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Lied einer Nonne

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Textdaten
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Autor: Johann Baptist von Alxinger
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Titel: Lied einer Nonne
Untertitel:
aus: Gedichte S. 83–86
Herausgeber: Friedrich Just Riedel
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1780
Verlag: Johann Jacob Gebauer
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Halle
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
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Bearbeitungsstand
fertig
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[83]

 Lied einer Nonne.

Bittre Thränen, deren Quelle
Nie versieget, fliesset hin,
Ueberschwemmt die öde Zelle,
Wo ich eingekerkert bin!

5
     Trüb das Aug, mit blassem Munde,

Welker Wange, fleh’ ich hier
In der grausen Geisterstunde,
Mein Gekreutzigter, zu dir!

     Ach, ersticke dieses Feuer,

10
Das in meinem Busen wühlt,

Das kein Skapulier, kein Schleyer,
Das kein heilig Wasser kühlt!

     Sieh! an meinen hagern Lenden
Naget das Zilizium;

15
Und den Rosenkranz in Händen

Irr’ ich durch dein Heiligthum:

[84]
     Spreche mit Cathrinens [1] Muthe

Der empörten Menschheit Hohn,
Geißle mich, von härner Kutte

20
So schon wund, zum Skeletton.


     Dennoch, weh mir Armen, wehe!
Scheint mir Selmar immer nah;
Wo ich knie, wo ich stehe,
Ist das Bild des Jünglings da!

25
     Will ich im Breviere beten,

Find’ ich seinen Namen drin;
Will ich zum Altare treten,
Seh’ ich, statt des Priesters, ihn;

     Wenn ich auf dem Antlitz liege,

30
Hebet er mich tröstend auf;

Knie’ ich auf der heilgen Stiege [2]
Kniet auch er vor mir hinauf:

[85]
     Selbst aus blassen Leichensteinen

Tönt mir seine Stimm’ ins Ohr,

35
Zwischen modernden Gebeinen

Glänzt sein blaues Aug hervor.

     Von Gedanke zu Gedanke
Fortgeschleudert, steh’ ich hier,
HErr, von deinem Kreutz, und wanke

40
Zwischen ihm und zwischen dir;


     Denn die frommen Mörder haben,
Jesus, dir mich anvertraut.
Sieh, lebendig eingegraben
Winselt strafbar deine Braut,

45
     Schmachtet, ewiglich verlassen,

Hier an diesem Jammerort,
Wie auf unwirthbaren Strassen
Ein verwahrlost Bäumchen dorrt.

[86]
     Laß sie ja nicht länger schmachten,
50
Geh mit ihr nicht ins Gericht,

Lieb’ und Welt will sie verachten;
Aber ach, sie kan es nicht.

     Tilge dieses heisse Sehnen,
Schaff’ in meinem Herzen Ruh,

55
Oder drück’ ein Aug voll Thränen

Durch die Hand des Todes zu.



 

  1. Die h. Catharina von Siena, eine Ordensstifterin
  2. Die h. Steige ist eine Treppe, in deren Stufen Reliquien
    eingegraben sind, und die man hinaufkniet.