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Kriegsführung auf den Marshall-Inseln

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Autor: Otto Finsch
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Titel: Bilder aus dem Stillen Ocean. 1. Kriegsführung auf den Marshall-Inseln
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 700–703
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Kriegerische Auseinandersetzung auf Jaluit.
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Bilder aus dem Stillen Ocean.

1. Kriegsführung auf den Marshall-Inseln.
Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).

Dem geist- und gemüthvollen Verfasser des weltberühmten „Peter Schlemihl“, Adelbert von Chamisso, haben wir die ersten ausführlicheren Nachrichten über die Bewohner der Marshall-Inseln zu verdanken, die er bei Gelegenheit der denkwürdigen Weltfahrt der russischen Corvette „Rurik“ (1815 bis 1818) auf kurze Zeit kennen lernte. Voll aufrichtiger Theilnahme für die braunen Naturkinder und mit wahrer Liebe für sie erfüllt, entwarf er von seinen neuen Freunden so günstige Schilderungen, daß diese seitdem fast zu den am bester beleumundeten Völkern der ganzen Südsee gehören. Hätte Chamisso so viele Monate wie Wochen unter den Eingeborenen weilen können, so wäre sein Urtheil ohne Zweifel in vielen Stücken ganz anders ausgefallen; denn dann würde der dem Dichter angeborne Idealismus doch in mancher Hinsicht einer auf genauere Kenntniß basirenden gründlicheren Anschauung gewichen sein.

Außerdem waren die kindliche Natur Chamisso’s und seine ausgesprochene Philanthropie bemüht, wenn auch nicht gerade die Schattenseiten des von ihm Geschauten zu verbergen, so doch das Gute an denselben möglichst in den Vordergrund zu stellen. Freilich mögen vor mehr als sechszig Jahren die Verhältnisse in den Marshalls ganz anders als heutigen Tags gewesen sein. Das große Schiff mit seinen damals auf diesen Inseln kaum bekannten Feuerwaffen erregte Furcht unter den Eingebornen, obschon die Fremdlinge in der Ausführung ihrer philanthropischen Mission nur Gutes thaten und ihnen zuerst unschätzbare Dinge, wie Eisen und eiserne Geräthe, großmüthig überließen, sowie sie mit neuen Culturgewächsen und Hausthieren beschenkten. Von letzteren Gaben hat sich keine auf den Inseln eingebürgert, hauptsächlich aus dem Grunde, weil die Eingebornen den Werth derselben nicht zu verstehen vermochten. Der zuerst im Verkehr mit Walfischfahrern angebahnte Handel hat auch diese Insulaner mit allerlei bis dahin unbekannten Waaren versehen, und später, etwa seit fünfundzwanzig Jahren, verstärkte und befestigte die Mission auf einigen Inseln den Einfluß der Weißen, ja wußte sich nicht selten eine gewisse Machtstellung zu erringen, die indeß meist nur von kurzer Dauer blieb. Sie lehrte die Insulaner nicht nur eine neue Weltordnung, sondern bemühte sich selbstredend auch, ihnen praktische Fertigkeiten beizubringen; die Mission spendete die Segnungen des Christenthums nicht umsonst, sondern verstand es sehr wohl die Kirchenmitglieder tributpflichtig zu machen, um sowohl die Kirche zu bereichern, wie gegen Waaren entsprechende Tauschartikel zu empfangen.

Dadurch gerieth die Mission, wie leicht begreiflich, nicht selten mit dem Kaufmann von Beruf in Conflict, und aus dieser Ursache entspringen so viele Anklagen, welche beide Parteien, nicht immer ohne Grund, gegen einander erheben. Wir wollen auf dieses ohnehin unliebsame Capitel hier nicht eingehen, so sehr dasselbe auch einer objectiven Darstellung bedürftig ist. Ein Vergleich der Marshall-Insulaner von damals, d. h. von den Zeiten Chamisso’s, und heute erscheint dagegen nicht uninteressant. Da drängt sich uns zunächst die Frage auf: Haben diese Menschen, welche uns Chamisso fast durchgehends als gute schildert, wirklich, wie die Einen wissen wollen, durch civilisatorische Einmischungen der weißen Rasse geistig und sittlich gewonnen oder sind sie, wie Andere behaupten, durch den Einfluß weißer Trader (Händler), die ihnen den Schnaps und den Tabak brachten, moralisch verderbt und physisch entnervt worden?

Nach meinen Erfahrungen ist weder das Eine noch das Andere der Fall. Wie es bei der Einförmigkeit der Natur und dem Charakter der einsamen Koralleninseln nicht wohl anders zu erwarten ist, gehören die Marshallaner, wie alle Bewohner von Atollen (Ring- oder Laguneninseln) nicht einer geistig hoch veranlagten Menschenrasse an, und schon aus diesem Grunde wird ihre Entwickelung stets an einer gewissen enggezogenen Grenze stehen bleiben. Gegenwärtig sind die Marshallaner noch weit davon entfernt dieselbe erreicht zu haben; denn thatsächlich läuft ihre ganze jetzige Civilisation wie ihr Christenthum auf Aeußerlichkeiten hinaus.

Wie die harmlosen, von Gesang und Trommel begleiteten mimischen Volksbelustigungen, unrichtig wohl Tänze genannt, von den Missionären verpönt wurden, so fielen auch das lange, schöne, schwarze Haar und zum Theil die eingeborene Tracht dem Missionseifer zum Opfer. Dadurch erreichte man allerdings, daß Bekehrte an ihrer europäischen Kleidung zu erkennen sind, und so entstanden die sogenannten „Callicochristen“, wie sie ein Missionsbericht zuerst als solche bezeichnet. Freilich sind dieselben zum Theil sehr regelmäßige Kirchengänger, aber auch bei den eifrigsten kann von einem tieferen Verständniß der Wahrheiten und der Moral des Christenthums nicht die Rede sein; denn ihre ganze Kenntniß beruht auf einigen auswendig gelernten Hymnen und Psalmenversen, und nur [701] ein sehr geringer Procentsatz hat es weiter gebracht, als mühsam den eigenen Namen zu kritzeln.

Fassen wir Alles zusammen, so beschränkt sich das, was die heutige Civilisation den Bewohnern der Marshallsinseln gebracht hat, abgesehen von der dürftigen Kleidung auf einige nützliche eiserne Geräthe, unter denen Messer, Beile, Nähnadeln, Fischhaken, Kochtöpfe, Kisten und Kasten die wichtigsten sind, und auf eine Menge Tand, wie Glasperlen, Bänder, Haaröl, Fingerringe etc., außerdem auf allerlei Schuß- und Hiebwaffen. Unter den Genußmitteln nehmen Reis und Hartbrod die Hauptstelle ein, wozu hier und da noch Salzfleisch und vielleicht einige Conserven kommen, ganz besonders aber Getränke, unter denen namentlich Bier beliebt ist. Da aber die Flasche Bier 2 Mark kostet, so verbietet sich der häufigere Genuß desselben von selbst, und der Eingeborene greift, wie fast alle Weißen, zu dem landesüblichen Getränk: Gin, das billiger und dabei wirkungsvoller ist. Trotzdem läßt sich nicht behaupten, daß Trunksucht unter den Eingeborenen herrsche; man sieht vielmehr nur selten Betrunkene, und in diesem Falle sind es meist nicht die gemeinen Kanaker, sondern die Herren Vorgesetzten.

Wenn durch die Dazwischenkunft der Weißen das Leben der Eingeborenen unleugbar in mancher Beziehung verbessert wurde, so muß dabei doch ausdrücklich bemerkt werden, daß die Letzteren dies keineswegs ihrer eigenen Kraftanstrengung verdanken. Im Bau der Häuser haben sie nur in Ausnahmefällen europäische Verbesserungen angenommen, nur selten sich bemüht, Bananen und andere Nutzpflanzen, welche unter der sorgsamen Pflege des weißen Mannes gedeihen, zu cultiviren, und so bleibt ihnen fast nur das Verdienst, ihre ursprüngliche Geschicklichkeit in Flechtarbeiten auf die Herstellung von Hütten nach europäischer Form übertragen zu haben. Dagegen sind ihnen andere Fertigkeiten abhanden gekommen, wie auch ihre so hoch entwickelte Kunst im Bau von Canoes immer mehr verloren geht und nur noch von alten Leuten gründlich verstanden wird.

Marshall-Insulaner im Krieg.
Nach der Natur für die „Gartenlaube“ gezeichnet von O. Finsch.

Der conservative Zug im Charakter des Marshallaners, wie fast aller Südsee-Insulaner, hat auch die alten Rangordnungen erhalten, und noch heute giebt es in der ganzen Marshallgruppe, sowohl der Ratak- als Ralikkette vier Stände, die sich von mütterlicher Seite vererben. Es sind dies die Armidsch-kajur, oder die niedrigste Classe, welche kein Eigenthum besitzt, sondern nur Lehnsdienste verrichtet, die Leotakatak, mit erbberechtigtem Eigenthum, die Burak, größere freie Grundbesitzer, und die Iroidsch oder Häuptlinge. Aus den letzteren wird der Iroidsch-lablab, das heißt der große Häuptling oder sogenannte König, gewählt, von dessen Macht man sich aber keine allzu große Vorstellung machen darf. Wenigstens ist der jetzige Herrscher Kabua, oder „der Oberhäuptling Lebon, der Herr der Ralikkette“, wie er in dem mit der deutschen Regierung abgeschlossenen Vertrage pomphaft genannt wird, ein kläglicher Herrscher. Kabua versteht nur mühsam seinen Namen zu schreiben, kann kaum ein paar Worte englisch sprechen und ist ein indolenter beschränkter Kopf, dessen einzige Gabe in Lüge und Verstellung besteht. Obwohl er nicht Kirchenmitglied ist, hält er es doch mit der Mission und geht, wenn es vortheilhaft für ihn scheint, selbst gelegentlich einmal mit zur Kirche.

Da Kabua nur wenig Land besitzt, so ist er arm und aus diesem Grunde habsüchtig. Von allen und jeden Einnahmen seiner Unterthanen nimmt er den größten Theil für sich, und dies hat ihn vielfach unpopulär gemacht. Sein Einfluß ist daher auch sehr unbedeutend. Nächst Kabua ist Loiak der bedeutendste Häuptling und ein Rival, der an geistiger Begabung Kabua offenbar übertrifft, wenn er auch sonst nicht eben vortheilhaft beleumundet ist. Zwischen beiden Häuptlingen herrschte schon längst Eifersucht, die unerwartet zum Kriege führte.

Wie uns Chamisso lehrt, lagen die Marshallaner schon zur Zeit seines Aufenthaltes auf diesen Inseln mit einander im Kriege. Diese Kriege, obwohl nicht sonderlich verheerend, forderten ohne Zweifel Opfer; denn bei der damaligen Art der Waffen mußte es meist zum Einzelkampf kommen. Die Waffen bestanden in Lanzen, einfachen, circa sieben Fuß langen, zugespitzten Stäben aus Palmholz, die nur ausnahmsweise mit Haifischzähnen besetzt waren, wie dies noch heute in den Gilberts üblich ist, und in Schleudern, das heißt einem breiten Bande aus Cocosfaser, mittelst dessen ein rundes Korallstück geschickt geworfen wurde. Bogen und Pfeile besaßen die Marshallaner, wie fast alle Südseebewohner, nicht. Mit diesen [702] unvollkommenen Waffen, zu denen später noch durch Tausch erlangte Messer und andere eiserne Geräthe kamen, scheuten sich die Eingeborenen selbst nicht, in einzelnen Fällen Weiße anzugreifen. Diese Zeiten sind nun vorbei; denn wenn die Eingeborenen Weiße auch nicht mehr, wie die ersten, für höhere Wesen, für Götter halten, so haben sie deren Ueberlegenheit doch zur Genüge kennen gelernt und begnügen sich mit Stehlen.

Das Atoll von Jaluit oder Bonham besteht aus achtundfünfzig Inseln, von denen siebenundzwanzig bewohnt sind und zusammen ungefähr 1500 Seelen zählen. Unter diesen Inseln ist Dschabwor (Jabwor) nicht die größte, aber deshalb die mächtigste, weil sich hier die fremden Handelsniederlassungen befinden. Das Dorf besteht aus etwa zwanzig meist elenden Hütten; denn nur Kabua und Loiak bewohnen ziemlich anständige Bretterhäuser.

Am 14. Mai 1880 verbreitete sich plötzlich die Nachricht, Loiak habe sich mit seinen Leuten auf eine andere Insel des Atolls zurückgezogen, rüste hier und werde demnächst Dschabwor mit Krieg überziehen. Wir durften also auf das Schlimmste gefaßt sein, und die Eingeborenen waren in ziemlicher Aufregung. Zugleich erschienen die wohlbekannten Typen der Dorfbewohner äußerlich total verändert; denn Alle hatten die auf Dschabwor ziemlich verbreiteten europäischen Bekleidungsstücke abgelegt und erschienen in der zum Theil phantastischen Nationaltracht, die nackten Körpertheile und das mit Blumen und Federn geschmückte Haar reichlich mit Oel getränkt. Der nationale Aufputz hatte übrigens bei den Meisten europäische Beigabe erhalten, und namentlich durfte rothes Zeug als Kopf- oder kreuzweise Brustbinde zum vollständigen Staate eines Kriegers keinesfalls fehlen. Auch das weibliche Geschlecht hatte die feinsten Matten – eine Art Tücher – herausgesucht. Einige hatten die ihnen im Grunde doch lästigen Jäckchen abgelegt und zeigten sich ebenfalls in Nationaltracht und, nebenbei bemerkt, nicht unvortheilhafter. Kabua bemühte sich zunächst, zum Theil auf Credit „Bu“, das heißt Gewehre, zu kaufen, und seine Hülfstruppen von den benachbarten Inseln zusammenzuziehen, über deren Zahl er übrigens so wenig unterrichtet war wie über die seines Gegners.

Schon am andern Morgen konnte er Heerschau abhalten und uns das Schauspiel einer Strandvertheidigung zum Besten geben. Dasselbe bestand im Wesentlichen darin, daß die in zwei Gliedern aufgestellten Krieger unter wüthendem Geheul, Gesten und Augenverdrehen einige Schritte vorrückten, planlos ihre Gewehre abfeuerten und wieder nach Haus gingen. Kabua, mit Säbel und Lanze bewaffnet, begleitet von seinem zwölfjährigen Sohne Lailing, commandirte, wobei ihn seine Hauptfrau kräftigst unterstützte. Nach dieser Waffenübung gaben die Häuptlinge einen sogenannten Tanz zum Besten, das heißt eine jener mimischen Darstellungen, bei welchen die Vortragenden, unter Gesangs- und Trommelbegleitung und in sitzender Stellung, ihre größte Kunst in zitternden Armbewegungen und pagodenhaften Kopfdrehungen mit wildem Augenrollen auszudrücken bemüht sind.

Obwohl Kabua weit besser bewaffnet war als sein Gegner, da seine Truppen meist Hinterlader (Tabatieregewehre) führten, während sein Gegner nur eine geringere Zahl Vorderlader besaß, so unterließ er es doch, zuerst anzugreifen; denn nach Landessitte kommt dies Dem zu, welcher den Krieg erklärte.

Loiak ließ denn auch nicht lange auf sich warten, sondern erschien schon am dritten Tage, dem Pfingstsonntage, mit seiner Flotte, was natürlich große Aufregung hervorrief. Es war ein äußerst malerisches Bild, als zwanzig, große, dicht mit Menschen vollgepackte Canoes in langer Reihe aufsegelten oder besser vorübersegelten; denn auch Loiak wagte keinen Angriff, sondern landete am Nordende der Insel Dschabwor. Selbstredend erwartete man jeden Augenblick den Anmarsch des Feindes. Wirklich zeigten sich auch bald darauf in den Büschen unterhalb des Dorfes ein paar verdächtige Gestalten, ohne Zweifel Tirailleure oder Spione, und Kabua gab jetzt das Zeichen zum Angriffe. Eingedenk seiner Würde als Höchster, stellte er sich mit lobenswerther Bravour persönlich an die Spitze; sein treues Volk folgte ihm, und zwar nicht blos die Krieger, sondern Alle ohne Ausnahme; denn nach dem Wehrgesetze in den Marshalls sind im Kriegsfalle höchstens Säuglinge und Schwerkranke frei; alle Uebrigen, vom Knaben bis zum Greise am Stabe und vom kleinsten Mädchen bis zur ältesten Matrone, haben dem Heerbanne Folge zu leisten. Der Aufmarsch dieses buntscheckigen und geschmückten Volksheeres war in der That sehr malerisch und der einzige bemerkenswerthe Moment des ganzen Krieges. Selbstredend marschirten die Tapferen nicht in Colonnen oder Sectionen auf, sondern einzeln in langer Gänsemarschreihe, hier und da Gruppen bildend, in denen Weiber und Mädchen die Mehrzahl waren, wie dieselben überhaupt den überwiegenden Theil des Heeres ausmachten, dessen männlicher Kern, inclusive der Jungen und Krüppel, ungefähr 180 Köpfe betragen mochte.

Kabua selbst war übrigens nicht von einer Leibgarde seiner besten Kämpen umgeben, sondern vier seiner Weiber folgten ihm als Escorte, und erst viel weiter nach rückwärts kamen die Krieger angezogen. Wie in den früheren Kriegen die Frauen ihre Männer begleiteten, so auch jetzt. Nur sind es nicht mehr Schleudersteine, welche sie in Körben nachtragen, sondern Patronen, Pulver, Blei, außerdem Lebensmittel, als Cocosnüsse, Reis, Wasser in Cocosschalen, Gin- und anderen Flaschen, sowie endlich Haaröl und jenes amerikanische Medicament, welches unter dem Namen „painkiller“ (Schmerztödter) in der Südsee allgemein bekannt und beliebt ist. Auch für Verwundungen war man somit vorgesehen. Die meisten Männer waren mit Gewehren bewaffnet; einzelne führten außerdem Revolver und Pistolen, aber auch alte längst vergessene Speere und andere Waffen, z. B. Walfischspaten, waren hervorgesucht worden.

Die Krieger folgten ihrem Heerführer übrigens in möglichster Gemächlichkeit; wo man konnte, wurde noch eine Cocosnuß geleert, etwas gegessen, eine Pfeife angezündet oder ein Gespräch geführt, ganz wie sonst. Als Kabua auf dem Kampfplatze anlangte, machte er sich, obwohl noch fast gänzlich allein stehend, doch gefechtsbereit. Wie der erzürnte Löwe vor dem verderblichen Sprunge zum Angriff wild seine Mähne schüttelt und mit dem Schweife rollt, so wedelte er mit den langen Fasern seines crinolinenartigen Grasrockes, fuchtelte unter drohendem Kriegsgeschrei mit seinem Spencerrifle in der Luft umher, um sich bald darauf siegreich rückwärts zu concentriren, wobei ihm seine Tapfern in beschleunigtem Tempo folgten.

Die feindlichen Kundschafter waren inzwischen in’s Dorf gedrungen, nicht um zu spioniren, sondern um etwas Pulver und Tabak zu kaufen; sie zogen, unbehelligt von den Kriegern Dschabwors, die dabei zugegen waren, wieder heim in ihr Lager.

Am andern Tage ließ Kabua unterhalb des Dorfes, da, wo die Insel am schmalsten ist, eine Schanze aus Korallsteinen zusammentragen, die allerdings in bewundernswerther Eile beendet wurde und die letzte That in diesem Kriege war. Hier bezogen Wachmannschaften ein kleines Lager und erwarteten ungeduldig, aber kühn den Feind. Die einzige Beschäftigung der Krieger bestand nun darin, zu essen, sich zu putzen und in die Luft zu schießen, wobei keinerlei Unglücksfall vorkam; merkwürdig genug; denn von Handhabung einer Schießwaffe haben die meisten keine Idee.

Selbstredend wagte Loiak diesem heldenmüthigen Auftreten gegenüber keinen Angriff, und als in etlichen Tagen die Cocosnüsse an seinem Lagerplatze aufgegessen waren, ging er mit seinem, übrigens stärkeren, Heere nach einer anderen Insel. Hier wurden nicht allein die ihm nicht gehörenden Naturproducte aufgezehrt, sondern man fing in praktischer Weise auch an, Copra zu schneiden und diese zu verkaufen. So stehen die Sachen heute noch.

Ob es nun wirklich noch zu ernstem Streite kommen wird, ist sehr zu bezweifeln. Vorläufig hat das planlose Schießen sehr nachgelassen; denn mit den Patronen wurde zugleich das Geld verschossen. Beide Häuptlinge wünschen den Frieden, behaupten am Kriege nicht schuld zu sein und antworten, über die Ursache des Streites befragt, mit dem stereotypen „idschadsche“ (ich weiß nicht), womit namentlich Kabua seinen Standpunkt sehr richtig bezeichnet, da er in der That zu den „Nichtswissern“ von Perfection gehört. Vom humanistischen Standpunkt aus betrachtet, bestätigt der jüngste Krieg auf Jaluit die auch anderorts in Mikronesien gemachte paradox klingende Thatsache, daß seit Einführung von Feuerwaffen in diesen Regionen nur noch unblutige Kriege geführt werden.

Das beifolgende Bild wurde bei Gelegenheit der Besichtigung der „Korallenschanze“ nach der Natur von mir aufgenommen. Es führt uns die Marshallkrieger in vollem Staate vor und bedarf des besseren Verständnisses halber einer kurzen Erklärung.

Der kleine corpulente Herr in der Mitte des Bildes, mit der Lanze in der Hand, ist Lebon Kabua selbst. Er hat sich, wie seine Unterthanen, seit Beginn des Krieges der lästigen europäischen Kleidung [703] entledigt und den landesüblichen „Ihn“ angelegt. Es ist dies ein aus schmalen Streifen einer Kriechpflanze verfertigter, dichter und bauschiger, fast bis zum Knie herabreichender Bastfaserrock, der mittelst eines Gürtels aus Pandanusblatt, dem Kangr, festgehalten wird. Er verleiht dem Träger einen unverhältnißmäßigen Umfang, wie dies namentlich der junge, noch mit einem Kittel versehene Krieger rechts zeigt. Ueber dem Ihn trägt Kabua noch als besondere Zierde ein aus verschiedenen Kleiderresten zusammengenähtes buntes Tuch. Sein lockiges Haupthaar ist von einem schmalen mit weißen Muscheln besetzten Bande festgehalten und mit einigen Federn geschmückt. Die reiche Tätowirung Kabua’s, welche in mattblauem Tone sich auf der braunen Haut sehr vortheilhaft abhebt, kommt in vollstem Maße zur Geltung. Neben Kabua links steht sein Feldhauptmann, ein alter würdiger Kanaka, dem schon die durch einen Ring aus Pandanusblatt enorm ausgedehnten Ohren, noch mehr aber der mächtige Kopfputz aus Federn des Fregattvogels ein besonders phantastisches Aussehen verleihen. Die zwei sitzenden Krieger, ebenfalls nur mit dem Ihn bekleidet, zeigen die alte Weise des auf dem Hinterkopfe zu einem Knoten gebundenen Haares. Zwar trägt der junge, auf dem Stumpfe einer Palme sitzende Freiwillige ebenfalls einen Zopf, er stammt aber von einer der nördlichen Inseln der Gruppe, deren Bewohner sich noch ursprünglicher erhalten haben. Die feine aus Pandanusfaser geflochtene Matte, welche er um die Schenkel geschlungen hat, bildet eine sehr gefällige Tracht für diese nackten braunen Gestalten. Ganz links erblickt man zwei Mädchen in dem auf Jaluit am meisten üblichen Costüm, indem nämlich den nationalen Matten für die untere Körperhälfte noch ein Kattunjäckchen nach europäischem Schnitt hinzugefügt wurde. Sie halten die Adscha, die sanduhrförmige, an einer Seite mit Haifischhaut überzogene Trommel, das einzige Musikinstrument der Marshaller, im Arm, nicht um in ähnlicher Weise wie in unseren Kriegen mit derselben zum Kampfe anzufeuern, sondern nur damit den Tanzvorstellungen nicht die Begleitung fehlt. Die zwei holden Damen im Hintergrunde führen uns die eigentliche Nationaltracht dieser Insulanerinnen vor mit der beim weiblichen Geschlecht auf Arme und Schultern beschränkten Tätowirung, welche jetzt, wie die enorme Erweiterung der Ohrläppchen, immer mehr abkommt.

     Jaluit (Bonham), Marshall-Inseln, im October 1880.