Märchen vom Ritter und vom Vogel
Zwischen hohen Bergen war ein schönes Thal, von einem lautren reißenden Bache gewäßert, von überragenden Felsen, wie mit einer Krone umkränzt. Es waren darin einzelne Hütten in denen Hirten und Holzwärter ein friedliches Leben am Herzen der Natur lebten; aber am einen Ende des Thales, wo es mit Felsen zugemauert war und keinen Ausweg hatte da war ein schwarzes Hüttchen, von dem keiner zu sagen wußte wem es gehöre und wie es in demselben aussähe; nur wußte man daß ein schwarzer Hund Nachts davor lag, den alle Leute fürchteten, und daß inwendig in der Hütte ein goldner Spiegel sei, der geheime Wunderkraft habe. - Es war Abends nicht weit von Mitternacht, als der Ritter Franz tief in sich gekehrt davor stand, unschlüßig, ob er hineingehen, oder den ermüdeten Fuß rückwärts setzend unter dem kühlenden Dache naher Buchen sein Nachtlager suchen sollte. Es war ihm in dem Augenblick wohl und weh zu Muthe - sein Herz klopfte ungewöhnlich von heißer Liebessehnsucht und ahnender Furcht. Früh Morgens war er ausgezogen mit seinem weißen Falken und den goldgelben Rüden; die Mittagssonne ließ ihn ruhen an einer Quelle, deren leises Flüstern ihm bald einen süßen Schlummer zuführte. Wunderbare Träume durchflogen sein Herz - ein silberner Wagen von Schwänen gezogen durchflog die Luft und senkte sich zu seinem Haupte; eine schöne Jungfrau mit goldnem Diadem stieg aus und drückte einen brennenden Kuß auf seine Stirn - in dem Augenblick sprang ein finstrer Mann herbei, mit langem Barte und riß die Jungfrau hinweg, ein blankes Schwert in der Rechten schwingend. Beide verschwanden und Franz erwachte. Wirklich kniete zu seiner Seite ein wunderholdes Mägdlein die aus ihrem herabfließenden Haar Blumen loswand, welche sie auf sein Haupt legte. Franz blickte eben in ihre großen veilchenblauen Augen in denen der Himmel der Seligkeit aus Demantsäulen zu ruhen schien - als sie, dem jungen Rehe gleich aufsprang und vor ihm verschwand. - Das Mädchen hatte mit ihrer Augen Glanz einen tiefen Schuß in sein Herz gethan - das Herz [99] blutetete, die Brust stieg und sank in einem tiefen Seufzer - der junge Jäger war süß umzogen von zarten Liebesnetzen, in welchen ein mächtigerer Waidmann auf grüner Bahn in Waldesstille ihn gefangen hatte. Mit glühender Sehnsucht sprang er auf und Abschied nehmend von der Quelle, ging er sinnend in den tiefen Forst, die verlornen Gefährten, - den schönen Falken und die goldgelben Rüden - aufzusuchen. Aber sein Herz war andrer Gedanken voll, das Bild des Mädchens war wie ein unverlöschliches Siegel darin abgedruckt, diese Liebe führte ihn auf unbekannte Irrpfade so daß er immer weiter von den seinen sich trennte und endlich in tiefer Nacht vor der heimlichen Hütte stand.
[102] Ein heller Mondglanz schlief aus dem ganzen Thale, und auf dem hellen goldstrahlenden Kreuze das auf der schlechten Hütte wie eine himmlische Glorie thronte. Franz war eben vom Felsen herabgestiegen, als er vor der Hütte die wunderschöne Gestalt des Mädchens erblickte, das in heiliger Andacht über seinen Schlummer gewacht hatte. Sie schien etwas in dem hohen Grase emsig zu suchen, und flog bei Franzens Anblick mit einem lauten Schrei, der wie süßer Flötenton in des Jünglings Brust drang, in die Hütte zurück. So stand unser Abentheurer da - schwankend zwischen bunten Zweifeln. Mit unsichtbarer Hand aber zog ihn die viel holde Göttinn Minne in die Hütte. Es war in der Vorhalle [103] ganz dunkel; ein großer schwarzer Hund streifte an ihm vorbei, ihn beschnuppernd; zur Seite ging eben eine Thür zu, in welche er das schöne Bild, welches er in der Brust trug, hieneinrauschen sah. Mit bangem Zagen öffnete er die Thür, zu den Füßen der Holden im[WS 1] voraus sich träumend. Aber wie erstaunte er, als er statt ihrer ein altes Weib fand, das unter einer rauhen Kappe von Bärenfell ein abschreckendes Antlitz verbarg, und durch ihre Brille auf das schnurrende Spinnrad sah. Vor ihr stand eine trübbrennende Lampe, ein aufgeschlagnes Gesangbuch lag daneben; auf ihrem Schoße lag eine braun und schwarze Katze[WS 2] und ein schöner Vogel mit blauen glänzenden Federn, sang[WS 3] über ihrem Haupte im Käfig schwebend eine damals bekannte Weise. - Die Alte schien den eingetretenen Fremden nicht zu bemerken, aber plötzlich sprang der schwarze Teufel von ihrem Schooße, dem Ritter auf die Schultern und wollte eben seine Krallen einschlagen als die Alte herbeikam und das Thier wegriß, indem sie sagte: Sei ruhig Bruder! dann schnarrte sie dem Ritter ein: guten Abend, entgegen und bot ihm Willkommen. Er mußte ihr gleich seine Irrfahrt erzählen, woraus sie freundlicher wurde und dann pfeifend mit wunderlicher Gebährde aus der Thür sprang um ein Abendbrod zu bereiten. Nun war Franz allein und von seinem ersten Erstaunen über so viel fremdartige Gegenstände erwachend, dachte er zuerst an seine entschwundne Schöne; in das Zimmer war sie gegangen und doch in keinen Winkel zu finden; auch hatte das Zimmer keinem[WS 4] weitern Ausgang. Das war ihm wieder ein neues Wunder - und gerade das, welches sein Herz mit Schmerz füllte, so daß banges Liebessehnen wie eisiger Frostwind seinen Busen durchschnitt. - Auf einem alten Schranke fand er ein glänzendes Kästchen; er hob es herab, und an der einen Ecke es betastend drückte er an eine verborgne Feder, so daß der Deckel vorsprag. Er schaute in einen hellen Metallspiegel - dessen Folie eine rosenfarbne Feuersgluth zu sein schien; in dem Feuer erblickte er einen Zweikampf - ein Ritter hatte ein junges Weib im Arm, an deren Seite ein schönes fast dem Jungfraualter nahes Kind, stand - auf beide drang ein andrer ein, in dem Franz den Alten erkannte, denn er im Traum gesehen hatte; der Alte wollte die beiden niederhauen, aber das junge Weib, schien ihm höhnisch entgegen zu lachen. - Der Glanz des Spiegels blendete ihn so stark, daß seine Augen sich unwillkürlich mit Thränen füllten; er schlug das Kästchen zu auf dessen Deckel mit goldnen Buchstaben stand „bis zu Freundes und Feindes Tode“! und wollte es eben auf seine Stelle setzen, als die Alte das Abendessen auftrug. Sie sah ihn etwas böse an und sagte, „der junge Herr hätte wol[WS 5] besser gethan, wenn er nicht gleich Alles durchsucht hätte! die Jugend ist aber immer vorwitzig und neugierig, drum betrüb’ er sich nun so und setz er sich her“. Franz hatte freilich - während des Tages keine Speise zu sich genommen, aber Gott weiß - bei der Alten da am Tische ergriff ihn ein großer Widerwille gegen die Speisen. Der Kater schnurrte unaufhörlich um den Tisch die Alte knirschte ununterbrochen mit den Zähnen - vor der Hütte heulte der Hund als ob er ahndete, daß bald jemand sterben würde - und der silberfarbne Vogel sang eine wehmüthige Weise
O Herze mein
Wo möcht’st du sein?
An eines Königs Thron
Bei eines Königs Sohn
O Herze mein! -
Schweig mein Jung’! rief die Mutter dem Vogel zu - er schwieg und neigte mit wunderlicher Gebährde sein Haupt, als ob er sterben wollte, dann sah er Franzen so wehmüthig an, wie Vögel es können - steckte das Köpfchen unter den silbernen Flügel und schlief ein. Auch der Kater ward ruhig und nun ward die Alte plötzlich sehr munter schäkerte mit Franz und sprach viel von Ritterfahrten und schönen Frauen, Franz faßte nun auch ein Herz zu ihr und tief aufathmend sprach er: Erlaubt mir liebes Mütterchen, daß ich euch nun eins frage - was mich neugierig gemacht hat! Wo ist eure Tochter? - Habe keine Tochter, brummte die Alte, und hätte ich eine, so würde ich sie so jungen lockern Burschen wie ihr zu sein scheint, nicht zeigen? Franz erzählte nun daß er das Mädchen vor der Thür gesehen habe, und daß sie hier im Zimmer unsichtbar geworden sei. Die Alte wollte von nichts hören und schloß damit: Gott weiß was ihr da draußen im Mondschein für eine schöne Jungfer angesehen habt? - Es ist nun Zeit daß ihr euch zur Ruhe begebt - es ist spät in der Nacht und ihr habt heute viel von der Hitze gelitten. Damit führte sie ihn auf ein Dachstübchen wo sie ein weiches Lager von grünem Moose bereitet hatte. Franz sagte: gute Nacht Mütterchen! - Großen Dank Herr Franz! -
[106] Sie war schon aus der Thür, als Franz noch in tiefem Erstaunen und Nachdenken da stand - woher sie ihn kennen möge? Voll bunter Gedanken warf er sich aufs Lager das so weich war wie grüner Sammt. Unten im Hause ward es bald still - nur hörte er den Vogel noch einmal recht laut singen:
O Königssohn du bist nicht weit
Die Königstochter hat noch Zeit
Bis sie ihn freit.
In stiller Stund
Deinen rothen Mund
Küßt ich in Waldesschatten wund.
Die Mondstrahlen die mit lieblichem[WS 6] Lächeln durchs Fenster lauschten, wiegten den müden herzenskranken Ritter bald in einen so festen Schlaf, daß er erst erwachte als die frischen Sonnenlocken, schon glänzend von[WS 7] dem golden Haupte auf den feuchten Boden fielen. Er eilte hinab in das finstre Stübchen, die Alte las ihren Morgensegen, grüßte freundlich und eilte hinaus um das Frühstück zu holen. Franzen war wunderbar zu Muthe, indem er bedachte, daß er nun bald von diesen geheimnißreichen Orte scheiden solle, an den sich so viel Liebes für ihn - sein künftiges Wohl und Wehe [107] knüpfte - denn das geliebte Mädchen als fahrender Ritter durch alle Welt zu suchen und durch heiße Kämpfe ihr zu dienen, das war sein fester Entschluß - sein schönster Wunsch. Er wollte gern ein Andenken mit von dem Ort nehmen, das er als Zeichen an seinen Schild stecken könne. Sein erster Blick fiel auf den silberglänzenden Vogel, der einen goldnen Ring von schöner Arbeit am Halse trug. Er stieg in die Höhe und zog dem Vogel durch die geöffnete Thür des Käfichs die schönste schimmernde Feder aus. Er hörte außen die Alte kommen, und sprang schnell hinab ohne den Käfich wieder zu verschließen. Da sprang die Alte wild hinein: ach, mein schöner Vogel - rief sie, krächzend - ihr Bösewicht - was habt ihr dem unschuldigen Thiere den schönsten Schmuck geraubt - nur her die blanke Feder - ich habe außen im Feuer alles gelesen - ihr entgeht mir nicht! Mit einem langen Messer wollte die Alte auf Franz los - er sprang aber aus der Thür; am Arm hatte sie ihm ein Kreutz geschnitten. Mit ihm flog der Vogel, aus dem geöffneten Käfig zur Hausthür hinaus, singend:
Blaue Luft
Wie bist du schön
Süßer Duft
Ist in freien Höhn -
Auf Widersehn, auf Widersehn
Ade, ade. -
Franz hatte einen nahen Felsen bestiegen; er sah sich um, in’s Thal hinab - am entgegengesetzten Ende verschwand der Vogel eben am fernen Horizont in dem blauen Wolkengürtel - die Alte brüllte fürchterlich in ihrem Königreiche - der Hütte - daß die Felsen ihr wildes Klagen durch Widerhall beantworteten. Der Ritter suchte nun den rechten Pfad nach seiner Burg auf - und kam bald unter mancherlei Gedanken und Plänen bei den Seinen an. -
Franz sann nun unaufhörlich seinem herrlichsten Plane nach - das geliebte Bild seines Herzens auf Erden zu suchen, und nach Ritter-Weise darum zu dienen. Viel Knechte wurden herrlich gerüstet - ihre Schilde waren alle silberfarb - und die Rosse trugen schimmernde Decken von silber-glänzenden Zeuge. - Jeglicher Knecht bekam auch ein schönes Roß - und Franz nahm zwei gute Fidler in seinen Dienst, die ihm schöne Weisen von Frauen und Liebe spielen mußten! Er selbst trug einen Harnisch von lautrem Silber, sein Schild war himmelblau mit Karmin und in der Mitte war die silberne Feder von einem guten Meister eingegraben; sein Roß war weiß wie der Schaum an der See! - Der Winter war vorüber - der Frühling klopfte mit warmer Hand an die Bäume, so daß grüne Blätter die kahlen Arme umschlossen, und singende Vöglein ihr Nest darin bauen konnten. - Die Luft war warm und duftend von jungen Blüthen - der Himmel wölbte sich blau über dem neugebornen Kinde - der erwachten Erde - und die jungen Burschen durchzogen mit frohern Singen in das grüne Feld. - Da erscholl lauter Ruf durch das Land; der König war gestorben - und seine Erben wollten den goldnen Thron besteigen, aber es war Streit darüber. Denn es war sonst ein andrer König im Lande gewesen, der war plötzlich verschwunden mit Frau und Kind - die Leute sagten er sei vom mächtigem Zauber gefesselt, von seinem eignen Gemahl entführt worden. Der war nun wiedergekommen mit seiner Frau und großer Heeresmacht, um das alte Stammland wieder zu erobern und die ungerechten Erben zu vertreiben. Nur seine Tochter fehle ihm, die schöne Jungfrau - welcher Ritter ihm tapfer das Land erobern helfe, und dann das liebe Kind Fredegund wieder fände, der solle sie zum Ehegemahl haben und dazu den goldnen Scepter über das ganze Land führen, nach des Vaters Tode. - Solche ritterliche Kunde kam zu Franzens Ohr; er dachte in seinem Herzen, das verlorne schöne Königskind, soll wohl mein blauer Vogel sein - denn der ist gewiß eine königliche Maid - sie sang so herrliche Weisen, daß mein Herz sie noch immer singen hört. Dafür will ich, bei meiner Seel und Seligkeit, kämpfen, so lange das rothe Blut noch in meinen Adern schwimmt! Mit Windeseil’ saß Franz auf seinen guten Rosse, das[WS 8] so weiß war, wie der Schnee der im Winter auf schöne Eisspiegel fällt - seine Knechte folgten ihm und auch die beiden Fiedler die sangen:
In’s grüne Feld
Durch den grünen Wald
Ziehet der junge Held
Mit kühner Gewalt;
Eine schöne Maide suchen wir,
Viel helle Schwerter blinken hier!
O schöne Maid, o schöne Maid
Wir fahren, wir fahren
Durch Kriegsgefahren
Zu der rosenrothen Hochzeit!
So zogen sie wohlgemuth zu dem Könige, welcher sie mit Freuden empfing, und Franzen einen heil’gen Schwur auf sein Herz gelobte, daß er ihm die Tochter zur Frau geben wollte, wenn er brav für ihn gestritten und das einzige Kind aufgefunden hätte. - Bei dem Schwur rötheten sich Franzens Wangen, wie die einer Jungfrau, wenn sie eben vor dem Altar steht. - Auch er schwor dem Könige bei seiner blauen Feder, nie von ihm zu lassen und nimmer des süßen Schlummers zu genießen, bis er die hohe Jungfrau gefunden habe. -
[111] Es war der May schöner wie jemals, und mit herrlichen Klängen rief er aus seiner blauen reichen Brust, jedes junge Herz zu kühnen Thaten. Die feindlichen Schaaren standen mit wildem Muth einander gegenüber. Sonntag Morgens mahlte die Sonne mit blutigen Strahlen einen grünen Anger - als die Herolde über ihn wegflogen, mit flimmernden Bannern und zum Streit riefen. Viel Helden ritten gegen einander und viel Blut floß, daß das Feld bald noch röther aussah, als die helle Sonne. Der König stritt selbst tapfer und drang immer tiefer in die Wellen des feindlichen Heeres, denn er erstrebte den jungen Günther seinen Feind zu tödten. Es fiehlen aber, wie tausend Flammen, tausend Schwerdtstreiche über ihn her; da riefen die Völker - helfe[WS 9] den König wer helfen kann! da rannte Franz herbei mit seinen Knechten - wie ein junger Löwe in Kampf, die goldne Mähne schüttelt - so flogen seine Locken um die breiten Schultern; wie ein Sturm in finstrer Nacht, brach er ein in des Feindes Schaar, und ruhte nicht eher vom Morden, bis er den König befreit hatte. Dem jungen Günther führte er einen so mächtigen Streich, gegen die Halsberge, daß er tod ins grüne Gras sank; sein Roß stürzte über ihm zusammen. Nun war der Sieg errungen und der König war herzlich froh in seinem Sinn; sein Stammland hatte er wieder, und zog am Abend in die alte Burg ein, wo er und seine Väter zum erstenmahl das schöne Tageslicht geschaut hatten. Franz wollte gleich von dannen, mit den Seinen, um Fredegunden zu suchen durch alle Welt - aber der König bat ihn zu weilen bis zum andren Tage, wo noch ein schön Turnier gehalten werden sollte. Der Ritter ließ sich das gefallen, denn er hoffte, viel schöne Thaten zum Dienste der Einzigen zu thun, deren Blicke wie helle Sterne in seiner Brust ruhten. Des andern Tages war Franz schon mit manchem braven Manne zusammen gerannt und hatte jedesmal ritterlichen Sieg davon getragen; die Leute sahen dabei immer nach seinem Schilde, denn die weiße Silberfeder ward jedesmel blutroth, so oft er zusammenrannte. Nur hier an kannten ihn Wenige, die Uebrigen wußten nicht wer der tapfre Mann sei, vor dem Alle weichen mußten; denn Franz hatte einen andren Harnisch und Banner genommen und sich unkenntlich gemacht - damit keiner von seinen Thaten viel reden möge, sondern nur sein stilles Herz sich freue, der Unbekannten gedient zu haben. Selbst der König kannte Franzen nicht - und glaubte er sei auf andre Ritterfahrt weggezogen. Da der König nun in diesem Wahn war, so that etwas woran Franz seinen falschen Sinn erkannte.
[113] Im Herzen war der König unserm Ritter gram, denn er fürchtete ihn für die Zukunft, weil er der mächtigste Dienstmann im Lande war, und das Volk mehr vom tapfren Helden Franz, als vom Könige zu reden wußte! - deßhalb dachte der König daran, wie er Franz verderben wollte - er wußt daß seine Liebe zu der Jungfrau Fredegunde groß war! Es war aber an dem Tage auf dem Turnier, ein fremder Rittersmann ganz schwartz gekleidet, den noch keiner mit Ehren hatte bestehen können. Der König war dem Herrn deshalb gram und ließ bekannt machen, durch einen Herold der einen weißen Büschel von Reiherfedern auf dem leuchtenden Helme trug: Hört ihr Herrn der König hat geschworen, wer den schwarzen Ritter auf den grünen Boden legt der soll sein herzliebster Eidam und Erbe im Reich sein! Es stritten Viele mit dem Manne in schwarzem Eisen, aber alle waren noch vor ihm gesunken; da nahm Franz sein weißes Roß zusammen, und an sein liebes Herz denkend, wollte er auf Tod und Leben streiten mit dem wilden Manne. In dem Augenblick durchströmte ihn sein Blut heißer wie sonst - der Harnisch rasselte wie der Sturm im kahlen Eichforst auf seinem schönen Leibe! Ueber seinem Haupte hörte er einen süßen Gesang der seinem berauschten Busen also klang:
Fahr’ hin, fahr hin
O liebes Herz
Fahr schnell fahr schnell
Ueber blut’gen Schmerz!
Morgen ist die rosenrothe Hochzeit!
Die alte Böse[WS 10], kracht und saust
Sie will dir bleichen
Deines Blutes rothe Well!
Und der liebe liebe Mond scheint hell!
Morgen ist Hochzeit
In Ewigkeit!
Franz blickte empor und wie eine strahlende Sonne, sah er den glänzenden Vogel über seinem Haupte schweben; den goldnen Ring trug er noch am Halse, und der schimmernde rothe Karfunkel der daran saß, brannte Franzen hell ins Auge. An der rechten Schwinge, wo Franz die Feder weggenommen hatte, erblickte er eine rosenfarbne Feder, auf welcher ewige Sonnenstrahlen zitterten. Der Vogel ließ sich sanft auf Franzens Helmbüschel nieder, indem er seine Weise bald mit einem wunderfreundlichen[WS 11] - bald mit so wehmüth’gem Tone sang, daß es Franzen das Herz durchschnitt. Der Ritter setzte nun die goldnem Sporn dem treuen Roße mächtig in die Seiten, und rannte in wilder Begeistrung gegen den schwarzen Fremdling - der Glanz des Vogels war aber so groß und mächtig, daß des Gegners Roß scheu wurde, zusammenstürzte und Franz seinem Feind aus dem Sattel in das Feld warf. Bei dem Falle zitterte der Boden und der schwarzen Helm flog weit weg über den Anger. In dem Augenblick wo der Helm sich löste, erkannte Franz das braune Gesicht der Alten aus der Hütte; wie Feuerkugeln schielten ihre Augen ihn an, und schrecklich grinsend deckte sie den Schild schnell über das entblößte Antlitz. Da eilten plötzlich zwei Ritter herbei die man sonst nicht gesehen hatte, und schlepten so eilig den Verwundeten weg, daß man nicht sehen konnte, wohin sie enteilt waren. - Franz war in ein tiefes Sinnen versunken und hielt Speer und Schild noch in derselben Stellug, worin sie in dem Augenblick in seiner Hand geruht hatten als die Alte abgestochen vor ihm lag. Aber kaum war sie vom Felde verschwunden, als sich der schöne Vogel aus Franzens Hand setzte und ihn wehmüthig bittend anschauend, sein Köpfchen neigte und an dem goldnen Fingerlein schüttelte. Franz verstand die geheimnißvolle Rede, und zog leise das Ringlein von dem schön gewundnem Halse. Ach! wie wurde sein Herz voll süßer Freuden, und sein Blick voll Flammen - und seine Brust voll glühender Sehnsucht, als in dem Augenblicke die schöne Gestalt der blondgelockten Jungfrau die einst seinen Schlummer bewacht hatte, vor ihm auf des Rosses Halse saß. Wie mit Lilien, umschlang sie ihn mit ihren Armen und drückte einen rosenrothen Kuß auf seine Lippen. Das goldne Ringlein steckte sie ihm an die Hand - die rothen Gluthen des Karfunkels waren erloschen - ein wasserheller Demant glänzte an seiner Stelle. „Des Königes Tochter, die schöne Fredegunde, seht, da ist sie - der Edelstein zu des Königes Krone ist wieder da, seht, seht! O der glückliche Mann aus dem weißen Zelter, der muß sie heimführen - kein andrer!“ So riefen alle Ritter auf dem weiten grünen Felde - Franz hob sein Visir auf - man erkannte ihn - „es lebe der glückliche tapfre Ritter Franz!“ riefen die bunten Herolde über das Feld - „Morgen ist Hochzeit!“ - „In Ewigkeit“ seufzte Fredegunde aus tiefer Brust und schmiegte sich sanft in Franzens Arm! der lenkte nun mit der theuern Bürde zur Königsburg, um sein Leben in des Vaters Arme zu senken, und es aus ihnen auf immer an seinem Herzen zu empfangen!
[117] Unterwegs sah Fredegunde den Geliebten mit thränenfeuchten Augen an, und ihn fester an die bebende Brust schließend, sagte sie - „O Franz uns steht noch viel Uebel bevor! der schwarze Ritter ist euch innen schwarz - sein Blut ist nicht roth - sondern wie die mondlose Nacht - und sein Herz schlägt nicht - es steht ewig still - es ist von Stein! Wisse nur, meine Mutter ist sehr bös auf dich, sie wird mich nimmermehr in deinen Armen dulden - heute hast du mit ihr gekämpft und sie aufs grüne Feld hingestreckt. Sie war euch die Alte in der Hütte - der du mich entführtest - den blauen glänzenden Vogel - der schwarze Kater war meiner Mutter Mann und ist jetzt König! Das wirst du mir nicht glauben, o du süßes Leben - denn du weist nicht wie das Alles zuging. - Mein Vater war schon einmal König - da kam ein junger Ritter, den liebte meine Mutter mehr als meinen Vater; einst fand sie mein Vater in seinen Armen und war im Begriff beide niederzustechen, als meine Mutter künstlichen Zauber brauchte - und uns alle verwandelte. Seit dem lebten wir in der stillen Thalhütte und meiner Mutter Geliebter ward König. Der Zauber dauerte so lange bis dieser gestorben war - deshalb stand auf dem schönen Kästchen was du kennst - „bis zu Freundes und Feindes Tode!“ denn der König war meiner Mutter herzlieber Freund und meines Vaters Feind. Das alles hast du in dem hellen Spiegel wohl gesehen. Hinter dem Spiegel waren rothe Feuer in denen meine Mutter dich zuerst gesehen hatte und dich deshalb gleich kannte als du in unsre Hütte kamst. In dem Feuer tanzten unaufhörlich meine und meines Veters Menschenseelen - und so konnte meine Mutter immer wissen was wir dachten! Meine Liebe zu dir kennt sie auch längst! Als ich bei dir im Walde kniete hatte ich meinen Zauberring abgenommen und war zur Jungfrau geworden! Jetzt darf ich ihn nur noch einmal um den Hals legen - dann werde ich wieder Vogel und schwimme in freien blauen Lüften - aber Mensch kann ich dann nicht wieder werden, denn, meine Mutter verbrennt dann aus Wuth meine Menschenseele in dem rothen Feuer, hinter dem Spiegel. Das geschieht aber erst nach deinem Tode, - wenn ich so viel Thränen in dein Grab geweint habe, daß der helle Quell meiner Augen versiegt ist!“ - Sie drückte einen heißen Kuß auf seine Lippen - ihre Thränen flossen wie lichte Perlen auf dem Spiegel seiner Rüstung - sie seufzte tief! Es war Nacht geworden, und bei dem Fackelschein der Sterne ritten die Glücklichen, in den Burghof ein. König und Königinn kamen ihnen entgegen - sie schlossen das theure Kind in ihre Arme. Da wandte sich der König zu Franz, und indem er sich stellte als ob er ihn [118] auch umarmen wollte, stieß er ihm das Schwert in die Brust. Die Frau Königin lachte laut auf - Fredegunde lag ohnmächtig am Boden - und Franz hatte noch so viel Kraft daß er in den Eichwald sprengen konnte. Die bleiche Göttin Luna, senkte ihre blonden Locken durch das dunkle Eichengrün und umzog damit das todtenähnliche Antlitz Franzens. Er stieg von dem treuen Zelter und sank in die Thauperlen, die am Boden blühten - sein Blut floß in großen Strömen - der warme Hauch, der aus der geöffneten Brust quoll, stieg zu dem blauen Himmelsbogen wie Opferdampf auf. Das schneeweiße Roß weinte heiße Thränen, als es das Ende seines Herrn nahe sah, und der Falke auf Franzens Brust blicke wehmüthig bald in des Ritters brechendes Auge - bald in die ziehenden Wolken. Es war Mitternacht - die Geister gaukelten munter im Forste umher - Franz wollte den letzten Athemzug thun - da stand Fredegunde in heiliger weißer Gestalt zu seinem Haupte. Sie berührte mit den brennenden Blüthen ihrer Lippen, den bleichen Schnee auf des Ritters Munde und sog seine Seele ein in ihr liebendes Herz - dann drückte sie ihm unter endlosen Thränen die dunkelblauen Augen zu. Sie küßte den Falken und das treue Roß; sie zog den Zauberring von Franzens Hand - hielt ihn an ihren schwanenweißen Hals und flog als silberblauer Vogel in die schwarzen Schatten des Waldes, wehmüthig singend!“
Ade, Ade
Der kalte Schnee
Fiel auf seinen rothen Mund
In kühler Stund!
O weh, o weh
Ade Ade! -
- Den silberblauen glänzenden Vogel kennt jedes Kind.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: in. Siehe Druckfehler S. 124.
- ↑ Vorlage: braun und eine schwarze. Siehe Druckfehler S. 124.
- ↑ Vorlage: hing. Siehe Druckfehler S. 124.
- ↑ Vorlage: keinen. Siehe Druckfehler S. 124.
- ↑ Vorlage: mal. Siehe Druckfehler S. 124.
- ↑ Vorlage: lieblichen. Siehe Druckfehler S. 136
- ↑ Vorlage: vor. Siehe Druckfehler S. 136
- ↑ Vorlage: daß. Siehe Druckfehler S. 136
- ↑ Vorlage: helft. Siehe Druckfehler S. 136
- ↑ Vorlage: Buche. Siehe Druckfehler S. 140
- ↑ Vorlage: wunderfreundlichem. Siehe Druckfehler S. 140