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MKL1888:Bürette

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Bürette“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 3 (1886), Seite 649650
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Bürette. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 3, Seite 649–650. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:B%C3%BCrette (Version vom 19.10.2022)

[649] Bürette (franz.), mit einer Skala versehene Glasröhre, welche dazu dient, von einer Flüssigkeit nach und nach bestimmte kleine Mengen auszugießen. Gay-Lussacs B. ist am untern Ende zugeschmolzen und hier mit einem engen Ausgußrohr versehen, welches dicht an dem weitern Rohr in die Höhe läuft und oben umgebogen ist. Man füllt diese B. und kann dann durch vorsichtiges Neigen die Flüssigkeit tropfenweise aus dem dünnen Rohr ausfließen lassen und an der auf dem weiten Rohr angebrachten Skala die ausgeflossene Menge ablesen. Mohr befestigte diese B. mit dem untern Ende in einem Holzfuß und setzte auf das offene Ende der weiten graduierten Röhre einen durchbohrten Pfropfen, welcher mit einem rechtwinkelig [650] gebogenen Rohr versehen ist. Beim Gebrauch bläst man in letzteres und drückt dadurch die Flüssigkeit beliebig im Strahl oder tropfenweise aus dem dünnen Rohr heraus. Die gebräuchlichste Form der B. ist Mohrs Quetschhahnbürette (Fig. 1). Ein einfaches Stativ trägt ein senkrecht stehendes Glasrohr, welches mit einer Teilung versehen, oben glatt geschliffen ist und mit einer Marmorkugel verschlossen werden kann. Am untern Ende ist es etwas ausgezogen und trägt hier ein Gummirohr, in welchem anderseits ein dünnes, zu einer feinen Spitze ausgezogenes Glasröhrchen steckt. Der mittlere Teil der kleinen, etwa 25 mm langen Kautschukröhre wird mit dem Quetschhahn verschlossen (Fig. 2). Der

Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 1. Fig. 2.
Fig. 1 u. 2. Mohrs Quetschhahnbürette. Fig. 3 u. 4. Quetschhahn.

Quetschhahn (Fig. 3 und 4) wird aus hart gezogenem runden Messingdraht hergestellt, der 21/2–3 mm dick ist. Dieser Draht wird zunächst in einem 20–22 mm weiten Kreis zusammengebogen, und die Enden in der Richtung des Halbmessers nebeneinander fortgeführt. Dieser Bogen wird auf einem glatten Amboß etwas platt geschlagen, um eine größere Elastizität zu erhalten. Das eine Ende des Drahts wird dann zu einem rechten Winkel (in der Ebene des Kreises) umgebogen und an seiner Spitze mit einem angelöteten Griffplättchen versehen. Auf das andre in der Spitze des Winkels des ersten Endes abgeschnittene Ende werden zwei kleine Winkel desselben Drahts so aufgelötet, daß die freien Schenkel mit dem umgebogenen Schenkel des andern Endes eine gerade Linie bilden, und dann ebenfalls mit einem Griffplättchen versehen. Drückt man nun gleichzeitig auf beide Griffplättchen mit Daumen und Zeigefinger, so entfernen sich die beiden parallelen Enden des Drahts voneinander, das dazwischen gebrachte Gummirohr öffnet sich, schließt sich aber augenblicklich wieder, sobald der Druck nachläßt.

Außer bei der Titrieranalyse (s. Analyse, S. 527) benutzt man Büretten auch in Apotheken, Materialhandlungen etc., um gangbare, in kleinern Mengen verkäufliche, nicht flüchtige Flüssigkeiten abzumessen. In mit Säuredämpfen gefüllten Räumen benutzt man einen Quetschhahn ohne Metall, welchen man auf die Weise herstellt, daß man zwei Stücke von flachen Thermometerröhren, 80–90 mm lang, zu einem sehr stumpfen Winkel biegt (auch Fischbein- oder Hornstäbchen sind anwendbar), zwei Schenkel derselben parallel aneinander legt, einen schmalen kreisförmigen Abschnitt eines etwas dickwandigen, engen Kautschukrohrs bis zur Biegungsstelle darüberschiebt, sodann das Kautschukrohr der B. zwischen die parallelen Schenkel klemmt und nun über diese noch einen Kautschukring bis nahe an das Rohr schiebt. Durch einen Druck auf die beiden auseinander laufenden Schenkel dieses Quetschhahns öffnet man die B. Hat man Salzflüssigkeiten in der B., so bestreicht man vorteilhaft das Kautschukrohr mit Talg, läßt dies schmelzen und schiebt nun erst die Glasröhren ein; das Fett verhindert das Auswittern des Salzes. Bisweilen werden auch Büretten mit eingeschliffenem Glashahn angewandt. Zum Gebrauch der B. füllt man sie mit der Meßflüssigkeit unter Vermeidung von Schaumbildung und Berührung mit der Hand, um Erwärmung zu vermeiden, öffnet dann den Quetschhahn und läßt im vollen Strahl die Flüssigkeit ablaufen bis nahe an den ersten Teilungsstrich, worauf man tropfenweise genau bis an den Strich abfließen läßt. Dieser erste Strich trägt 0, und von da an zählen die Striche die B. hinab in Kubikzentimetern, die wieder in fünf oder zehn Teile geteilt sind. Zum sichern Ablesen des Standes der Flüssigkeit, welches einige Übung erfordert, benutzt man den von Erdmann angegebenen Schwimmer. Dies ist ein hohler cylindrischer Glaskörper von solcher Stärke, daß er, ohne zu schwanken, leicht in der B. steigt und sinkt; er enthält so viel Quecksilber, daß er gerade bis zu seinem obern Rand in die Flüssigkeit einsinkt. Auf diesem Schwimmer ist in der Mitte seiner Höhe eine ringförmige Linie mit dem Diamanten eingeschnitten; fällt nun die Achse des Schwimmers mit der Achse der B. zusammen, so läuft diese Linie mit den Teilungsstrichen der B. parallel und sichert beim Ablesen die größte Schärfe. Da die Büretten Wage und Gewichte ersetzen, so kommt alles darauf an, daß die Skala richtig ist.