solche Seilbahnen mit Zahnradbremse sind seit Ende der 70er Jahre in großer Zahl ausgeführt, neuerdings namentlich mit der Abtschen mehrteiligen Zahnstange, sowohl zur Ersteigung größerer Berghöhen als zur Verbindung verschieden hoch gelegener Stadtteile.
1) Direkter Seilbetrieb. Die große tote Last der Lokomotive wird hier durch das kleinere Gewicht des Triebseiles ersetzt. Die Schwerkraft des bergab gehenden Wagens und Seilendes wird in der Regel zum Aufziehen des steigenden mit verwendet, indem das gemeinsame, an beiden Enden belastete Seil oben über eine Rolle geleitet ist, die zwei Wagen sich also stets in der Mitte der Strecke begegnen müssen. Zu diesem Zweck muß, wenn die Bahn nicht, wie unter anderm bei Luzern-Gütsch und Territet-Glion (s. Tafel, Fig. 1 u. 2), durchweg zweigeleisig sein soll, in der Mitte der
Fig. 8. Ausweichung bei eingeleisiger Bahn. | |
Länge eine Ausweichung vorhanden sein, welche man so einzurichten pflegt, daß die Wagen (jeder mit Hilfe eines Doppelspurkranzes auf der äußern und eines glatten Rades auf der innern Schiene) selbstthätig einander ausbiegen; oder es gehen beide Wagen, der obere wie der untere, nur bis zur Mitte der Strecke auf etwas gegeneinander versetzten, daselbst endigenden Gleisen und an dieser Mittelstation wechseln alle Reisenden den Wagen (Fig. 7). Diese letztere Einrichtung ist wohl zuerst am Monte San Salvatore bei Lugano (1890) mit 603 m Hebung getroffen. Sie erspart jedes doppelspurige Stück, ist mithin für die Geleisanlage am vorteilhaftesten. Die erstbezeichnete Anordnung ist dagegen die bisher allgemein übliche gewesen. Es entsteht dabei eine gewisse Schwierigkeit in der Führung des Seiles, weil am obern Ende der Ausweichung das Seil des untern Wagens durch die Räder der einen Seite des obern Wagens überschritten werden muß. Abt lenkt deshalb das Seil an dieser Stelle ganz nach der Seite und führt es somit zwischen der fortlaufenden und der als Zunge auslaufenden Schiene vertieft hindurch (Fig. 8), so unter andern: Lugano-Bahnhof (1886), Bürgenstock (1888), Hâvre-La Côte (1888). An andern Stellen hat man diese und die weitere Schwierigkeit der Unterbrechung der Fahrschiene zum Durchlassen der Brems-Zahnstange, freilich unter wesentlicher Kostenerhöhung, dadurch vermieden, daß man die Bahn durchweg zweigeleisig, aber mit gemeinsamer Mittelschiene anlegte. Diese gabelt sich dann an den Enden der Ausweichung ohne jede Unterbrechung (Fig. 9). So unter anderm bei der Bahn zum Beatenberg am Thuner See (1889, Spur 1 m, Hebung 552 m, 400 pro Mille) und bei Lauterbrunnen-Mürren (1891, Spur 1 m, Hebung 675 m, 400–600 pro Mille), ferner in Zürich und Bern. Das Gefälle der Seilbahnen wird, wenn thunlich, annähernd einer Seilkurve angepaßt, d. h. im untern Teil flacher und nach oben allmählich steiler gestaltet. Im Grundriß sucht man Krümmungen möglichst zu vermeiden. Jedoch sind neuerdings in einzelnen Fällen schlanke Bogen von nicht zu großem Winkel mit gutem Erfolg zur Ausführung gelangt, so unter anderm am San Salvatore bei Lugano. Das Seil wird durch Rollen, auf welche es sich niederlegt, unterstützt und geleitet. Als Triebkraft dient entweder die Schwerkraft allein, wenn die Nutzlast, [97] wie z. B. oft bei Steinbrüchen (so bei Saillon an der Simplonbahn und bei Sommerhausen) nur bergab geht, oder wenn reichlicher Ballast, namentlich in Form von Wasser, zur Verfügung steht, um die Nutzlast bergan zu ziehen; oder es wird, meist unter Mitbenutzung der Schwerkraft, eine feste Triebmaschine an irgend einer Stelle so angebracht, daß das Treibseil von da aus in beiden Richtungen bewegt wird, indem es eine oder mehrere große Treibscheiben des Motors umschlingt. In beiden Fällen muß mit den Seilscheiben, deren im ersten Fall nur eine am obern Ende der Bahn nötig ist, zugleich eine Bremsvorrichtung verbunden sein. Die Zahnradbremsen der Wagen sollen bei Vorhandensein eines festen Motors nur im Notfall benutzt und können von dem Führerstande aus, z. B. mit dem Fuße, augenblicklich in Thätigkeit gesetzt werden. Außerdem müssen sie so eingerichtet sein, daß sie erst durch den Anzug des Seiles außer Wirksamkeit treten, mithin bei etwaigem Reißen desselben sofort und unfehlbar angreifen. Als Kraftquelle für die Triebmaschine kommen namentlich Wassergefälle und Dampf, möglicherweise auch Gaskraft in Frage; zur Übertragung der Kraft von ihrer Quelle bis zur Triebmaschine wird neuerdings namentlich Elektrizität verwendet, obwohl auch Preßluft und Druckwasser nicht ausgeschlossen sind.
Im Gebirge und unter Umständen auch aus städtischen Leitungen kann häufig das Wasser zur unmittelbaren Wirkung als Ballast in genügender Menge entnommen werden, so unter anderm am Gießbach, bei Territet-Glion, Mürren, Beatenberg, ferner Gütsch, bei Luzern, Bahnen in Zürich, Bern und Lugano-Bahnhof. Bei letzterm Beispiel wird in trocknen Zeiten das verbrauchte Wasser durch eine Gaskraftmaschine wieder hinauf gepumpt. Bei den Bahnen zum Neroberg bei Wiesbaden und zur Molkenkur bei Heidelberg wird das Wasser regelmäßig zum obern Behälter hinauf gepumpt. Bei der Salvatorebahn liegt die Kraftquelle etwa 7 km entfernt jenseit des Luganersees in der Maroggiaschlucht. Dort befindet sich eine Turbinenanlage von etwa 300 Pferdekräften am Fuße eines 254 m hohen Druckrohrs. Die durch Dynamomaschinen in Elektrizität umgesetzte Kraft wird großenteils zur Lichterzeugung für die 12 km entfernte Stadt Lugano verwendet. Nur etwa 60 Pferdekräfte werden (in nur zwei gewöhnlichen Eisendrähten von 6 mm Durchmesser) auf etwa 7 km fortgeleitet zu der Triebmaschine der Seilbahn, welche neben der Umsteigestation (s. oben) in der Mitte der Höhe liegt, und wo etwa noch 40 Pferdekräfte zur Bewegung des Motors verfügbar sind. In ähnlicher Weise erfolgt der Antrieb bei der Bürgenstockbahn (Hebung 440 m, 300–577 pro Mille), nur befindet sich dort die Triebmaschine am obern Ende der Bahn, und die Länge der Kraftleitung ist etwa 3,7 km. In andern Fällen sind Dampfmaschinen zum Antrieb verwendet, so unter anderm bei den beiden Bahnen (Vomero und Monte Santo) in Neapel (1888), bei Hâvre-La Côte (1888) und namentlich bei ältern Anlagen. Eine andre Art des direkten Seilbetriebs zeigen die vorzugsweise in Nordamerika für Straßenverkehr ausgebildeten Kabelbahnen mit stetig umlaufendem Seil ohne Ende, welches von dem Wagen aus jederzeit mittels Greifer erfaßt oder losgelassen werden kann, so daß jeder Wagen unabhängig von der entfernten Triebmaschine ist. Dieses System hat bei B. bisher kaum Anwendung gefunden, da es auf die regelmäßige Mitwirkung der Schwerkraft, welche bei großen Steigungen wertvoll ist, verzichtet, auch bei steiler Neigung kaum die nötige Sicherheit bieten würde.
2) Indirekter Seilbetrieb, bei welchem das Treibseil nicht unmittelbar den Wagen fortzieht sondern, ähnlich wie der Strom bei elektrischen Eisenbahnen, in einem Wagen des Zuges eine sekundäre Maschine in Bewegung setzt, deren Arbeit sodann je nach Bedarf zur Vor- und Rückwärtsbewegung desselben verwertet werden kann. Dem Zuge geht ein sogen. Brems- oder Motorwagen voraus, dessen Seilscheiben von dem stetig und rasch umlaufenden Treibseil (ohne Ende) in Drehbewegung versetzt werden.
Fig. 9. Ausweichung bei zweigleisiger Bahn. | |
Diese letztere bewirkt zunächst noch kein Fortschreiten des Wagens, kann aber mittels beweglicher Kuppelungen auf andre Räder übertragen werden und dadurch den Vor- oder Rückgang des Wagens und somit auch des ganzen Zuges bewirken. Diese Steuerung geschieht durch den Führer des Wagens. Der letztere ist zugleich mit Bremsen versehen und enthält eine Übersetzung der Bewegung ins Langsame, so daß das Treibseil nur eine geringere Kraft zu leisten braucht, als die unmittelbare Fortbewegung des Zuges verlangen würde, mithin die tote Last des Seiles erheblich ermäßigt werden kann. Dieses System ist von dem Italiener Agudio bereits 1863 für die Steilrampen größerer Gebirgsbahnen aufgestellt, namentlich in Rücksicht auf die damals beabsichtigte Mont Cenis-Bahn. Dabei sollte die Fortbewegung des Motorwagens auf großer Steigung mit Hilfe eines ruhenden Schleppseiles nach Art der Tauerei bei der Schiffahrt derart geschehen, daß die verfügbare und verlangsamte Drehbewegung auf zwei von dem Schleppseil umschlungene Rollen übertragbar gemacht wurde, während auf weniger steilen Strecken auch die einfache Adhäsion genügen würde, wobei immerhin an Lokomotivgewicht erheblich gespart wäre. Dieses geschickt durchgeführte System hat sich bereits in den 70er Jahren auf einer Versuchsstrecke von 2,3 km Länge am Mont Cenis bei Lang le Bourg als leistungsfähig erwiesen, namentlich nachdem das rasch abgenutzte Schleppseil durch eine beiderseits verzahnte Mittelschiene ersetzt war, in welche zwei Zahnräder mit senkrechten Achsen eingriffen, wie bereits oben erwähnt wurde. Die Bahn zeigt Steigungen von 385 pro Mille (1 : 2,6) und Krümmungen von 150 m Halbmesser. Eine derartige Ausführung, jedoch mit einseitiger Verzahnung der Mittelschiene, zeigt die 1884 eröffnete Bergbahn zur Superga bei Turin von 3,13 km Länge mit Steigungen bis zu 200 pro Mille (1 : 5) und Krümmungen von 300 m Halbmesser (s. „Zentralblatt der Bauverwaltung“ 1885, S. 230). Weitere Anwendungen dieses Systems scheinen nicht stattgefunden zu haben, obwohl dasselbe bei den Entwürfen zur Mont Cenis- und zur Gotthardbahn zeitweise ernstlich in Frage gekommen ist.
In größern Höhen dürfte der Seilbetrieb überhaupt [98] schon wegen des Schnees nicht anwendbar sein, sofern nicht die betreffenden Seilstrecken ganz unterirdisch angelegt werden, wie dies bei den Entwürfen zur Jungfrau- und Matterhornbahn in der That gedacht wird. Der Seilbetrieb ist bei so großen Höhen wegen der erforderlichen Steilheit nicht überall durch Zahnradbetrieb zu ersetzen, da das tote Gewicht der Lokomotive vermieden werden muß. Es sind deshalb für die Jungfraubahn von Trautweiler vier getrennte Seilebenen, darunter eine von über 1000 m Hebung, im Tunnel liegend, vorgeschlagen, wobei die Kraftübertragung zu den Triebmaschinen mittels Preßluft oder Elektrizität gedacht wird. Dem gegenüber beabsichtigt Locher, die ganze Bahn von rund 3200 m Hebung in Gestalt zweier kreisrunder, geschlossener Rohre von 3 m Durchmesser pneumatisch zu betreiben. Das Projekt zur Matterhornbahn mit rund 2900 m Gesamthebung von Zermatt (1600 m) bis in die Nähe (4485 m ü. M.) des 4505 m ü. M. liegenden Gipfels von Heer und Betrix in Biel umfaßt eine Reihe von wechselnden Zahn- und Seilstrecken; den letzten Abschnitt bildet eine im Tunnel gedachte Seilstrecke von 1345 m Hebung. Die beabsichtigte Linie von Zermatt zum Gorner Grat (3136 m) hat eine Gesamthebung von rund 1500 m zu überwinden und soll aus einer Strecke mit gemischtem Betrieb, einer zweiten mit Seilbetrieb und Umsteigen in der Mitte und einer dritten mit reinem Zahnradbetrieb (von Riffelalp bis Gorner Grat) nach System Abt bestehen. Für die beiden letzten Strecken ist elektrische Triebkraft in Aussicht genommen, zu deren Erzeugung reichliche Wasserkräfte zur Verfügung stehen.