MKL1888:Artois
[887] Artois (spr. ártŏa, deutsch Atrecht), alte Grafschaft im nordwestlichen Frankreich, bildete mit der Picardie eins der alten Gouvernements und gehört jetzt größtenteils zum Departement Pas de Calais (s. d.). Die Bewohner, gleichsam ein Übergang von den lebhhaften Picarden zu den gemessenern Vlämen, sind fest und arbeitsam, eifersüchtig auf ihre politischen Rechte wie vorzeiten auf die Privilegien ihrer Stände und eifrige Katholiken. Die Hauptstadt des Landes ist Arras. A., das Land der Atrebaten, wurde erst von den Römern, im 5. Jahrh. von den [888] Franken erobert und kam durch die Heirat von Karl des Kahlen Tochter Judith mit dem Grafen Balduin Eisenarm 863 an Flandern. Philipp, Graf von Flandern, gab A. 1180 seiner Nichte Isabella von Hennegau, der Gattin Philipps II. August von Frankreich, zur Mitgift. Im J. 1237 erhob Ludwig IX. A. zu einer Grafschaft für seinen jüngern Bruder, Robert. Später kam A. durch Heirat an das Herzogtum Burgund. Nach dem Tod Karls des Kühnen (1477) nahm Ludwig XI. von Frankreich auch A. in Anspruch und erhielt es im Frieden von Arras (1482) zugesprochen. Allein im Frieden zu Senlis (1493) fiel A. nebst der übrigen Mitgift Margaretas von Österreich (Tochter Kaiser Maximilians) an Österreich. Von da an teilte A. die Schicksale der österreichisch-spanischen Niederlande. Im Frieden von Madrid (1526) und in dem zu Cambrai (1529) leistete Franz I. Verzicht auf Flandern und A. und ebenso Heinrich II. im Frieden zu Câteau-Cambresis (1559). Während des Dreißigjährigen Kriegs bemächtigte sich indes Frankreich mehrerer Plätze in A., namentlich der Hauptstadt Arras, und im Pyrenäischen Frieden (1659) mußte Spanien fast ganz A. an Frankreich abtreten. In der Folge ward durch die Friedensschlüsse von Nimwegen, Ryswyk und Utrecht Frankreich der Besitz der ganzen Grafschaft A. bestätigt und dieselbe mit der Picardie zu einem Generalgouvernement vereinigt. Ludwig XV. verlieh seinem dritten Enkel, Karl Philipp, den Titel eines Grafen von A., den derselbe bis zu seiner Thronbesteigung als Karl X. (1824) führte.