Leipzigs Todten!
„Tue! tue!“
Karl IX. in der Bartholomäusnacht.
„Laßt Ader! laßt Ader! die Aerzte sagen, das
Aderlassen sei im August so heilsam als im Mai!“
Cavannes in derselben.
Sie kam heran im weh’nden Trauerflor,
Ueber den See nach ihrem Brauche;
Um Huttens Insel beugte sie das Rohr
Mit ihres Odems feuchtem Hauche.
Dann wieder setzt’ ich mich zu schreiben –
Da trat sie plötzlich finster vor mein Haus,
Und hauchte leis an meine Scheiben:
„Ich bin die Nacht, die Bartholomäusnacht;
Es hat in Deutschland eine Fürstenmacht
Zwölf Tage heuer mich zu früh gefeiert!
O fünfzehnhundertzweiundsiebenzig!
Ha, wie da Pulverdampf die Giebel bräunte!
Hervorbog jener Karl der Neunte!
Auch Er ein Allerchristlichster, o Schmach!
Anschrie und hetzt’ er seine Söldnerrotten,
Bis wehrlos hingewürgt am Boden lag
Ich bin die Nacht, die Bartholomäusnacht;
Mein Fuß ist blutig, und mein Haupt verschleiert.
Es hat in Deutschland eine Fürstenmacht
Zwölf Tage heuer mich zu früh gefeiert!
Doch das ist gleich – hinpfiff die Kugel sausend!
Die Opfer stürzten – was liegt an der Zahl?
Gleichviel, ob dreizehn oder dreißigtausend!
Die Hähne knackten – auf ein Prinzenwort!
Livreebedienter, sprühte dreist der Mord
Die vielbeliebten, sichern Rückenschüsse!
Ich bin die Nacht, die Bartholomäusnacht;
Mein Fuß ist blutig, und mein Haupt verschleiert.
Zwölf Tage heuer mich zu früh gefeiert!
Man hat gesagt: sie haben es verdient!
Wer hat sie rebelliren denn geheißen?
Was haben die Verweg’nen sich erkühnt,
Man war erstaunt, man war mit Recht empört!
Denkt: auf den Boden klirrte Scheib’ um Scheibe! –
Wohl! ..... Aber niemals hab’ ich noch gehört,
Daß man mit Blut zerbrochne Fenster kleibe!
Mein Fuß ist blutig, und mein Haupt verschleiert.
Es hat in Deutschland eine Fürstenmacht
Zwölf Tage heuer mich zu früh gefeiert!
Und dann: Sie floh’n! Der Blitz des Rohres fuhr
Ja, Flieh’nde nur, schuldlose Wandler nur,
Hat man erlegt mit königlichen Bleien!
Ein Weib, ein Kind – o herzzerreißend Weh’!
Da lagen sie, am Pflaster die Gesichter!
Die zorn’gen Fäuste, heimathloser Dichter?
Ich bin die Nacht, die Bartholomäusnacht;
Mein Fuß ist blutig, und mein Haupt verschleiert.
Es hat in Deutschland eine Fürstenmacht
Soll ich noch melden von dem Leichenzug?
Der Marsch ertönte, Trauerweisen schallten;
Aus diesem Haus und dann aus jenem trug
Man einen Sarg, und ernste Fahnen wallten!
Ein Thränenstrom, so weit das Auge schaute!
Ach, nie doch wäscht er dies unschuld’ge Blut
Von Leipzigs Kiesweg und von Sachsens Raute!
Ich bin die Nacht, die Bartholomäusnacht;
Es hat in Deutschland eine Fürstenmacht
Zwölf Tage heuer mich zu früh gefeiert!
Man hat ein Wort: die Mitternacht ist stumm!
Doch schrei’ ich laut: Wer soll dies Blut euch stillen?
Durch einen Fürsten, um des Glaubens willen!
O deutsches Land, was trugen dir schon ein
Wie deine Fürsten, so dein Glauben! –
Allein du liebst es, stets ein Kind zu sein!
Ich bin die Nacht, die Bartholomäusnacht;
Mein Fuß ist blutig, und mein Haupt verschleiert.
Es hat in Deutschland eine Fürstenmacht
Zwölf Tage heuer mich zu früh gefeiert!
Thu’, was du mußt! folg’ deinem Wahrheitsdürsten!
Hau’, wie dich’s drängt, dir deinen Weg zu Gott!
Nur, – suchst du Gott, was fragst du deine Fürsten?
Erwache, Deutschland! denk’ an jenen Herrn,
– Fahr’ wohl, Poet! Ich muß noch nach Luzern!
Zu meinen Vätern noch, den Jesuiten!
Ich bin die Nacht, die Bartholomäusnacht;
Mein Fuß ist blutig, und mein Haupt verschleiert.
Es hat in Deutschland eine Fürstenmacht
Meyenberg am Zürcher See, 24. August 1845.