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Ludwig Erk (Die Gartenlaube 1883/50)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Gustav Schubert
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Titel: Ludwig Erk
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 50, S. 820
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[820] Ludwig Erk, † 25. November 1883.

 „Hie kann nicht sein ein böser Muth,
 Wo da singen Gesellen gut.“
  Martin Luther, „Frau Musika“.

In dem Liederschatze des deutschen Volkes lebt manche „wundersame“ und herzerquickende Melodei, die Tausende schon erfreut, entzückt, erbaut und besser gemacht hat, ohne daß der Sänger oder Hörer große Sorge um den Ursprung und die Herkunft des Liedes an den Tag legte. Hoffentlich ist Mancher daran erinnert worden, als sich die Kunde von dem Tode eines Mannes verbreitete, dessen Name mit dem deutschen Liede auf das Engste verknüpft ist: Ludwig Erk. – Erk gehört zu den ausgezeichneten Männern unserer Nation, welchen die Ruhmeskränze nicht erst von der Nachwelt geflochten zu werden brauchen, die Zeitgenossen haben seine Verdienste voll und ganz gewürdigt – er ist mit dem Bewußtsein in die Gruft hinabgestiegen, dem Volke gedient und den Besten genug gethan zu haben. Das Biographische des Heimgegangenen läßt sich in wenig Worten geben.

Geboren den 6. Januar 1807 zu Wetzlar, erhielt er den ersten Unterricht von seinem Vater, dem Lehrer, Cantor und Organisten am dortigen Dome, Adam Wilhelm Erk; nach dem Tode desselben verließ Ludwig Erk das elterliche Haus und trat in das von Johann Balthasar Spieß, dem bekannten Erzieher und Anhänger Pestalozzi’s, geleitete Erziehungsinstitut zu Offenbach am Main. Durch seinen Vetter, den berühmten Pädagogen Diesterweg, bestimmt, übernahm er 1826 die Musiklehrerstelle am Seminar zu Mörs, um dieselbe 1835 mit der am Seminar für Stadtschüler zu Berlin zu vertauschen. Hier wirkte er in höchst segensreicher Thätigkeit bis 1876, in welchem Jahre er unter herzlichster Theilnahme der Residenz und den Segenswünschen seiner vielen Freunde aus Nah und Fern das fünfzigjährige Amtsjubiläum feierte.

Die Stadt Berlin ehrte Erk durch ein anerkennendes Document, in welchem dem Jubilar zugleich die Zusicherung eines lebenslänglichen Ehrengehalts von jährlich 3000 Mark gemacht war. Zu dem Titel eines königlichen Musikdirectors trat bei Gelegenheit des Jubeltages auch der eines Professors, sodaß Erk, mit Ehren beladen und materiell in jeder Beziehung wohl gesichert, in dem erwähnten Jahre sein Amt niederlegen konnte, um der wohlverdienten Ruhe zu pflegen.

Das Hauptverdienst hat sich Erk um das deutsche Volkslied erworben, dessen Pflege seine Lebensaufgabe war. Auf Grund streng wissenschaftlicher Studien und in lebendiger Wechselwirkung und Beihülfe hervorragender Forscher und Dichter, versenkte sich Erk in die vergrabenen Schätze der deutschen Volkspoesie, um jene Lieder zu heben, die heute in dem Munde von Millionen sind.

Die Bergung mancher uns heute so einfach und leicht erscheinenden Perlen war indeß recht oft mit großen Schwierigkeiten verknüpft, es galt die Urtexte aufzufinden, sie von etwa anhaftenden Schlacken zu befreien, die Melodien und Harmonien hinzuzufügen, um so dem Volke eine gesunde Kost zu bieten, die zu allen Zeiten, namentlich aber in den Perioden politischer und kirchlicher Bewegungen von großem Nutzen gewesen ist. An Stelle überschwänglicher Sentimentalität und naiver Trivialität wußte Erk stets Einfachheit und Natürlichkeit zu setzen; hierdurch schlug er zugleich „Lesarten“ aus dem Felde, deren Ursprung zweifelsohne in die Zeit der wenig scrupulösen Landsknechte zurück reichte. Was er nicht aus Büchern und alten Pergamenten gewinnen konnte, schöpfte er aus dem lebensfrohen Brunnen des Volkes selbst, oft zog er hinaus in den Odenwald, um den Gesang eines Hirtenbuben oder eines alten Mütterchens zu belauschen und – zu Papier zu bringen.

Die Früchte dieser Studien sind in zahlreichen Werken niedergelegt worden – großen Bänden und kleinen Büchlein, von denen sich die letzteren in Millionen Exemplaren in den Händen der deutschen Jugend befinden. Folgende Titel mögen hier genannt werden: „Deutscher Liederhort. Auswahl der vorzüglicheren deutschen Volkslieder aus der Vorzeit und aus der Gegenwart mit ihren eigenthümlichen Melodien“, „Liedergarten“, „Liederkranz“, „Frische Lieder und Gesänge“, „Blätter und Blüthen“, „Sangesblüthen“, „Deutscher Liederschatz“, „Sängerheim“, „Volksklänge“ etc. Um jedem Lebensalter ein Sträußchen zu bieten, bearbeitete Erk die geeigneten Lieder für Kinder-, Männer-, Frauenstimmen, beziehungsweise gemischten Chor. Ein vollständiges Verzeichniß dieser Sammlungen und Bearbeitungen umfaßt weit über hundert Nummern.

Es würde die Grenzen des bemessenen Raumes weit überschreiten, wollten wir noch seiner eigentlichen Lehrerthätigkeit gedenken; er hat tüchtige Schüler herangebildet, die in seinem Geiste weiter arbeiten und in Stadt und Land über ganz Deutschland verbreitet sind. Der von ihm 1845 gegründete und geleitete „Männer-Gesangverein“ gehört heute zu den besten musikalischen Vereinigungen, die Direction eines ebenbürtigen, ebenfalls von ihm gestifteten „Vereins für gemischten Chor“ übergab er seinem Schüler und Freunde Gustav Gäbler – so ist durch Schrift, Wort und Ton hinreichend gesorgt, daß die Resultate seines Fleißes der deutschen Nation erhalten bleiben. Rufen wir dem Heimgegangenen die ihm am 6. Januar 1874 von Hoffmann von Fallersleben gewidmeten Worte nach:

„Du lehrtest, was in Freud’ und Leid
Das Volk zu singen weiß,
Drum Dir gebührt zu aller Zeit
Des Volkes Dank und Preis.“

Gustav Schubert.