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Lieder einer Verlorenen/Verheirathet

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aus: Lieder einer Verlorenen
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[53]
Verheirathet.


[55]
I.

Links die zischelnden Komödianten,
Rechts von mir mein Bräutigam;
Hinter ihm die Anverwandten
Zucken sich die Achseln lahm.

5
Vor mir mild der greise Priester,

In mir keine Harmonie,
Auf den blonden lichten Locken
Grüne Myrthenironie.

[56]
II.

Ausgespannt die magern Gäule

10
Von dem morschen Thespiskarren;

Engagirt bin ich für’s Leben,
Nimmer weiter wird gefahren.

Auf dem kleinen Stückchen Erde
Ist die Bude festgestellt –

15
Und der Kreis, der oft copirte,

Ist nun wirklich meine Welt.

[57]
III.

Eine lange graue Fläche,
Mitten drauf ein Schlößchen traut;
Weiß und voll im Winde schwanket

20
Rings umher das Haidekraut.


Bei des Schlößchens Erkerfenster
Steht ein Mann und jubelt laut;
Denn er hat jetzt in der Ferne
Sein geliebtes Weib erschaut.

25
Jauchzend springt er ihr entgegen,

Küßt sie heiß auf Mund und Hand,
Ordnet die zerstreuten Locken
Und das flatternde Gewand.

Und wie Kinder selig plaudernd

30
Gehen sie nun Hand in Hand,

Und des Weibes Seele segnet
Dankbar Mann und Haus und Land.

[58]
IV.

O habe Mitleid, laß mich nimmer
Die Wunden der Gesellschaft schauen!

35
Denn bis in meine tiefsten Träume

Drängt sich ein scheues, kaltes Grauen.

Auch hier die Sünde und das Elend,
Das sich so leicht vergessen ließ?
Auch hieher weht der gift’ge Odem? –

40
Ich glaubte an ein Paradies!
[59]
V.

Das Herz zerfetzt und zerrissen,
An allen Kräften gelähmt,
Gestürzt aus dem falschen Himmel
Und ob des Glaubens beschämt! –

45
Von dem, was ich gelitten

In kurzen, doch ewigen Tagen,
Versteinern alle Thränen,
Verstummen alle Klagen! – –

[60]
VI.

Ich grüße dich, du alte Nacht,

50
Bekanntes, schwarzes Elend,

Du nahst dich mir so bitter vertraut,
Erhaben stumm befehlend.

Ich wehre mich nicht; du bist mir lieb,
Du bist verderbliche Wahrheit:

55
In deinem Dunkel liegt für mich

Meines wirren Jammers Klarheit.