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Lichtenthal

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Textdaten
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Autor: August Schnezler
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Titel: Lichtenthal
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aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 219–222
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[219]
Lichtenthal.

Wie! dies wäre der Weg, der den staunenden Wanderer leitet
Zu dem Asyle, wo Ruh findet das schmachtende Herz?
Wie! dies wäre der Weg in die friedlichen Räume des Klosters,
Hier, wo das laute Gewühl bunter Gestalten sich drängt?

5
Hier, wo mit Flügeln des Windes, in Amazonen verwandelt,

Durch den umwirbelnden Staub Albions Töchter entfliehn!
Ha! wie flattern die Locken, die Schleier, wie pochen die Busen!
Mancher verderbliche Pfeil zückt aus den Augen herab.
Sieh nur, wie kleidet so hübsch das schwarze Barett die Blondine,

10
Welchem der flüchtige Strauß hat das Gefieder geliehn!

Sieh, wie die Grazie leicht auf dem schäumenden Zelter sich schaukelt
Und wie die Wangen ihr glühn, – Mädchen, wie bist du so schön!

[220]

Aber sie sausen vorbei durch den Gang altprächtiger Eichen,
Deren erquickendes Dach üppig sich über uns wölbt. –

15
Sonntag scheint es hier immer zu seyn; in den buntesten Gruppen

Wandeln im glänzenden Zug Herren und Damen vorbei.
Neugier findet und Lachlust immer Befriedigung reichlich,
Heiteres Wechselgespräch, eiteles Geckengezier;
Hier auch flittert die Mode vorbei in unzähligen Farben,

20
Und aus dem neuesten Heft hüpfen die Bilder heraus. –

Dort auf dem schlängelnden Pfade, der hinläuft neben dem Hauptweg,
Sitzt auf der moosigen Bank flüsternd ein zärtliches Paar;
Wohl kam, Heilung zu suchen, schon Mancher zur reizenden Badstadt,
Doch ein verwundetes Herz bracht’ er nach Hause zurück.

25
Aber es fand auch Mancher schon hier, was er lange vermißte,

Ein gleichfühlendes Herz, innigen Liebesgenuß.
Keinerlei Heilquell kann so Wunder vollbringen, wie Liebe,
In das verödete Herz ruft sie den Frühling zurück.
Wandle nur, glückliches Paar, kein Lauschender möge dich stören!

30
Feire den vollen Triumph, Liebe, der Liebenden still!


Aber nun folgt mir wieder zurück auf den Weg zu dem Kloster,
Mischt euch wieder mit mir dort ins Gewühle des Zugs!
Amor verlocket uns sonst in unendliche Waldlabyrinthe,
Und in das klopfend Herz zischet der sichere Pfeil. –

35
Seht hier! niedliche Kinder auf sorgsam trabendem Maulthier,

Und mit dem spornenden Stock schreitet der Führer zur Seit’;
Dort am Quell im Gebüsche, da bieten die Knaben geschäftig
Köstliches Wasser dir an gegen ein kleines Geschenk;
Hast du getrunken genug von den siedenden Thermen der Badstadt,

40
Sehnst du mit wahrer Begier dich nach dem kühlenden Born. –

Dies die Allee zum Kloster also, dies wären die Pilger,
Deren unendlicher Zug plaudernd die Vögel verscheucht?
Wallen sie hin zum Gebet? Doch nein, bei dem Thore des Klosters,

[221]

Kehren die Schwärmenden um, oder zerstreu’n sich im Thal,

45
Oder besteigen Cäcilienberg und die heitere Seelach,

Oder bei Wein und Kaffee scherzen den Abend sie weg.

Gern doch weil’ ich im Kloster am Ufer des schäumenden Waldbachs,
Hinten von dunkeler Wand träumrischer Tannen begrenzt:
Wenige folgen mir nur in den Frieden der stillen Kapelle,

50
Wo das gemeiselte Bild Rudolfs des Langen sich streckt,

Auf dem Paradebette, von riesigen Löwen bewachet;
Manch ein Gedenkmal noch dämmert aus Nischen hervor.
Und nun tret’ ich von da in die hallenden Räume der Kirche,
Wo mit der Orgel vermählt klinget der Nonnen Choral.

55
Seltsamer Wechsel! – Verstummt ist der Welt lautrauschendes Wogen,

Und in das fromme Gebiet senkt sich der Himmel herab.
Aus dem Gewirbel der Fluth in der Andacht Hafen gerettet,
Fühlt das beklommene Herz neu sich gehoben und frei;
Sehnsucht schwellt es empor nach einer beglückteren Heimath,

60
Von dem Altare hinan winken die Engel des Lichts;

Ach! und der Kindheit Blumen, des schuldlos frommen Gemüthes,
Von dem gekreuzigten Christ blühen mir wieder empor.
Heilige Märtyrer nah’n, mit den leuchtenden Wunden geschmücket,
Frieden im Antlitz, das Haupt strahlend im goldenen Schein. –

65
„Amen!“ – der Priester verläßt den Altar und die Stimmen der Schwestern

Sind wie ein seliger Schmerz liebender Seelen verhallt.
Stille verliert sich das Volk; nur ich noch zögere träumend,
Ganz allein, und es fehlt dennoch kein theueres Bild;
Scheidend strahlt noch die Sonne herein durch die farbigen Scheiben,

70
Und die zerstochene Brust küßt sie des Dulders am Kreuz;

Nur ein schwankendes Licht noch fällt von der ewigen Lampe
Auf der Madonna Gesicht, daß es erglüht und erbleicht. –
Aber die Sonne versinkt und mahnet mich wieder zur Heimkehr,
Tief aus der inneren Welt ruft mich die äußre zurück.

[222]
75
Dämmernd empfangen mich draußen die stille gewordenen Straßen,

Ueber dem schwärzlichen Berg hebt sich der blühende Mond;
Feierlich halten die Wacht ringsum die rauschenden Wälder,
Ueber die Wiesen dahin gleiten die Nixen des Thals.
Murmelnd geleitet der Oelbach mich in die dampfende Badstadt,

80
Fern von dem Dorfe noch schallt ländlicher Mädchen Gesang.

Freundliches Thal, leb’ wohl! Dein Frieden erquickt mich im Schlummer,
Webt mir zum lieblichsten Traum reizende Bilder von dir.

A. Schzlr.