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MKL1888:Absatzkrisen

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Absatzkrisen“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Absatzkrisen“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 1 (1885), Seite 55
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Absatzkrisen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 55. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Absatzkrisen (Version vom 17.01.2023)

[55] Absatzkrisen nennt man jene umfangreichern Stockungen des Absatzes einzelner oder vieler Handelsartikel, welche auf dem Weltmarkt fühlbare Gleichgewichtsstörungen hervorrufen. Dieselben beruhen stets auf einem unvorhergesehenen oder durch die Spekulation absichtlich verschleierten Mißverhältnis zwischen Produktion und Konsumtion, Gütervorräten und wirklichem Bedarf; sie bilden daher eine Teilerscheinung der großen Erschütterungen und Krankheiten der Volkswirtschaft, die unter dem Namen von Handelskrisen und Spekulationskrisen in neuerer Zeit immer häufiger wiederzukehren pflegen. Im engern Sinn sind also A. und Handelskrisen (s. d.) als identisch anzusehen. Im weitern, uneigentlichen Sinn des Worts spricht man bisweilen von A. schon in denjenigen Fällen, wenn entweder 1) einzelne Artikel in solchem Übermaß auf den Markt gebracht werden, daß die Nachfrage dem Angebot nicht folgen kann und der Überfluß der betreffenden Ware einen Sturz oder Rückgang des Preises derselben sowie eine Beeinträchtigung der bezüglichen Produktions- und Handelszweige veranlaßt, ohne weiter reichende Folgen in der Volks- oder Weltwirtschaft nach sich zu ziehen, sogen. speziale oder partikulare A.; oder 2) wenn einzelne Wirtschaftsgebiete oder Marktplätze infolge von Verkehrsstörungen an dem normalen Absatz ihrer Produkte und Warenvorräte gehindert sind, und wenn sich innerhalb ihrer Grenzen eine Aufstauung von Gütern vollzieht, welche rein örtliche Preissenkungen und Geschäftsstockungen hervorruft: lokale A. (Verkehrskrisen). In beiden Fällen ist eine Verbreitung auf mehrere Produktions-, Absatz- und Bedarfsgebiete zwar möglich und auch wahrscheinlich; solange eine solche aber hintangehalten wird und eine individuelle, partikulare oder lokale Begrenzung gelingt, ist auch der Ausdruck Krise, der immer eine allgemeine wirtschaftliche Gleichgewichtsstörung bedeutet, nicht recht am Platz. Beispiele für die Möglichkeit begrenzter spezialer und partikularer Absatzstockungen liefern: die Baumwollkrise (total unrentabler Betrieb der Baumwollmanufakturen bei niedrigsten Preisen) in Lancashire 1878, die Theekrise (Rückgang des gesamten Theehandels) 1881–83, die Ölkrise (Überspekulation eines Konsortiums) in Paris 1883 etc. Belege für lokale A. finden sich im Gefolge jedes Kriegs, bei plötzlich eintretenden Prohibitiv-, Schutz- oder Finanzzollmaßregeln, bei Unterbrechungen der Kommunikationsanstalten nach gewissen Elementarereignissen, wie Überschwemmungen, Erdbeben etc.; hier liegt in der Ursache selbst die Gewähr der Lokalisierung.