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Kolbachthal

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Textdaten
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Autor: Johann Georg Fischer
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Titel: Kolbachthal
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 31, S. 513–514
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[513]

Kolbachthal
bei Bad Liebenzell im württembergischen Schwarzwald, Sommer 1881.


      Wie freust du dich, Erde,
Daß im Lichte du wandelst
Jenes kurze Weilchen,
Welches Jahrtausende,
Welches Millionen Jahre wir nennen,
Daß du jetzo wandelst
Den Augenblick lang
In jenem goldnen
Himmelsstriche des Raums, der Zeiten,
Der auf deine Flächen
Grüne Gefilde und Silbergewässer,
Herrliche Völker und Thaten zeichnet,
Leben und Kunst.

      Wie freust du dich, Erde,
Deines grünenden Wandels!
Ich freue mich auch
Und wandle mit dir, mein Kind, an der Hand,
Und es führt uns der Freund,
Der kunstreich schauende,
Kunstreich bildende, sinnende Freund[1]
So wandeln wir,
Zeitaltern vergleichbar,
Wir einzelnen Jungen und Alten zusammen,
In einem der tiefen,
Leuchtenden Gründe des herrlichen Schwarzwalds,
Wandeln am Bache
Aufwärts, aufwärts, den Quell zu finden.

      Gegen einander, drückend und stützend,
Aber unendlich erfind’risch an Formen
Sind sie gelagert, die schweigenden Felsen,
Von Rankenschnüren und mächtigen Farnen
Gleich wehenden Haaren überhangen.
Thurmhoch ragen,
Den Himmel zu fassen, die Stämme der Tannen;
Den Abgrund packen
Der Riesenwurzeln klammernde Fänge,
Doch im Moose streifen
Des Sonnenlichtes spielende Finger,
Und dazwischen plätschert des Baches Gerede
Jedem Steine sein rieselndes Lied.

[514]

      Aber mit einmal
Faß’ ich den Freund, faßt er mich am Arme:
„Sieh dorthin, dorthin!“
„Tritt hierher, hierher!
So siehst du satter das Wundergebilde.“

     Eines Felsens gehöhltes Halbrund, wie eine
Urne, umhemmte den drängenden Quell,
Und den Fels umstanden die ragenden Stämme,
Die Säulen im Chor den Altar umsteh’n.
Doch die Urne füllte das ruhlose Wasser,
Und in lichten Strängen,
Dreifach getheilten, dann wieder vereinten,
Floß es vom Rand
In krystallenem Falle zur Tiefe weiter.
Von oben aber malte der Aether
Im Wasserspiele die Wipfel der Bäume,
Wie wenn vom Jenseits aus ewigen Tiefen
Himmlische Maien herüberwehten.

     Aber mein Kind an Armen und Händen
Fester hielt ich und sprach zu ihm:
„Sieh, heute so sonnig,
Doch andere Male
Bei Sturm und Donner wandelt die Welle,
Wandelt bei immer wechselnden Lichtern,
Und so wandeln, mein Kind, wir selber,
Wandelt die ganze fluthende Zeit,
Ein junger Zustrom,
Ein kleiner Aufhalt,
Ein kurzer Fall.

     Doch das Auge der Welt schaut zu, schaut zu,
Und vom Auge der Welt sind wir auch ein Theil,
Ich und du, mein Kind,
Und der Freund, der uns führt,
Und wir sehen verwundert,
Wie das Wasser kommt,
Wie das Wasser geht,
Und wir auch dazu.“

     Doch der Freund, der Meister des Pinsels, zaubert
In Farben das Bild, zu erfreuen die Herzen,
Und ich versuch’ es
In unzulänglich tastenden Worten.

J. G. Fischer.



  1. Maler P. F. Peters.